Wir stimmen ab: Die Kinder der Kita Zauberhäuschen kennen demokratische Entscheidungsformen.
Die Tauschbörse der Kita Sterntaucher vermittelt den Kindern demokratische Werte und einen Abstimmungsprozess.
Der Abstimmungszettel fällt in den Becher, die eigene Meinung ist platziert.
Welche Farbe soll mein Lätzchen heute haben? Die Krippenkinder in der Kita FarbenFroh entscheiden dies selbst.
In der Politik, in Unternehmen, Vereinen und vielen anderen Bereichen unseres Gemeinwesens werden Entscheidungen getroffen und Beschlüsse gefasst, über die zuvor nach demokratischen Grundprinzipien auf Basis des Grundgesetzes abgestimmt wurde.
Wenn ein Beschluss die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen kann, wird er angenommen. Abstimmungen können mit oder ohne vorherige Aussprache vorgenommen werden, sie können offen oder geheim sein, durch Handzeichen, Stimmzettel oder andere Beteiligungsformen erfolgen. Wichtig ist, dass der Mehrheitsbeschluss von den Beteiligten akzeptiert und mitgetragen wird, auch wenn das Ergebnis von der eigenen Vorstellung abweicht.
Diese Form der demokratischen Meinungsfindung erfordert ein hohes Maß an gegenseitiger Anerkennung, Achtung und Respekt.
In den Kindertagesstätten Raunheims achten die pädagogischen Fachkräfte darauf, Kindern von Beginn an demokratische Werte zu vermitteln und sie ihnen authentisch vorzuleben. Je nach Alter, Entwicklungsstand und Situation kommen unterschiedliche Beteiligungsformen zum Einsatz.
Die Fähigkeit zu demokratischem Verhalten ist die Grundlage unserer Gesellschaft. Die Vermittlung von Demokratiefähigkeit ist in der Kita Zauberhäuschen – wie in allen städtischen Kitas in Raunheim – ein zentrales Bildungs- und Erziehungsziel. „Wir erreichen dies durch Partizipation und die Möglichkeit der Teilhabe an Entscheidungsprozessen“, erklärt Leitung Ingrid Roth. „So stärken wir diese Fähigkeiten über gemeinsame Entscheidungen zwischen Kind und Kind sowie zwischen Kind und Erziehungspersonen.“ Das pädagogische Personal erarbeitet co-konstruktiv mit den Kindern Themen für Projekte oder ermöglicht ihnen die Mitbestimmung bei Entscheidungen – zum Beispiel durch altersgerechte Abstimmungsmethoden.
Erfolgt dies regelmäßig, gewinnen Kinder dadurch Einsicht in Regeln und Strukturen von Mehrheitsentscheidungen und üben sich darin, diese zu akzeptieren. Sie erfahren, dass es Gesprächs- und Abstimmungsregeln gibt, und üben diese einzuhalten. Kommunikation und Interaktion ist hierbei ein wesentlicher Aspekt. So greifen sprachliche Bildung und demokratisches Verständnis ineinander.
„Partizipation bedeutet in unserer Kita, dass die Kinder entsprechend ihrem Entwicklungsstand an der Gestaltung ihres Alltags beteiligt werden“, beschreibt Kita-Leitung Emine Andac. Das beginnt bei der Auswahl der Spielbereiche, in denen die Kinder sich aufhalten möchten, reicht über das Material, mit dem sie sich beschäftigen, und umfasst die selbst getroffene Entscheidung auf die Frage, ob sie an den angebotenen Aktivitäten teilnehmen möchten.
„Die Kinder entscheiden auch, ob und was sie essen möchten und wer sie bei pflegerischen Tätigkeiten begleiten darf“, beschreibt Andac eine Selbstverständlichkeit in der Kita Wellenläufer. Schließlich werden die Kinder in Entscheidungen einbezogen, die zum Beispiel räumliche Veränderungen betreffen, oder bei der Gestaltung eines Festes. Hier bringen die Kinder ihre Vorstellungen ein und stimmen im Anschluss darüber ab.
Inklusion ist ein grundlegender Aspekt in der konzeptionellen Arbeit aller Kitas. „Wir legen besonderen Wert darauf, dass sich tatsächlich alle Kinder beteiligen können“, sagt Jasmin Amiri, stellvertretende Leitung. Für die Drei- bis Sechsjährigen, die sich sprachlich noch nicht äußern können oder möchten, suchen die pädagogischen Fachkräfte gezielt nach anderen Beteiligungsformen: Dies können Bildkarten, Piktogramme oder Gegenstände sein. „Pädagogische Fachkräfte müssen sensibel für die Signale der Kinder sein, um eine echte Beteiligung zu ermöglichen und ihnen nicht alle Entscheidungen abzunehmen“, weiß Amiri.
„Zur Förderung der Demokratie haben wir vor einigen Jahren ein Kinderparlament eingerichtet“, beschreibt Saida Ezzarouali aus dem Kita-Team. Aus jeder Gruppe nehmen zwei interessierte Kinder am Parlament teil und treffen sich einmal im Monat. Sie können Ideen und Wünsche der anderen Kinder in das Parlament einbringen und Entscheidungen treffen, wie sich zum Beispiel der Speiseplan der kommenden Woche für die Ganztagskinder zusammensetzen soll.
Die Kinder der Kindertagesstätte Sterntaucher werden in viele Entscheidungsprozesse, die ihre Lebenswelt betreffen, eingebunden. Zudem findet alle vier Wochen die Tauschbörse statt. Dazu treffen sich die Kinder aller Gruppen in Begleitung der Fachkräfte im großen Turnraum, um Spielsachen, die jede Gruppe aus ihrem eigenen Bestand ausgewählt hat, vorzustellen. Mittels Abstimmung entscheiden die Gruppen, welches Spielmaterial sie für die Zeit bis zur nächsten Tauschbörse entleihen möchten. Auf spielerische Weise können die Kinder einerseits Kenntnisse über Regeln und Abläufe eines Abstimmungsprozesses gewinnen und sich Zusammenhänge erschließen und andererseits gemeinsames Handeln und Mitverantwortung erleben.
Zur Tauschbörse bringt jede Gruppe das Spielmaterial mit, das sie bei der vorangegangenen Tauschbörse entliehen hat, sowie drei Spielsachen, die sie zum Ausleihen anbieten möchte. Nachdem alle Kinder im Turnraum Platz genommen haben, werden sie von Kita-Leitung Heike Trautwein zu dieser Veranstaltung willkommen geheißen. Zunächst werden die entliehenen Gegenstände den jeweiligen Gruppen zurückgegeben. Nun wird es spannend! Fünf Becher in den Farben der Gruppen werden in der Mitte des Raums aufgestellt: orange, rot, gelb, grün, blau. Trautwein kommt in die Mitte und dreht einen Kegel. Die Gruppe, auf die die Kegelspitze zeigt, freut sich natürlich, denn sie darf beginnen. Zwei Kinder der Gruppe begeben sich in die Raummitte, halten das Spielzeug hoch, damit es von allen gesehen wird, und beschreiben das Spielzeug. Schließlich legen sie den Gegenstand vor den Becher, der in ihrer Gruppenfarbe schimmert. Im Uhrzeigersinn stellen alle Gruppen ihr ausgewähltes Spielzeug vor.
Wieder wird der Kegel gedreht und die Kinder der Gruppe, auf die die Kegelspitze zeigt, dürfen zur Abstimmung schreiten. Zeigt der Kegel auf die orange Gruppe, so wird der orange Becher umgedreht als sichtbares Zeichen, dass dieser Becher für diese Abstimmungsrunde nicht verwendet wird. Die Kinder der orangen Gruppe stimmen mit ihrem Stimmzettel aus Moosgummi ab, indem sie ihn in den entsprechenden Becher legen. Einige Kinder wägen kurz ab, welchem Spiel sie ihre Stimme geben möchten, die meisten entscheiden sich jedoch blitzschnell.
Die Spannung steigt. Welches Spiel wird wohl die meisten Stimmzettel auf sich vereinen? Aufmerksam verfolgen die Kinder, wie Trautwein die Stimmzettel aus dem ersten Becher herausnimmt. Alle Anwesenden zählen laut und mit großer Begeisterung. Danach folgen die Stimmzettel aus dem zweiten Becher. „Sind das mehr oder weniger Stimmzettel als im ersten Becher?“, fragt Heike Trautwein. Zielsicher beantworten die Kinder diese Frage und nach Auszählung aller Stimmzettel ist ihnen schnell klar, welches Spiel die meisten Stimmen auf sich vereint.
Gehört das Spiel mit den meisten Stimmen der blauen Gruppe, so wird die blaue Gruppe ihr zweites Spiel, das sie für die Tauschbörse vorgesehen hat, vor den blauen Becher legen. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass für alle Abstimmungsrunden die gleiche Anzahl an Spielsachen vorhanden ist. Mit Schwung dreht Heike Trautwein ein weiteres Mal den Kegel. Freudig stehen die Kinder der ausgewählten Gruppe auf, um mit ihren Stimmzetteln abzustimmen. Und wieder wird gemeinsam gezählt und scharf nachgedacht, welches Spiel in dieser Runde die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. Interessiert verfolgen die Kinder alle Abstimmungsrunden, bis schließlich die Kita-Leitung den Kegel in die Hand nimmt und die Kinder verabschiedet.
Kinder im Alter von ein und zwei Jahren benötigen besondere Beteiligungsformen, die ihnen im vorsprachlichen Bereich eine Mitbestimmung im Alltag einer Kindertagesstätte ermöglichen. In der Kita FarbenFroh werden schon die Jüngsten nach Aufnahme in eine der fünf Krippengruppen darin bestärkt, ihrer Meinung Ausdruck verleihen. Partizipation im U3-Alter findet alltagsbegleitend in Situationen statt, die den Kindern sehr vertraut sind, da sie sich täglich wiederholen: „In der Libellengruppe suchen sich die Kinder zum Beispiel vor dem Frühstück und dem Mittagessen die Lätzchen selbst aus“, beschreibt Sultan Ardic, stellvertretende Leitung, ein Beispiel. Die Krippenkinder lernen dadurch Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit.
Beim Essen dürfen sie ebenso selbst bestimmen, welche Farbe der Becher haben soll, aus dem sie trinken. Die Mädchen und Jungen entscheiden, neben welchem Kind sie beim Mittagessen sitzen möchten. Im Hinblick auf die Wickelzeiten suchen sie sich aus, welche Erzieherin ihre Windel wechselt. „Im Morgenkreis entscheiden sie, welche Lieder gesungen werden“, benennt Ardic eine weitere Alltagssituation. „Beim Frühstück und beim Mittagessen wählen sie den Tischspruch aus.“ Manche Gruppen haben Aktivitätenboxen mit Fotos, aus denen sich die Krippenkinder bestimmte Aktivitäten oder Räume wie den Turnraum aussuchen. „Wenn die U3-Kinder uns im Ü3-Bereich besuchen möchten, äußern sie das ebenfalls“, sagt Sultan Ardic.
Dadurch werden schon bei den Jüngsten die Grundlagen für Mitbestimmung geschaffen, die mit zunehmender Entwicklung des Sprachvermögens im Ü3-Bereich durch verschiedene Beteiligungs- und Partizipationsformate erweitert werden.