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Raunheim aktuell
Ausgabe 24/2024
Amtlicher Teil
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Rede von Bürgermeister David Rendel zur Einbringung des Haushaltsplanentwurfes für das Jahr 2025

- Es gilt das gesprochene Wort. –

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,

sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

wir haben uns in Raunheim über die Jahre daran gewöhnt, dass es dem Magistrat und der Stadtverwaltung jährlich wiederkehrend gelingt, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Ein ausgeglichener Haushalt ist die Voraussetzung dafür, dass wir die Leistungen, die wir seitens der Stadt für die Stadtgesellschaft erbringen, auch in Zukunft aufrechterhalten können.

In den letzten Jahren wurden in diesem Parlament Beschlüsse gefasst, die die wirtschaftliche Zukunft dieser Stadt sichern sollten. Beschlüsse, die auf einer Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung durch die gewählten Stadtverordneten fußten und die auch durch ein Vertrauen auf kompetente Beratung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Stadtverwaltung und von der Solidarität innerhalb unserer Stadtgesellschaft geprägt waren. Diese richtungsweisenden Entscheidungen sind es, die es mir auch in diesem Jahr ermöglichten, Ihnen einen ausgeglichenen Haushalt für das Jahr 2025 vorstellen zu dürfen.

Derzeit müssen wir aber davon ausgehen, dass dieser angenehme Umstand nicht mehr lange anhält.

Es ist meine Aufgabe als Kämmerer, eine wirtschaftliche Planung für diese Stadt aufzustellen. Für diese Planungen greift man auf Erfahrungen aus der Vergangenheit und wirtschaftliche Prognosen für die Zukunft zurück. Ich frage mich in diesem Jahr, inwieweit diese Leitplanken mich und uns alle aktuell noch führen können.

Für das kommende Jahr planen wir mit folgenden Kernzahlen:

Der Ergebnishaushalt sieht einen Überschuss von rund 1,25 Mio. Euro vor. Unsere Investitionen werden wir anteilig langfristig über eine Kreditneuaufnahme von rund 2,25 Mio. Euro finanzieren.

Wir konnten es bislang vermeiden, die Grund- oder die Gewerbesteuer zu erhöhen. Die geplanten Erträge aus der Gewerbesteuer belaufen sich im nächsten Jahr auf 26,5 Mio. Euro. Nach der Grundsteuerreform planen wir dort mit Einnahmen von rund 4 Mio. Euro.

Durch die derzeitigen Einnahmen können die aktuellen Aufwendungen der Stadt nicht gedeckt werden. Um diese Lücke zu schließen, ist geplant, erwirtschaftete Überschüsse aus den Sondervermögen in einer Höhe von 5 Mio. Euro heranzuziehen.

Sehr belastend wirken sich die auszuzahlenden Umlagen des Kreises Groß-Gerau aus. Der Haushalt des Kreises wurde noch nicht eingebracht, aber nach ersten Informationen wird es bei der Schulumlage zu einer spürbaren Erhöhung des Hebesatzes kommen. Ob der Hebesatz der Kreisumlage ebenfalls erhöht wird, steht gegenwärtig noch nicht fest. Insgesamt haben wir die Umlagen an den Kreis Groß-Gerau derzeit mit rund 19,5 Mio. Euro eingeplant, wobei in dieser Summe noch keine Auswirkungen an Hebesatzerhöhungen enthalten sind.

Von jedem erwirtschafteten Euro unserer regulären Gewerbesteuererträge führen wir rein rechnerisch folglich bereits rund 74 Cent an den Kreis Groß-Gerau als Umlage ab.

Der Bund und das Land Hessen werden darüber hinaus an unserer Gewerbesteuer mit einer Gewerbesteuerumlage von rund 2,23 Mio. Euro beteiligt. Zusätzlich haben wir eine Heimatumlage von rund 1,4 Millionen Euro an das Land Hessen zu entrichten.

Gleichzeitig ist aber festzustellen, dass die Städte im Ausgleich an der Einkommens- und Umsatzteuer beteiligt werden, die zusammen Erträge von rund 11,4 Mio. Euro sichern.

Je besser wir wirtschaften, desto weniger Mittel erhalten wir aus dem Kommunalen Finanzausgleich. Hier sind im kommenden Jahr nur noch Einnahmen von 1 Mio. Euro eingeplant. Absehbar wird dieser Betrag auch noch geringer ausfallen und wir werden diese entfallenen Einnahmen zusätzlich kompensieren müssen.

Unsere Welt und mit ihr unsere Stadt sind einem immer schnelleren strukturellen Wandel unterworfen. Frieden kehrte sich in Krieg, Sicherheit verwandelte sich in Angst, Angst führt zu Neid und Neid führt zu Hass. Wir erleben diesen Wandel im Kleinen hier in unserer Stadt, aber auch auf der großen Weltbühne: Rechte Ideologien werden salonfähig, Hetzer und Demagogen gewinnen Wahlen, Polemik und politischer Opportunismus töten menschliche Nächstenliebe und spielen die Ärmsten unserer Gesellschaft durch das Schüren von Ängsten und Neid gegeneinander aus.

Die Wahl von Donald Trump zum 47. Amerikanischen Präsidenten zeigt deutlich, wie üppig die Ernte von gesätem Hass und Misstrauen ausfallen kann, wenn Hetzer nur jeden Tag ungestört genügend Gülle auf die Felder der freien Meinungsbildung ausfahren können. Leider verbreitet sich diese neue vorgebliche „Erfolgsmethode“ erschreckend schnell und leider auch hier in Raunheim.

Die Wahl in den USA wird erhebliche negative Auswirkungen auf unser Land und unsere Ländergemeinschaften haben. „America First“ lässt keinen Platz für Solidarität. Diese Ideologie lässt nur Platz für den Lauteren und den Stärkeren. Wir in Raunheim profitieren aber sehr stark von einem gut funktionierenden, globalen Welthandel.

Unternehmen und Arbeitskräfte aus allen Ländern dieser Erde sind bei uns zu Hause. Wir leiden unter dem Fluglärm, aber wir leben auch von dem Pulsschlag des Frankfurter Flughafens. Dieser Pulsschlag ist abhängig von einer freien Welt und freiem Handel, von Frieden und Stabilität.

Meine Damen und Herren, unsere Stadt ist von guten Gewerbesteuererträgen abhängig. Wir finanzieren damit maßgeblich die wichtigen Kernausgaben, darunter jegliche Form der Kinder- und Jugendbetreuung, aber auch die Vor- und Unterhaltung unserer städtischen Infrastruktur. In den letzten Jahren konnten die Gewerbesteuererträge durch gute Maßnahmen der Stadtentwicklung um ein zig-faches gesteigert werden – und das trotz erheblicher Krisen, die unsere Welt in den letzten Jahren prägten.

Das, was aktuell auf unser Land und unsere Stadt zukommt, ist für mich als Kämmerer schwer abzuschätzen. Wird die aktuelle Rezession in unserem Land durch die Wahl in Amerika verstärkt? Welchen Kurs wird eine neue Bundesregierung ab dem Frühjahr einschlagen? Wird die Schuldenbremse aufgehoben, um die Wirtschaft und Konjunktur zu fördern? Werden uns die nun befürchteten Handelskriege heimsuchen?

Diese Unsicherheiten machen es nicht nur schwer, eine Prognose für die kommenden vier Jahre zu treffen. Auch eine Prognose für das nächste Jahr ist schon kaum möglich.

Ich habe mich daher dazu entschieden, zunächst davon auszugehen, dass wir einen Rückgang der Gewerbesteuererträge hinnehmen müssen. Dennoch werden Sie im Haushaltsansatz einen Ansatz finden, der sich am diesjährigen Ist-Ertrag orientiert. Das liegt maßgeblich daran, dass ab dem kommenden Jahr Einnahmen aus den bereits abgeschlossenen Standortentwicklungen der Rechenzentren zu erwarten sind – genauso wie aus den weiteren, im letzten Jahr nach Raunheim verlegten Gesellschaften der Rechenzentrumsbetriebsgesellschaften.

Die Einnahmen aus den Grund- und Gewerbesteuern dieser Ansiedlungen eröffnen uns ein wirtschaftsunabhängiges und sehr konstantes Einnahmepotential, sodass wir auch in den kommenden Jahren eine erwartbare konjunkturelle Durststrecke überwinden könnten.

Warum halte ich die letzte Aussage vage? Wir sind in Raunheim nicht alleine. Es ist zwischenzeitlich auch für die anderen kreisangehörigen Kommunen nicht mehr möglich, eine verlässliche Haushaltsplanung aufzustellen. Insbesondere die mittelfristige Finanzplanung ist kaum mehr glaubhaft darzustellen. Die Kreise finanzieren ihre Ausgaben über die angeschlossenen Städte und Gemeinden. Die Kreise haben das Recht, aber natürlich auch die zwingende Notwendigkeit, ihre Ausgaben durch Umlagen über die Städte und Gemeinden zu decken. Diese Umlagen sind in den letzten Jahren in dramatischer Weise angestiegen, was maßgeblich auf durchaus nachvollziehbare Kostensteigerungen innerhalb der Aufgaben der Kreise zurückzuführen ist.

Es gehört allerdings auch zur Wahrheit, dass eine grundsätzliche Kritik, die Kreise würden mit den verfügbaren Mitteln nicht wirtschaftlich umgehen, in einzelnen Bereichen durchaus berechtigt ist. Wenn wir alle unsere Kosten auf Dritte verlagern könnten, würde sich kaum ein zwingender Sparwille einstellen.

Vor dem Zwang zu sparen oder dem Zwang, höhere Steuern festzusetzen, stehen nun aber die Kommunen. Die Auswirkungen sind in erheblichen Umfang in allen Städten und Gemeinden im Kreis Groß-Gerau spürbar: Grundsteuererhöhungen in exorbitantem Umfang, Erhöhungen der Gewerbesteuern, Rückführung von freiwilligen Leistungen, Vermeidung von Investitionen, Einschränkungen der Pflichtaufgaben auf das gesetzlich vorgeschriebene Maß.

Förderprojekte liegen in erheblichen Umfang brach, weil die Kommunen nicht mehr in der Lage sind, den Eigenkostenanteil und die Folgekosten für sinnvolle Maßnahmen zu tragen.

Wenn wir aus mangelnden Mitteln nur noch unsere Pflichtaufgaben bestreiten können, dann ist für einen individuellen und gesetzlich gesicherten hoheitlichen Gestaltungsspielraum kein Platz mehr. Ich habe daher dem Magistrat schweren Herzens empfohlen, an der Seite weiterer Kommunen einer Klage der bereits im letzten Jahr vollzogenen Erhöhung der Umlagen beizutreten. Ich möchte betonen, dass diese Entscheidung nicht darauf basiert, dass ich die Aufwendungen des Kreises in Frage stelle. Es geht vielmehr darum, hier eine Änderung im bestehenden Finanzierungssystem zu bewirken.

Dass unser Haushalt noch ausgeglichen ist, liegt nicht an zu hohen Steuerhebesätzen. Raunheim hat als eine der wenigen, wenn nicht als einzige Stadt im Kreis Groß-Gerau, die höheren Umlagen nicht durch eine Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger kompensieren müssen.

Stattdessen können wir es uns derzeit leisten, auf Überschüsse unserer Sondervermögen zurückzugreifen, die in den letzten Jahren erwirtschaftet wurden. Diese geschaffene Komfortzone ist zum einen keine Selbstverständlichkeit, zum anderen aber auch absehbar endlich und sie geht zu Lasten kommender Generationen. Vorhandene Mittel, auf die wir jetzt zugreifen, können wir nicht mehr dazu nutzen, um laufende Verbindlichkeiten zurückzuführen.

Trotz der starken wirtschaftlichen Ausgangslage unserer Stadt und einer Vervielfachung unserer Gewerbesteuereinnahmen, bedingen unsere eigenen steigenden Aufwendungen, aber ganz maßgeblich die steigenden Umlagen des Kreises, dass auch im kommenden Jahr 5 Mio. Euro über die Sondervermögen an den Kernhaushalt übertragen werden müssen.

Bereits in den Folgejahren wird das so nicht mehr möglich sein. Unsere gemeinsame Zielsetzung muss es für die Zukunft sein, abseits von Steuererhöhungen konsequent wieder alle Ertragspotentiale für diese Stadt zu nutzen. Das gilt insbesondere für die Ansiedlung von ertragsreichen Unternehmen und Betrieben. Die Verwaltung, aber insbesondere auch die Politik, muss sich hier ihrer Verantwortung bewusst sein oder wieder bewusst werden. Jede verpasste Chance, jede politisch motivierte Verhinderung, müssen wir in den kommenden Jahren zwingend über Steuererhöhungen und Mehrbelastungen der Bürgerinnen und Bürger oder durch einen Ausfall von gewohnten Leistungen kompensieren.

Verstehen Sie diesen Aufruf bitte ausdrücklich nicht als politische Kampfansage. Es ist vielmehr die dringliche Bitte zu einer Versachlichung der politischen Debatten und als einen Aufruf zur Zusammenarbeit trotz manchmal vorhandener, politisch unterschiedlicher Grundpositionen zu verstehen. Das ist wichtig, um die Zukunft unserer Stadt zu sichern. Wenn wir weiterhin unsere sprichwörtlichen Felder niederbrennen und Salz streuen, dann gibt es für niemand mehr etwas zu gewinnen. Alle – unsere ganze Stadt wird letztlich verlieren.

Gerade in Zeiten, wo vorgebliche Hardliner, Phrasendrescher, Demagogen und deren Parteien im Aufwind stehen und gerade jetzt, wo durch Egoismus unter Bewegungen wie „America first“ dabei sind, über Jahre gewachsenes Vertrauen innerhalb von Gemeinschaften zu zerschlagen, müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen und hier aktiv gegensteuern. Wir müssen nicht nur unsere Bürgerinnen und Bürger daran erinnern, dass wir eine Solidargemeinschaft sind, sondern wir müssen hier auch wieder mit gutem Beispiel vorangehen.

Der Bibelvers „Jeder trage des anderen Last“ prägte als gesellschaftlicher Wert über viele Generationen dieses Land. Gerade die, die heute Angst, Neid und Hass nicht nur innerhalb unserer solidarischen Gemeinschaft schüren, sondern auch die Einzelinteressen vor eine Solidarität mit den kommenden Generationen stellen, predigen oftmals gleichzeitig den Untergang unserer Wertekultur. Dabei sind gerade sie es, die diese gewachsenen Werte mit Füßen treten.

Lassen wir das gemeinsam für unsere Stadt nicht zu. Besinnen wir uns auf die Aufgabe, die wir übertragen bekommen haben: Wir sind diejenigen, denen die Zukunftsplanung dieser Stadt anvertraut wurde.

Es ist wichtig, Entscheidungen dieses Parlamentes, aber auch Entscheidungen des Magistrates und des Bürgermeisters aus der Vergangenheit zu prüfen. Das ist wichtig, um aus fehlerhaften Entscheidungen zu lernen und es ist auch richtig, Strukturen zu verändern, um gleiche Fehler zu verhindern. Wir müssen aber aufhören, uns durchgehend mit der Vergangenheit zu beschäftigen und über Grabenkämpfe hierüber die Zukunft unserer Stadt aus dem Fokus zu verlieren. Wenn ich hier von „wir“ spreche, dann meine ich tatsächlich auch uns alle. Wir müssen ein Vorbild sein an Kompromissbereitschaft, an fairem Umgang miteinander und mit anderen und nicht zuletzt auch an gelebter Solidarität. Das hat unsere Stadt in der Vergangenheit vorangebracht und es wird sie auch in der Zukunft tragen.

Alle Fraktionen haben sich im vergangenen Jahr stark den Bedürfnissen von Gruppen, Vereinen und Verbänden zugewandt. Das ist richtig und es unterstützt die Arbeit des Magistrates und der Verwaltung, behebt und evaluiert vorhandene Ungerechtigkeiten oder auch Fehler. Wir müssen aber auch hier gemeinsam wieder auf einen Weg zurückfinden, in dem wir nicht nur berechtigte Einzelinteressen von Gruppen in den Blick nehmen, sondern hier Verantwortung übernehmen, indem immer auch eine Abwägung bestehender anderer Interessen und der Verantwortung für kommende Generationen erfolgt.

Unsere wenigen freien finanziellen Mittel können wir eben nur einmal einsetzen. Es gilt daher für die Zukunft, das mit Bedacht und Verantwortung zu tun.

Ich bitte Sie um die grundsätzliche Zustimmung zum vorgelegten Haushaltsentwurf, auch wenn ich natürlich davon ausgehe, dass wir diesen inhaltlich diskutieren und gemeinsam auch abgestimmte Änderungen aufnehmen und so zu gemeinsamen Zielsetzungen für das nächste Haushaltsjahr und die Folgejahre kommen.

Dieser Diskurs sollte von Kompromissbereitschaft, Solidarität und von der gemeinsamen Verantwortung getragen werden, die wir für diese Stadt übernommen haben.

Vielen Dank.