Als Experten in Sachen Wärmeplanung standen (von links) Dagmar Eger, Maximilian Barth, Heiko Langelotz und Malaika Rahm (NH Projekt|Stadt) Rede und Antwort.
Die Stadt Kelsterbach arbeitet derzeit zusammen mit der Nassauischen Heimstätte Projekt|Stadt und dem Ingenieurbüro BCC Energie an der Erstellung ihres Wärmeplanes, der den Weg zu einer ökologischen, ökonomischen und sicheren Wärmeversorgung für die Untermainstadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner aufzeigen soll. Derzeit heizen die Kelsterbacher Haushalte noch zu knapp 80 Prozent mit klimaschädlichem Gas und Öl; das soll sich in den kommenden Jahren ändern, damit die von der Bundesregierung vorgegebenen Klimaziele eingehalten werden können.
Um die Bevölkerung über die kommunale Wärmeplanung vor Ort in Kelsterbach zu informieren, hat die Stadt zu mehreren öffentlichen Informationsabenden eingeladen. Die erste Veranstaltung fand vergangenen Dienstag im Fritz-Treutel-Haus statt. Vertreter und Vertreterinnen des Teams Nachhaltigkeit der Stadtverwaltung, der NH und von BCC Energie trugen die Informationen vor und beantworteten Fragen.
Im Zuge der gesetzlich verpflichtenden Wärmeplanungen sind drei sogenannte Fokusgebiete in Kelsterbach definiert worden - das Unterdorf, das Sportparkareal und das Europort-Areal - die sich sehr gut für zentrale Versorgungslösungen eignen. Am Anfang der Planungen stehen die Bestands- und Potentialanalysen, für deren Erstellung umfassend Daten ermittelt werden müssen - etwa zur Bausubstanz, zu den zurzeit eingesetzten Heizungsarten und zu den Heizenergieverbräuchen. Daraus lässt sich der benötigte Wärmeenergiebedarf ermitteln, der Grundlage für die weiteren Planungen ist. Sodann werden die einzelnen Fokusgebiete hinsichtlich einer möglichen zentralen Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energiequellen untersucht. Als Quellen werden dabei die Abwärme aus Gewässern, Industrie und Rechenzentren, Erdwärme, Umweltwärme und Solarenergie betrachtet. Mittels Wärmepumpen und Strom lassen sich die relativ niedrigen Temperaturen vieler nutzbarer Wärmequellen so weit erhöhen, dass sie zum Heizen von Gebäuden taugen.
Für das Unterdorf nehmen die Planer an, dass einmal 30 Prozent der Wohngebäude mit einer durchschnittlichen beheizten Fläche von 256 Quadratmetern an ein zukünftiges Wärmenetz angeschlossen sein werden. Das entspricht einem Wärmeenergiebedarf von 17,6 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Da das Kelsterbacher Unterdorf nah am Main liegt, haben die Planer die Nutzung von Wasserwärme ins Auge gefasst. Eine Wärmepumpe könnte 550 Kubikmeter Wasser pro Stunde aus dem Fluss zapfen, um ihm einen Teil seiner Wärme zu entziehen. Drei Grad Celsius kälter würde es dann schließlich wieder in den Main zurückgeleitet. Diese von der Wärmepumpe gewonnene Energie würde 75 Prozent der benötigten Heizwärme abdecken, für die restlichen 25 Prozent - 1,44 Millionen Kilowattstunden pro Jahr - würde ein Gaskessel, der mit Biomethangas betrieben wird, sorgen. Der nötige Strom für die Wärmepumpe - 960.000 Kilowattstunden pro Jahr - müsste aus erneuerbaren Quellen bezogen werden; entweder aus dem Netz oder mittels einer eigenen Photovoltaikanlage, die rechnerisch einen halben Hektar Fläche benötigte. Alternativ könnten auch 25 Prozent der benötigten Wärme aus Abwärme des nahen Höchster Industriegebiets gewonnen werden.
Die Fragen der Anwesenden im Anschluss an die fachlichen Vorträge richteten sich unter anderem nach dem Zeitplan der Umsetzung sowie nach den voraussichtlichen Preisen, die für die Nutzung der geplanten Fernwärme anfallen würden. Dagmar Eger vom Ingenieursbüro BCC Energie machte deutlich, dass erst in vier bis sechs Jahren mit der Fertigstellung eines Fernwärmenetzes zu rechnen sei. Wer bis dahin kurzfristig seine Heizung erneuern will oder muss, ist gehalten, eine dezentrale, individuelle Lösung für sein Haus zu finden. Die Wärmeplanung ist als fortlaufender Prozess auf mehrere Jahrzehnte angelegt und wird während dieser Zeitspanne kontinuierlich den sich wandelnden Gegebenheiten und Möglichkeiten angepasst. Konkrete Preise für den Verbraucher können derzeit noch nicht genannt werden, jedoch, so versichert Eger, seien sich die Planer bewusst, dass die Nutzung eines künftigen Wärmenetzes auch in wirtschaftlicher Sicht konkurrenzfähig sein müsse.
Damit traf sie den Nerv des überwiegenden Teils der rund 60 Anwesenden, die in einer Befragung die Kriterien Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit mit weitem Abstand als wichtigste Gesichtspunkte in Sachen zukünftiger Energieversorgung bestimmt hatten.
Bürgermeister Manfred Ockel hatte eingangs deutlich gemacht, dass die im Zuge der kommunalen Wärmeplanung erarbeiteten Lösungen für Wärmenetze ein Angebot darstellten, von dem Gebrauch zu machen den Kelsterbacher Immobilienbesitzern freigestellt sei. Wer selbständig eine andere Lösung für die Wärmeversorgung seiner Immobilie finden will, kann dies selbstverständlich tun, es besteht kein Anschlusszwang. Optionen für die individuelle Wärmeversorgung werden am 10. September im Rahmen der Infoveranstaltung „Heizung und Sanierung“ thematisiert.
Für Fragen zur kommunalen Wärmeplanung stehen bei der Stadtverwaltung Maximilian Barth und Heiko Langelotz zur Verfügung. Sie sind erreichbar per E-Mail an nachhaltigkeit@kelsterbach.de oder unter Telefon 06107 773-533 (Barth) beziehungsweise 0171 6827664 (Langelotz). (wö)