Beate (im Vordergrund) und Hektor ziehen die Baumstämme aus dem Wald am Mönchwaldsee zu Stapeln.
Hektor und Irene Noll ziehen die Baumstämme präzise durch verbleibenden Bäume.
Auch Beate legt sich mächtig ins Zeug, Volker Schmelz lenkt sie.
Bedränger mit orangem Ring und Zukunftsbäume, gelb markiert.
Auf dieser Fläche sollen rund 4800 Pflanzen eingesetzt werden.
Auch die Feuerwehr ist begeistert von den imposanten Rückepferden und so hat Hektor gleich zwei Fans mehr.
In der vergangenen Woche hieß es wieder einmal: „Achtung, Baum fällt“. Zusammen mit der Feuerwehr der Fraport wurden am Rundweg des Mönchwaldsees mehrere Bäume entnommen. Die Fraport Feuerwehr absolviert jedes Jahr im Kelsterbacher Wald einen Kettensägenlehrgang in Kooperation mit dem Kelsterbacher Kommunalbetrieb (KKB). Mit dabei sind auch immer zwei Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Kelsterbach - und natürlich die Pferderücker.
Volker Schmelz ist mit seiner Lebensgefährtin Irene Noll und den beiden Pferden Hektor, einem Noriker-Haflinger-Mix, und Beate, einer Belgischen Stute, aus Linden bei Gießen gekommen. Was die Feuerwehr an Bäumen bereits aus dem Waldbestand entnommen hat, ziehen die Pferde mit Hilfe von Eisenketten und unter den Kommandos von Schmelz und Noll durch die Bäume bis zum Wegesrand. Dabei ziehen die Pferde jeden Stamm so, dass sie am Ende gestapelt sind – auch das will gelernt sein – und vom Stapel werden die Stämme später wiederum maschinell vom KKB abtransportiert.
Die ganze Prozedur klingt erstmal etwas martialisch und nach höllisch viel Anstrengung. Doch schon bald wird sichtbar, dass so ein Kaltblüter, speziell ein Rückepferd, arbeiten will. Die Zeit, in der sie warten müssen, bis ihre Besitzer die Fragen von neugierigen Reportern beantwortet haben, ertragen sie gelassen, doch man merkt, dass ihre Geduld schwindet. Kaum bewegen sich Schmelz und Noll, kommt auch Leben in die Pferde. Und wenn so ein 600 beziehungsweise 800 Kilogramm schweres Pferd sich in Bewegung setzt, sieht Mensch besser zu, dass er schnell aus der Bahn kommt.
Seit 20 Jahren ist Schmelz, der die Pferderückerei nur nebenberuflich macht, in diesem Geschäft tätig. Mit viel Glanz in den Augen denkt er an die tollen Pferde, die er bereits trainiert hat und die wiederum jüngere Pferde mittrainiert haben, so wie das der 16-jährige Hektor jetzt mit der knapp fünfjährigen Beate macht. So ein Rückepferd kann mit etwa drei Jahren beginnen, im Betrieb mitzulaufen, Ziehen darf es dann noch nicht. Wenn das Pferd etwa vier ist und Abläufe kennt, beginnt man mit dem eigentlichen Training. Beate macht ihre Sache schon sehr gut, meint Schmelz. Doch Feinheiten, wie Hektor sie beherrscht, muss sie noch lernen. „Und sie muss noch ordentlich Muskelmasse an der Brust aufbauen“, sagt Schmelz. „Ein wenig wachsen wird sie auch noch und sie kann noch etwa 100 Kilogramm an Gewicht zulegen“. Mit etwa 20 Jahren geht ein Rückepferd dann in Rente. „Dann machen die Knochen bei Kaltblütern Probleme“, sagt Schmelz. Das kann man sich gut vorstellen bei so einem kräftigen Tier. „Und so ein Pferd will ja auch noch einen schönen Lebensabend haben“.
In der Zeit, in der die Tiere nicht mit Rückearbeiten beschäftigt sind, aber trotzdem bewegt werden müssen, spannen Schmelz und Noll die beiden vor den Planwagen oder nehmen an Rückemeisterschaften teil. Hektor hat bei den deutschen Meisterschaften im Präzisionsrücken zuletzt den dritten Platz gemacht.
Und dann geht es los. Die Pferde setzen sich in Bewegung und legen sich in die Ketten. Rund 45 Jahre sind die Roteichen alt, die an zwei Tagen von der Fraport-Feuerwehr gefällt und vom KKB abtransportiert werden müssen. Martin Klepper, Kelsterbacher Stadtwaldförster, spricht hier von Bedrängern. Regelmäßig geht er durch den Wald und prüft den Baumbestand. Gerade die Roteichen lassen kaum Konkurrenz von anderen Pflanzen zu, aber auch nicht untereinander. „Sie bedrängen sich gegenseitig“, sagt Klepper. „Wenn eine Roteiche erstmal groß gewachsen ist, bekommt sie eine breite Krone. Dann wächst nichts mehr am Boden, weil kaum noch Licht bis an den Boden kommt. Die Bäume hier sind alle gleich alt, doch es gibt Wuchsunterschiede. Ich schaue mir nun an, welcher Baum ein zukunftsträchtiger ist und welcher nicht.“ Neben so einem Zukunftsbaum wird dann ein kranker, toter oder einfach weniger erfolgversprechender Baum als Bedränger identifiziert und entnommen. Dadurch soll der Bestand entwickelt und stabilisiert werden. „In 100 Jahren werden hier theoretisch auf einem Hektar nur noch zehn Bäume stehen“, meint Klepper. Dann sind die Bäume so breit gewachsen, dass neben ihnen nichts mehr bestehen kann. Bis dahin werden die Roteichen alle fünf bis zehn Jahre im Bestand entwickelt.
Vor einem Jahr wurde in einem anderem Teil des Waldes ein großes Areal an Bäumen entnommen. Grund war ein 20 Jahre alter Planfeststellungsbeschluss, der umgesetzt werden musste. Doch der KKB ist fleißig dabei, neue Flächen aufzubereiten und Setzlinge einzupflanzen. Dabei setzen Klepper und der KKB seit diesem Jahr auf einen Mix aus Stieleiche, Ulme, Buche, Wintereiche, Kirsche und Hainbuche.
Insgesamt 54.000 Bäumchen werden in der nächsten Zeit eingepflanzt. Alleine auf einem Areal nahe des Sees werden in den kommenden Wochen rund 4800 Bäume eingesetzt. Um dies zu schaffen, arbeitet der KKB mit einer externen Firma zusammen, die zwei Pflanztrupps à sechs Mann zur Verfügung stellt – zusätzlich zu den Leuten vom KKB. Die Hoffnung liegt nun auf dem vielfältigen Baum-Mix, der sich, so Klepper, hoffentlich als so klimaresistent wie erwartet erweist. „Dazu kommt der Mehrwert für die Tiere“, sagt der Stadtwaldförster Vielfältige Baumfrüchte sowie Verstecke für Vögel sind nur ein paar Beispiele. Das Ergebnis bleibt, wie immer im Waldumbau, abzuwarten. Rund 25 Jahre muss man sich gedulden, bis man eindeutig sagen kann, ob die Planung aufgegangen ist, erklärt Klepper.
Unterdessen arbeiten Hektor und Beate fleißig weiter und haben beachtliche Mengen an Holzstämmen zu Stapeln zusammengezogen. Diese Arbeit ist zwar zeitaufwendiger, doch auch um einiges nachhaltiger als die rein maschinelle Entnahme. Zudem „müsste man mit der maschinellen Methode alle 40 Meter Rückegassen bei der Pflanzung einplanen“, sagt Klepper. Das verändert das ganze Waldbild. Auch der dann eingesetzte Schlepper verbraucht viel Benzin und bringt jede Menge Abgase in den Wald.
Stattdessen gibt es zwei schnaufende, schwitzende Pferde, die mit viel Kraft und erstaunlich viel Feingefühl durch die Baumreihen ziehen und allenfalls Pferdemist hinterlassen. Klepper jedenfalls ist mit der Arbeit zufrieden. Auch Volker Schmelz und Irene Noll sind zufrieden und arbeiten ebenso konzentriert und ruhig wie ihre Pferde für ein Resultat, das sich sehen lassen kann. (Text und Bilder ana)