Wessen Murmel rollt zuerst durch ein Tor im Schuhkarton? Alte Spiele kennenlernen und in den Alltag der Kitas einzubringen, war das Ziel einer Fortbildung im Heimatmuseum.
Hickelkästchen waren früher auf den Pausenhöfen nicht wegzudenken. Dank Straßenmalkreide kann das Hüpfspiel in den Kitas wiederbelebt werden.
Das Jahrtausende alte Spiel Kalaha begeisterte einige Kolleginnen spontan. Elke Fleißig (Zweite von rechts) erklärt die Spielregeln.
Figuren aus Holz aus den 50er-Jahren regen die Fantasie an.
Murmeln, ein Springseil und Straßenmalkreide - damit eröffnet sich eine Fülle an Spielmöglichkeiten für Kinder.
Einen spannenden und interessanten Nachmittag erlebten Erzieherinnen und Erzieher mit Diplom-Sozialpädagogin Elke Fleißig kürzlich im Heimatmuseum: Die in Raunheim lebende Kita-Leitung im Ruhestand und Nina Finkernagel, Leitung des Heimatmuseums, hatten zu einem halbtägigen Workshop unter dem Titel „Spiele von früher“ eingeladen.
Die Teilnehmenden aus den städtischen Kindertagesstätten konnten bei der Fortbildung alte Spiele kennenlernen – oder sich zum Teil wieder an diese erinnern. Die Zeitspannen, seit diese Spiele Kindheiten bereicherten, reichten nicht bloß ein paar wenige Jahrzehnte, sondern teils sogar Jahrtausende zurück.
„Wir wollen erfahren, welche Spiele es früher für die Kinder gab und wie wir sie praktikabel im Alltag der Kitas umsetzen können“, informierte Finkernagel.
Schnell sah es auf dem früheren Magistratstisch des Rathauses aus wie in einem Kinderzimmer: Ins Auge fiel sofort das Spiel Kalaha, ein modernes Strategiespiel der Mancala-Familie. Die Ursprünge der Mancala-Spielbretter reichen bis in das 6. bis 8. Jahrhundert nach Christus zurück – sie wurden im Nordwesten Äthiopiens gefunden. „Das ist ein einfaches Spiel für Kinder, bei dem die Haptik gefördert wird“, meinte Fleißig. Durch das Klackern der Steinchen in den Mulden bereitet das Spiel auch jüngeren Kindern viel Spaß.
Mit Murmelspielen, Seilspringen und Hickelkästchen beschäftigen Kinder sich heute weniger. „Solche Spiele fördern die Feinmotorik und die Bewegung“, sagte Fleißig jedoch. Man benötigt nur wenig Material, um die Spiele in einer Kindergruppe umzusetzen. Für das Murmelspiel lassen sich aus einem Schuhkarton schnell und einfach Tore unterschiedlicher Größe herausschneiden, die mit verschiedenen Punktzahlen besetzt werden können. So lernen die Kinder außerdem früh Zahlen kennen. In der Kita können die Schuhkartons mit den Kindern kreativ gestaltet werden – ob als Drachenburg, Prinzessinnenschloss oder auf andere fantasievolle Art. Straßenmalkreide oder ein langes Seil reichen aus, um die beiden anderen Spielideen umzusetzen.
Fleißig hatte ein Dorf mit Figuren aus Holz aus den 50er-Jahren mitgebracht. Anders als bei vielen modernen Spielen haben die Figuren keine vorgefertigten Funktionen und Geschlechter, sondern sind neutral. „Die Kinder können ihre Figuren selbst benennen, das fördert die Fantasie“, erklärte Fleißig.
„Die modernen Brettspiele kennen die Erzieherinnen und Erzieher. Mit einfachen, alten Spielen können sich die Kinder sehr gut selbst erfahren“, erläuterte Fleißig. Diese alten Spiele helfen Kindern, wichtige Fähigkeiten wie Feinmotorik, strategisches Denken, Konzentration und Bewegung zu entwickeln. „Wir wollen ihnen Anregungen für den Kita-Alltag geben, die ohne viel Vorbereitung umgesetzt werden können“, ergänzte Finkernagel.
Die Teilnehmenden haben viel aus der Fortbildung mitgenommen. „Wir können die älteren Spiele gut in die Kita-Arbeit integrieren“, meinte Matthias Stellert aus der Kita Regenbogen. Er ist von dem Spiel Kalaha begeistert und hebt den schlichten Spielrahmen hervor, da die Kinder nicht von bunten Bildern abgelenkt werden. „Wir haben sehr viel gelernt und neue Ideen erhalten“, stellte er fest. Das fand auch Nursen Cakir aus der Kita Sterntaucher. „Es hat mich interessiert, was man früher für Spiele gespielt hat“, begründete sie ihre Teilnahme. Auch Kathrin Körner aus der Kita Schwalbennest, Benjamin Whisenant aus der Kita Schatzkiste, Janet Six aus der Kita Drachenland sowie Sabine Stoica-Zeides aus der Kita FarbenFroh hatten an der Fortbildung teilgenommen.
Elke Fleißig hatte die jetzige Fortbildung wie auch all jene in den Jahren zuvor ehrenamtlich durchgeführt. 2017 hatten sie und Nina Finkernagel erstmals das pädagogische Personal aus den Raunheimer Kindertagesstätten zu einem solchen Angebot eingeladen – einige Monate nach der Wiedereröffnung des Heimatmuseums mit neu entwickeltem Gesamtkonzept. „Kinder sind eine wichtige Zielgruppe des Museums“, sagt Finkernagel. „Umso mehr freuen wir uns über die regelmäßigen Fortbildungen, die Elke Fleißig für uns ausarbeitet und kostenfrei anbietet.“ Die Resonanz aus den Kitas sei jedes Mal erfreulich gut – im kommenden Jahr wird es deshalb die nächste Veranstaltung geben.