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Raunheim aktuell
Ausgabe 1/2025
Seite 6
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Ihsan Güler: Gründer einer der ersten türkischen Fahrschulen in Deutschland

Ihsan Güler vor seiner Fahrschule in Raunheim

Die Fahrschule Güler ist vielen Menschen in der Umgebung ein Begriff. Was nicht jedem bekannt ist: Die Fahrschule am Rüsselsheimer Marktplatz war eine der ersten türkischen Fahrschulen Deutschlands.

Die berufliche Laufbahn von Gründer und Inhaber Ihsan Güler ist dabei so abwechslungsreich wie turbulent. Als zwölfjähriger Bub nach Deutschland gekommen, ist er heute voll integriert, seine Fahrschule hat mehrere Filialen.

Bürgermeister David Rendel freut sich: „Die Lebensgeschichte von Ihsan Güler ist eine klassische Aufsteigergeschichte und zeigt, was Menschen durch Bildung, Integration und Engagement erreichen können. Die Stadt Raunheim ist stolz, Menschen wie Ihsan in ihren Reihen zu wissen.“

Grund genug, sich einmal genauer mit seiner Biografie zu beschäftigen. Wir sprachen mit dem 60-jährigen Raunheimer Unternehmer über seinen spannenden Lebensweg.

Stadt Raunheim: Herr Güler, Sie sind ein Pionier: Sie gründeten eine der ersten türkischen Fahrschulen in Deutschland.

Ihsan Güler: Das ist richtig. Es gab bereits Fahrschulen von Menschen mit türkischen Wurzeln in Köln und Nürnberg, aber keine im Rhein-Main-Gebiet. Ich habe gemeinsam mit meinem guten Freund Ulrich Hetzel 1990 eine Fahrschule am Marktplatz in Rüsselsheim eröffnet, die Fahrschule Ihsan Güler GmbH. Als Fahrlehrer übernahm Hetzel die Fahrstunden, ich kümmerte mich zunächst um die Buchhaltung, die Anmeldungen und die Kundenbetreuung. 1991 machte ich dann auch meinen Fahrlehrerschein Klasse B.

Stadt Raunheim: Hatten Sie als türkischsprachige Fahrschule Anfang der 1990er Jahre denn starken Zulauf von Landsleuten?

Güler: Ja, der Bedarf war sehr groß. Viele deutsche Fahrschulen verwiesen Türken wegen der Sprachprobleme an uns.

Stadt Raunheim: Offensichtlich mit Erfolg. Als Sie damals nach Deutschland kamen, konnten Sie selbst noch kaum Deutsch.

Güler: Ich kam 1976, im Alter von zwölf Jahren, mit meiner Mutter und drei meiner sieben Geschwister nach Deutschland.

Mein Vater war schon sechs Jahre zuvor nach Deutschland gegangen, erst nach Berlin, dann nach Frankfurt. Einer meiner Brüder lebte ebenfalls bereits in Deutschland. Mein Vater hatte zuhause in Sivas, Zentralanatolien, bei einem landwirtschaftlichen Betrieb und als Gleisbauer für den Lebensunterhalt gesorgt, aber nicht genug verdient. 1979 fing er dann bei der Firma Opel als Bandarbeiter an.

Stadt Raunheim: Dann zog die Familie in die Umgebung Rüsselsheims?

Güler: Wir lebten zunächst in Gravenbruch, dann in Gabsheim bei Wörrstadt und zogen 1983 nach Rüsselsheim.

Stadt Raunheim: Wie erlebten Sie Ihre ersten Monate und Jahre in Deutschland? Sie beherrschten die deutsche Sprache kaum, hatten keine Freunde.

Güler: Mein Vater und mein Bruder hatten bereits vorher deutsche Bücher mit in die Türkei gebracht. So konnte ich schon ein bisschen Deutsch lernen. Ich wollte nach Deutschland, weil ich mit meinem Vater und meinem Bruder zusammensein wollte.

In der Schule musste ich zunächst in der Förderstufe in eine gesonderte Klasse. Mir tat das gut, denn in der Klasse waren auch deutsche Schüler mit Sprachproblemen. Damals lebten noch nicht so viele Türken hier, ich war gezwungen, Deutsch zu lernen. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass die Lehrer sehr nett waren und mich toll unterstützt haben. Ich verließ die Schule 1981 mit dem Hauptschulabschluss.

Stadt Raunheim: Wie verlief ihr Weg nach der Schule? Begannen Sie eine Ausbildung?

Güler: Ja, als Zimmermann bei der Zimmerei und Dachdeckerei Pusch in Gau-Odernheim. Ich schloss die Ausbildung 1984 als Geselle ab. Ich wollte aber nicht weiter in diesem Beruf arbeiten, sondern fing bei der Firma Trans-O-Flex in Bischofsheim an. Dort war ich drei Jahre beschäftigt, davon zwei Jahre im Büro als Kommissionierer. 1987 wurde ich vom Supermarkt Coop abgeworben, ich war dort ebenfalls in der Kommission tätig.

Stadt Raunheim: Wie entstand die Verbindung zur Fahrschule?

Güler: Ich machte 1983 den Führerschein Klasse B und 1987 auch den LKW-Führerschein Klasse 2. Ab 1985 arbeitete ich dann parallel in der Fahrschule Wilbert, half beim Übersetzen. Mein Fahrlehrer machte sich selbständig und fragte mich, ob ich ihn im Büro unterstützen wolle. Dort half ich auch türkischen Fahrschülern beim Lernen.

Stadt Raunheim: Das war dann der Start in das Fahrschul-Geschäft?

Güler: Noch nicht ganz. 1989 schloss Coop. Ich war arbeitslos, jobbte aber noch in der Fahrschule. Zwei Jahre war ich auch Catering-Fahrer für Scandinavian Airlines. Dann übernahm ich mit Hetzel die Fahrschule am Marktplatz.

Stadt Raunheim: Im Laufe der Zeit bauten Sie weitere Fahrschulen auf. Wie kam es zu der Erfolgsstory?

Güler: 1993 stieg mein Partner Hetzel aus der Fahrschule aus, ich übernahm seine Anteile. 1994 eröffnete ich in Mainz und 2008 in Frankfurt-Höchst jeweils eine weitere Fahrschule. 2008 startete ich mit der Fahrschule in Raunheim. Ich wollte dort das Angebot um den LKW-Führerschein erweitern, weil im Umfeld zahlreiche Speditionen ansässig waren. Die Mainzer Fahrschule habe ich 2015 abgegeben, die Fahrschule in Höchst führt mein Sohn.

Stadt Raunheim: Sie haben ihren Lebensmittelpunkt heute in Raunheim. Wann sind Sie hier gelandet?

Güler: Ich bin mit meiner Familie 1996 nach Raunheim gezogen, wo wir uns ein Haus gekauft haben.

Stadt Raunheim: Sie schildern einen sehr spannenden Lebensweg.

Güler: Ja, er war ziemlich abwechslungsreich, nicht typisch für Migranten. Die meisten Migranten arbeiteten bei Großfirmen. Aber ich würde behaupten, auch für Deutsche ohne Migrationsgeschichte ist das kein typischer Werdegang.

Stadt Raunheim: Würden Sie in Ihrem Fall von einer gelungenen Integration sprechen?

Güler: Ja. In Deutschland fühle ich mich wohl, hier bin ich ab meinem zwölften Lebensjahr aufgewachsen, hier habe ich meine Familie und Freunde. Ich würde sagen, dass ich in der Türkei daheim bin, wenn ich dort Urlaub mache, dort habe ich meine Wurzeln. In Deutschland bin ich zuhause, hier wohne ich, hier läuft mein Leben ab.

Heimat sind für mich aber beide Länder. Ich finde, dass die Integration früher leichter gefallen ist als heute. Die einheimische Bevölkerung war früher aufgeschlossener. Heute haben die Menschen viele Vorurteile.

Stadt Raunheim: Sie sind nicht nur erfolgreicher Unternehmer, Sie sind auch ehrenamtlich sehr stark engagiert.

Güler: Ich war acht Jahre Vorsitzender des Islamischen Bildungs- und Fördervereins in Rüsselsheim. 2009 war ich Mitbegründer des Türkischen Kultur- und Bildungsvereins in Raunheim. Wir leisten mit dem Verein Integrationsarbeit. In der Moschee wird Nachhilfeunterricht zum Beispiel in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik angeboten. Wir beteiligen uns am Dreck-weg-Tag, am Tag der offenen Moschee und an internationalen Festen, tauschen uns mit Menschen mit und ohne Migrationshintergrund aus. Ich habe den Hessischen Unternehmerbund mitbegründet und bin dort im Vorstand als Vorsitzender.

Stadt Raunheim: Warum ist Ihnen soziales Engagement wichtig? Güler: Soziales Engagement ist sehr wichtig für die Bevölkerung, die Gesellschaft und das Zusammenleben der Menschen in Deutschland mit und ohne eigene Migrationsgeschichte. Damit fällt auch die Integration leichter.

Stadt Raunheim: Herr Güler, vielen Dank für das nette Gespräch.


"Mein Lebensweg war sehr abwechslungsreich, nicht typisch für Migranten."


"Soziales Engagement ist sehr wichtig für die Bevölkerung, die Gesellschaft und das Zusammenleben der Menschen. Damit fällt auch die Integration leichter."