In der letzten Sitzung des Ausschusses für Bildung, Soziales, Kultur, Sport und Integration vor der Sommerpause hat neben dem Caritasverband Offenbach/Main e.V. (wir haben berichtet) auch die Diakonie ihren Jahresbericht für den Zeitraum von März 2024 bis März 2025 vorgestellt. In Kelsterbach kümmert sich die Diakonie im Rahmen der kommunalen Sozialarbeit seit 2022 um die Bewohnerinnen und Bewohner der Notunterkunft in der Waldstraße, sowie um auf der Straße lebende Menschen. Zudem hat sie im Januar 2025 die Trägerschaft der Kelsterbacher Ausgabestelle der Tafel Rüsselsheim übernommen. Lucian Lazar, Gesamtleiter der Regionalen Diakonie Rüsselsheim / Groß-Gerau, Kerstin König, Bereichsleiterin Wohnungsnotfallhilfe, sowie Sozialarbeiterin Kerstin Reinecker berichteten den Mitgliedern des Ausschusses über die aktuellen Fortschritte, Herausforderungen und Ergebnisse ihrer für die Kommune so wichtigen Arbeit.
Lazar erklärte, dass die Kernaufgabe die Betreuung und Begleitung von Wohnungslosen sei. Hier leiste Reinecker hervorragende Arbeit, die sich durch teilweise eher unkonventionelle Methoden auszeichne. Auf ihre ganz eigene Art schaffe es die Sozialarbeiterin, Menschen zu bewegen, die sich lange nicht mehr bewegt haben. Sie akzeptiere die Menschen so wie sie sind und gebe niemanden auf, selbst die extremen Fälle nicht. Wichtig sei aber auch zu erwähnen, dass die Arbeit der Diakonie ohne die Unterstützung des Bürgermeisters und der städtischen Akteure nicht möglich sei. Nur als funktionierendes Netzwerk könne man den stetig wachsenden Herausforderungen begegnen, die beispielsweise daraus resultierten, dass immer mehr anerkannte Flüchtlinge und Familien in Notlagen geraten und obdachlos werden.
Anders als die Unterbringung wohnungsloser Menschen sei deren Betreuung keine kommunale Pflichtaufgabe, so König. Doch die Erfahrung habe gezeigt, dass man die Menschen nicht über einen längeren Zeitraum sich selbst überlassen könne. Es sei wichtig, sie bei kleinen wie auch bei größeren Schwierigkeiten an die Hand zu nehmen, sie zu begleiten und zu unterstützen. So schaffe man in den Unterkünften sozialen Frieden, wovon die ganze Stadt profitiere. Hier leiste die kommunale Sozialarbeit einen wichtigen Beitrag.
Über die aktuelle Lage in Kelsterbach berichtete Reinecker, dass sich die Situation auf der Straße entspannt habe. Sie habe weniger Anrufe bezüglich obdachloser Menschen bekommen als im Jahr zuvor. Auch habe die Ballung abgenommen, da es eine Ausweitung der Treffpunkte vom Platz vor dem Tegut auf den Vorplatz des Edeka gegeben habe. Reinecker hat diese Plätze regelmäßig aufgesucht und konnte so einen guten Kontakt zu den Menschen aufbauen. Ohnehin sei ein vertrauensvolles Miteinander einer der wichtigsten Bausteine ihrer Arbeit, ob auf der Straße oder in den Unterkünften.
In der Notunterkunft in der Waldstraße sei das vergangene Jahr sehr herausfordernd gewesen – und das aus einem eigentlich positiven Grund. Denn viele Menschen seien aus der Notunterkunft in eigene Wohnungen umgezogen. Hier hob Reinecker das gute Netzwerk mit der städtischen Wohnungswirtschaft, dem Ordnungsamt und Flüchtlingskoordinatorin Agneta Becker hervor. „Die Zusammenarbeit mit den einzelnen Akteuren klappt wunderbar. Wir konnten alle, die wohnfähig sind, vermitteln“, so die Sozialarbeiterin. Dennoch seien die Auszüge eine Belastung gewesen, da für das soziale Gefüge in der Unterkunft wichtige Träger wegfielen und die etablierte Gemeinschaft auseinandergebrochen sei. Es sei schwierig gewesen, erneut ein funktionierendes Miteinander aufzubauen, was aber seit etwa drei Monaten wieder gut gelinge. Besonders positiv falle auf, dass die gegenseitige Unterstützung der Bewohner auch weiterhin besteht. Das mache sich insbesondere dadurch bemerkbar, dass Problemlagen frühzeitig an sie als Sozialarbeiterin gemeldet werden und damit ein rechtzeitiges Eingreifen möglich ist, bevor sich im Entstehen befindliche Schieflagen verfestigt oder gar verschlimmert haben.
Ebenfalls schwierig sei die Tatsache, dass einige Bewohner arbeiten gehen und recht ordentlich verdienen, allerdings nicht genug, um sich auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt mit seinen immer weiter steigenden Mieten eine eigene Bleibe leisten zu können. Das Dilemma sei, dass sie gleichzeitig zu viel verdienen, um einen Wohnungsberechtigungsschein zu bekommen. Da komme es zu Spannungen, wenn diese Menschen sehen, dass jemand, der keine Arbeit hat, eine eigene Wohnung bekommt und sie nicht. Bürgermeister Manfred Ockel fügte hinzu, dass die Bemessungsgrenze für den Anspruch auf sozial geförderten Wohnraum viel zu niedrig sei. Diese müsse dringend angehoben werden, auch wenn das bedeute, dass die Zahl der Berechtigten dadurch stark ansteige. Geschehe das nicht, führe das dazu, dass die soziale Schere immer weiter auseinander gehe und gesellschaftliche Spannungen zunehmen.
Eine weitere Herausforderung der letzten Monate für Reinecker sei, dass die Unterkunft „Am Grünen Weg“, in der zuvor Geflüchtete untergebracht wurden, jetzt an die Wohnungslosenhilfe übergeben worden ist. Hier sei sie noch ganz am Anfang, hoffe aber, dass es gelingt, auch dort ein stimmiges Gefüge aufzubauen. Denn bei bestimmten Dingen könne eine funktionierende Hausgemeinschaft viel effektiver sein als die Sozialarbeit. Da müsse man einfach schauen, wie sich die Situation in dieser Unterkunft weiter entwickelt.
Zur Übernahme der Kelsterbacher Ausgabestelle der Tafel konstatierte Lazar, dass der Übergang problemlos geklappt habe. Neben den bekannten Herausforderungen wie steigenden Fallzahlen und saisonalen Schwankungen bei den zur Verfügung stehenden Lebensmitteln, sei zu befürchten, dass in Zukunft immer mehr ehrenamtliche Helfer aus Altersgründen wegfallen werden. Hier sei es wichtig, verstärkt junge Menschen zu erreichen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Ockel wertete es als gutes Zeichen, dass nach dem Trägerwechsel keiner der aktuell tätigen Ehrenamtlichen aufgehört habe. Auch er sehe die Notwendigkeit, noch mehr und vor allem jüngere Menschen dafür zu begeistern, bei der Tafel zu helfen. Große Zustimmung gab es für den Vorschlag von Claudia Incardona aus der SPD-Fraktion, dass Firmen angefragt werden könnten, ob sie interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine bestimmte Anzahl von Tagen im Jahr für ehrenamtliche Tätigkeiten freistellen würden.
Fazit der Jahresberichte von Diakonie und Caritas war, dass das Ziel der kommunalen Sozialarbeit, Menschen in Notlagen Hilfe und Unterstützung zu bieten, eine große und wichtige Aufgabe ist, die nur im gemeinsamen, ergänzenden Miteinander verschiedener Akteure wie der Stadtverwaltung, der Caritas und eben auch der Diakonie gemeistert werden kann. Dass dies in Kelsterbach trotz der zunehmenden Herausforderungen gut gelingt, dafür dankte Ausschussvorsitzende Dr. Karina Strübbe allen beteiligten Akteuren. (sb)