Städte sind immer im Wandel. Altes weicht Neuem und auch Wachstum verändert das Stadtbild stetig. Besonders sichtbar wird dieser Wandel bei Einzelhandel, Kulturinstitutionen und natürlich der Gastronomie, da dies Orte sind, die für viele Menschen zum Alltag gehören sowie Treffpunkte sozialen Miteinanders. Daher werden mit ihnen häufig besondere Erinnerungen verbunden, an die nicht selten wehmütig zurückgedacht wird, wenn solche Stätten verschwinden. Im Kelsterbacher Stadtmuseum hat am vergangenen Freitag parallel zum Altstadtfest eine neue Ausstellung eröffnet, die sich genau mit solchen Veränderungen beschäftigt: Für „Kelsterbacher Gastwirtschaften im Wandel der Zeit“ haben die beiden Kuratoren, Karl Schmiedt und Thomas Börner, alte Fotos von 27 Gaststätten zusammengestellt, wobei die meisten Aufnahmen aus den frühen 1900er Jahren stammen. Dadurch, dass diese Fotos aktuellen Bildern der Häuser entgegengestellt werden, wird die Ausstellung für die Besucher zu einer ganz besonderen Zeitreise.
Während einige Häuser vollständig Neubauten weichen mussten, erkennt man doch so manche alte Lokalität auch in den zeitgenössischen Fotos deutlich wieder. Für den Stadtverordneten Frank Wiegand, der neben Bürgermeister Manfred Ockel und der hessischen Landtagsabgeordneten Kerstin Geis zur Ausstellungseröffnung gekommen war, sei dies als „Zugezogener“ ein besonders spannender Aspekt der Präsentation. Für Bürgermeister Ockel dagegen werde beim Betrachten der Bilder sehr schön deutlich, warum Kelsterbach schon früher als „die gastliche Stadt am Main“ bekannt war. Orte wie das Café Einig, wo heute die Gaststätte „Zum Grünen Baum“ beheimatet ist, waren beliebte Begegnungsstätten, in denen das schon damals rege Vereinsleben von Kelsterbach zelebriert wurde, so der Bürgermeister. Besonders interessant für ihn sei die Erkenntnis, dass rund 60 Prozent der gezeigten Gastwirtschaften von früher auch heute noch gastronomisch genutzt werden würden, wenn auch in zum Teil völlig anderer Form. Doch auch wenn Vieles früher sehr schön war und seinen ganz eigenen Charme hatte - etwa die direkt am Mainufer gelegenen Genussorte - so möchte man so manche Veränderung wie die hygienischen Standards von heute wirklich nicht mehr missen. „Alles hat seine Zeit“, resümierte Ockel sehr treffend.
Hartmut Blaum, Vorsitzender des Volksbildungswerks Kelsterbach, zeigte sich erfreut darüber, dass diese schon lange vorbereitete Ausstellung nun endlich der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann. Zumal die letzte Ausstellung des Stadtmuseums über „Magie und Aberglauben“ aufgrund der Corona-Pandemie kaum gezeigt werden konnte. Er dankte den beiden Kuratoren für ihre Arbeit, die sehr anschaulich die heutige und die historische Sichtweise auf das Thema miteinander zu einem spannenden Stück Stadtgeschichte verbindet.
Besucher können hier in Erinnerungen schwelgen, etwa an den Besuch von Box-Legende Max Schmeling im Café Einig im Jahr 1947, ans Einkehren ins Gasthaus „Zur Sonne“, an das heute nur noch das Dach des Hauses in der Mainstraße erinnert, an die Eröffnung der Gartenwirtschaft von Dieters Braustübel, ausgestattet mit „Automobil- und Radfahrerstationen“ oder an den selbstgekelterten Apfelwein im Gasthaus „Zur Friedrichshöhe“. Bis Ende Dezember 2022 ist „Kelsterbacher Gastwirtschaften im Wandel der Zeit“ immer sonntags von 15 bis 17 Uhr im Stadtmuseum zu sehen. Danach sollen die zusammengestellten Materialien nicht einfach wieder im Archiv verschwinden. Hartmut Blaum verkündete am Ende der Ausstellungseröffnung die Idee, im Anschluss an die Präsentation aus den gesammelten Fotos und Informationen eine Broschüre zu erstellen. Darin sollen dann auch vier weitere Gaststätten aufgenommen werden, die in der Ausstellung nicht gezeigt werden konnten. (Text und Bild sb)
Die beiden Kuratoren Karl Schmiedt (links) und Thomas Börner (rechts)