Auf dem Vernetzungstreffen des Vereins RheinMainFair am 11. Oktober hielt Dr. Kira Vinke vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) einen viel beachteten Vortrag zum Thema Klimawandel und Sicherheit. In einem ersten Artikel wurden bereits einige Punkte aus ihrem Vortrag vorgestellt. In diesem Artikel wird noch einmal genauer auf das Forschungsfeld Klimawandel und Sicherheitspolitik eingegangen.
Obwohl der Homo Sapiens erst seit 200.000 bis 300.000 Jahren auf der Erde existiert, hat er bereits einigen Eindruck hinterlassen. In seiner kurzen Phase innerhalb der Erdgeschichte hat sich das Erdklima stark verändert. Das ergaben laut Vinke Rekonstruktionen aus Eisbohrkernen, die zeigen, wie sich das Klima an den Polen entwickelt hat. Obwohl dies nicht repräsentativ sei für die gesamte Erde, so Vinke, so gibt es einen Eindruck, wie stark die Schwankungen bislang waren.
Die Kohlendioxidkonzentration der Atmosphäre steigt immer weiter an. Eine Tendenz, die seit der Industrialisierung zu beobachten ist. Eine besorgniserregende Entwicklung. Der starke Konsum von fossilen Treibstoffen habe diese Extremtemperaturen hervorgerufen.
Die Covid-19-Pandemie stehe genau wie der Klimawandel mit der Übernutzung der Lebensgrundlagen im Zusammenhang. „Wir übernutzen die natürlichen Ressourcen, wodurch der Klimawandel entsteht, und wir konsumieren zu viele Wildtiere und zerstören Habitate von Wildtieren und das bedeutet, dass so genannte Zoonosen, zu denen auch Covid-19 gehört, immer häufiger auftreten.“ Frühere Zoonosen waren Ebola, HIV oder auch SARS. „Das waren alles Krankheiten, die vom Wildtier auf den Menschen übergegangen sind, entstanden aus einem zu engen Kontakt zwischen Menschen und Wildtieren.“
Die dritte große Krise ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der auch massive Umweltzerstörungen mit sich bringt. „Wir müssen multitaskingfähig werden, um diese verschiedenen, parallelen Krisen zu bewältigen“, forderte Vinke.
Die Klimakrise bedrohe unsere Zivilisation existentiell und müsse schnell gebannt werden, so die Wissenschaftlerin weiter. „Aber ich denke auch, wir müssen fähig sein, mehrere Krisen parallel zu bewältigen und dass es gar nicht so sehr darum geht, zu priorisieren, denn wir haben viele Kapazitäten, die wir parallel einsetzen können.“
Heute befinden wir uns bei etwa 1,2 Grad Celsius Erderwärmung und das Wetter hat sich bereits sehr stark verändert. Dieser bereits geringe Anstieg hat verursacht, dass einer von vier Regenrekorden auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Als Beispiel nannte Vinke die Ahrtalflut aus dem Jahr 2021. Es wurde in Studien berechnet, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen um drei bis 19 Prozent gestiegen ist.
„Die gute Nachricht ist: Wir können den Klimawandel begrenzen. Die schlechte Nachricht ist: Es wird in jedem Fall noch wärmer werden“, so Vinke. Gründe hierfür seien, dass Kohlendioxid noch lange in der Atmosphäre verweile und tagtäglich weiteres Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen werde. Obwohl es Bemühungen gibt, dessen Produktion zu reduzieren, steigt sie immer noch jährlich weiter an.
Die Berechnungen, die der Weltklimarat (IPCC) anführt, sehen im schlimmsten Fall bis zum Ende dieses Jahrhundert einen Temperaturanstieg um über vier Grad Celsius vorher. Dies hätte so weitreichende Folgen, dass die Erde, wie wir sie heute kennen, nicht fortbestehen würde.
Bereits bis 2026 ist eine Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius möglich laut Vinke. Die Wahrscheinlichkeit dafür liege bei 50 Prozent.
Für die menschliche Sicherheit bedeute dies einen Anstieg an Hitzetoten. Allein in Deutschland starben zwischen 2018 und 2020 über 19.000 Menschen durch die Folgen der Hitze. Dieser Trend dürfte sich laut der Wissenschaftlerin weiter fortsetzen.
Auch für die Sicherheitspolitik hat dies Auswirkungen. So verursachen Dürren nachweislich Migrationsbewegungen in urbane Zentren. Geschieht dies in Ländern mit einer heterogenen ethnischen Zusammensetzung, erhöht sich auch das Risiko bewaffneter Konflikte. Als Beispiel nannte Vinke den Konflikt in Syrien, aber auch in Burkina Faso hatte sie dazu geforscht.
Ganz konkret benannte sie Kriege als Treiber von Umweltzerstörung und daraus resultierender menschlicher Not, dem Verlust der Heimat, des Berufes und des Soziallebens.
Kriege zu schlichten und zu verhindern, sieht Vinke als genauso relevant an, wie die Städte von morgen klimaresistenter zu bauen. Dazu gehöre auch die Verwendung von Holz als Kohlendioxidspeicher und das Überdenken der klassischen Bauweise.
„Es gibt so viele Lösungen, die eigentlich nur darauf warten, umgesetzt zu werden.“ Dies mache Mut, den Umbau anzugehen und nicht nur Teil des Problems zu sein, schloss Vinke. (ana)