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Kelsterbach aktuell
Ausgabe 42/2022
Seite 2
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Fairnetzt - Live und vor Ort

Verein Rhein.Main.Fair trifft sich zu zweitem Vernetzungstreffen

Unter dem Motto: „Faireint – Live und in Farbe“ trafen sich Mitglieder des Vereins Rhein.Main.Fair e.V. Anfang Oktober zu ihrem zweiten Vernetzungstreffen. Die Organisation ist Deutschlands erste faire Region und vereint die drei Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern. Sie steht für mehr Fairness und Nachhaltigkeit in der Welt und bildet zusammen die Metropolregion Rhein-Main. 2019 konstituierte sie sich zu einem Verein, bevor Corona beinahe alle geplanten Aktivitäten in den folgenden zwei Jahren lahmlegte. Nun konnten sich Mitglieder und Interessierte das erste Mal seit Ausbruch der Pandemie wieder vor Ort, genauer in der Evangelischen Akademie in Frankfurt, treffen. Mit dabei war auch die Stadt Kelsterbach, die als Fairtradetown zertifiziert ist.

Den Beginn machte der Schülerchor der Textorschule, der die Anwesenden gut einstimmte. Als erste Rednerin war Dr. Kira Vinke vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung per Video zugeschaltet. In ihrem Grundsatzvortrag zum Thema „Klimawandel und Sicherheit“ legte sie die verschiedenen weltweiten Entwicklungen dar, die in ihrer Gesamtheit, zum Klimawandel beitragen beziehungsweise durch diesen verstärkt werden.

Parallele Krisen verschärfen Trend

Vinke, die bei der Gesellschaft für Deutsche Auswärtige Politik (DGAP) Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik ist sowie Mitglied im Beirat der Bundesregierung für zivile Krisenprävention und Friedensförderung, beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zu den Themen Klimamigration, Klimafolgen und gewaltsame Konflikte sowie zivile Krisenprävention. Laut Vinke treffen aktuell drei Krisen parallel aufeinander: der Klimawandel, die Covid-19-Pandemie und die Ressourcenübernutzung der Erde. Dies verschärfe nicht nur den Trend, laut Vinke werden dabei oft die Kosten für Klimaprävention vor die Kosten durch den Klimawandel gestellt. Der Klimawandel koste uns bereits jetzt enorm viel und bedrohe uns existentiell. Dazu zählt Vinke unter anderem die Hitzetoten, deren Zahl in Europa, also auch in Deutschland, mit jedem Hitzerekordjahr weiter stiegen. Aber auch Kosten für Extremwetterereignisse wie im Juli 2021 im Ahrtal zählen dazu. Dort waren in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli vergangenen Jahres mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in Teilen der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gefallen. Viele Menschen wurden im Schlaf überrascht, verloren sämtliches Hab und Gut oder bezahlten sogar mit dem Leben. Vinke weist darauf hin, dass sich diese Wetterereignisse summieren und immer extremer werden. Die von Klimaforschern prognostizierte Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius könne bereits 2026 erreicht werden, was wiederum mehr Hitzetote bedeute.

Kriege treiben auch Umweltzerstörung voran

Doch auch weltweit zeichnen sich immer wieder Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und Konflikten ab, wie in Syrien. Der Klimawandel wirke weiter destabilisierend in strukturschwachen Regionen und bedrohe die Heimat, den Wohlstand, die kulturellen Traditionen, die Ausübung von Berufen und das Sozialleben. Dabei sind Kriege, wie auch in der Ukraine, als Treiber von Umweltzerstörung zu sehen. Das menschliche Leid stehe zu Recht im Vordergrund, werde aber durch die Zerstörung der Umwelt weiter beeinflusst. Vinkes Plädoyer ist: „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern.“

Um sowohl einen Wiederaufbau als auch die zukünftige städtebauliche Planung nachhaltiger zu gestalten, verwies sie auf die herkömmliche versus der grünen Bauweise. Holz sei dabei einen großer Faktor, da dieses zumindest temporär Kohlendioxid (CO2) speicherte. Auch eine nachhaltige Forstwirtschaft sei hierbei zu favorisieren.

„Es gibt ganz viele Lösungen, die eigentlich nur darauf warten, umgesetzt zu werden“, schloss Vinke. Das mache Mut, den Umbau anzugehen und nicht nur Teil des Problems zu sein.

Diskussionsrunde und Workshop

Nach diesem Grundsatzvortrag trafen sich mehrere Redner auf der Bühne und eröffneten eine gemeinsame Diskussionsrunde zum Thema „Was braucht unsere Metropolregion?“. Diskussionsteilnehmer waren neben Vinke auch Vertreter des Stadtbaus Aschaffenburg, des Energiedienstleisters Entega, des Rhein-Main-Verkehrsverbundes sowie der Weltläden in Deutschland. Hierbei wurde unter anderem über die nachhaltige Energiegewinnung, zum Beispiel durch Solarenergie, statt der Gewinnung durch Gas debattiert. Auch Aschaffenburgs Vertreter André Kazmierski betonte, dass sowohl im kommunalen wie im kirchlichen Bauwesen Nachhaltigkeit seit Jahren verankert sei und Banken oftmals einen Bau ohne CO2-Strategie entweder zu deutlich schlechteren Konditionen oder gar nicht mehr finanzieren würden. „An der Nachhaltigkeit führt kein Weg mehr dran vorbei.“ Auch die Entega verspüre aktuell „einen enormen Druck zur Dekarbonisierung, vor allem im Bereich des Wärmesektors“, so Markus Horn von der Entega. Die Energiewende beziehe sich nicht nur auf die Transformation „ich mache Strom grün“, sondern auch auf die Wärmewende, die eine der komplexeren Herausforderungen sei. Hinzu komme die aktuelle Energiekrise, die mit den gestiegenen Preisen sowohl den Industriekunden als auch den privaten Kunden zu schaffen mache.

Am Nachmittag beschäftigten sich die Teilnehmenden in Workshops mit den Themen: Klimaschutz in Kommunen, Aktionsformen in der Zivilgesellschaft zum Thema Fairer Handel, Kommunale (Klima)partnerschaften, Fairer Handel im Bildungsprogramm einer Kommune und öko-soziale Beschaffung in Kommunen. In kleinen Gruppen wurden erste Lösungsansätze erarbeitet und in einem abschließenden Ausblick präsentiert.

In einem zweiten Teil des Artikels werden konkrete Diskussionsinhalte sowie mögliche Lösungsansätze vorgestellt. (Text ana, Bilder ts)