Vom 21. bis 23. Oktober besuchte eine Delegation aus der ukrainischen Stadt Lubny die Stadt Raunheim. Ziel des Besuchs war es, die seit 2016 bestehende Städtefreundschaft zu vertiefen und neue gemeinsame Projekte auf den Weg zu bringen. Erstmals beteiligen sich nun auch die Nachbarstädte Kelsterbach und Rüsselsheim an dieser Partnerschaft.
Am 22. Oktober empfing Bürgermeister David Rendel die Gäste aus Lubny – Bürgermeister Oleksandr Hryzajenko, Vita Kowalenko (Leiterin Öffentlichkeitsarbeit) und Olena Zsokh-Karunska (Leiterin Wirtschaftsförderung) – im Rathaus. Mit Erster Stadträtin Dorothee Herberich, Stadtverordnetenvorsteherin Loubna Ouariach, Leiterin Bildung und Soziales Kerstin Jühe sowie Flüchtlingsbetreuer Jens Grode und Olha Yavtseva nahm auch eine kleine Runde aus Verwaltung und Politik teil. Begleitet wurde die Delegation von der Raunheimerin Svitlana Rizzo, die in Lubny geboren ist und sich seit Beginn für die Städtefreundschaft engagiert. Neben Olha Yavtseva ermöglichte sie zudem als Dolmetscherin den Austausch zwischen den Vertreterinnen und Vertretern beider Städte.
Im Mittelpunkt des zweistündigen Gesprächs standen die aktuelle Lage in Lubny, das zwischen der Hauptstadt Kyjiw und der Grenzstadt Charkiw liegt, sowie die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs. Zu Beginn begrüßte Bürgermeister Rendel die Gäste und erkundigte sich nach der Situation der Menschen in Lubny.
Sein ukrainischer Amtskollege Hryzajenko berichtete über die Belastungen für die Bevölkerung: Viele Menschen hätten die Stadt verlassen, gleichzeitig seien unter anderem rund 1.600 geflüchtete Kinder aufgenommen worden. Arbeitskräfte fehlten, ehrenamtliche Gruppen organisierten Hilfstransporte an die Front. „Nach vier Jahren Krieg lastet ein moralischer Druck auf denjenigen, die seit Anfang an dabei waren. Wir brauchen neue Kräfte“, sagte Hryzajenko.
Trotz der schwierigen Lage versuche die Stadt, Normalität zu bewahren. „Es hört sich komisch an, aber man hat sich an den Krieg gewöhnt. Das Leben geht weiter“, so der Bürgermeister. Kulturveranstaltungen fänden statt, Unternehmen arbeiteten weiter.
Dennoch lasse sich der Krieg nicht einfach wegreden. „Gerade in der Nacht vor unserer Abreise gab es zwei bis drei Luftangriffe.“ Die Situation sei deshalb vor allem auch für die Feuerwehr und die Rettungsdienste sehr angespannt. „Aber wir denken nicht daran, dass alles vorbei ist. Alle sind fest davon überzeugt, dass wir das durchstehen“, verdeutlichte er zugleich die Zuversicht der Bevölkerung.
Raunheim hatte bereits kurz nach Kriegsbeginn Hilfsgüter und später in einer interkommunalen Aktion ein Löschfahrzeug sowie Feuerwehrausrüstung nach Lubny geschickt. Nun soll die Unterstützung fortgesetzt werden. Geplant sind eine neue Spendenaktion, ein weiterer Hilfstransport sowie nach Möglichkeit die Überstellung eines zusätzlichen Feuerwehrfahrzeugs. Bürgermeister Rendel kündigte an, bei der nächsten Bürgermeisterdienstversammlung mit den anderen Kommunen über zusätzliche Hilfen zu sprechen.
Ein Besuch ukrainischer Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen ist ebenfalls angedacht. Auch die Einladung zu einem Gegenbesuch wurde ausgesprochen.
Hryzajenko dankte für die bisherige Unterstützung und hob den großen Beitrag des Städtenetzwerks hervor. „Wir schätzen das sehr, auch das Verhältnis zwischen Raunheim und Lubny“, sagte er. Bürgermeister Rendel zeigte sich beeindruckt von „Geist, Kraft und Willen, nicht aufzugeben und ein positives Ende herbeiführen zu wollen“. Er betonte, wie wichtig es gewesen sei, aus erster Hand zu erfahren, wie sich die Menschen für den Frieden engagieren.
Den Abschluss des Rathausbesuchs bildete der Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Raunheim. „Liebe deutsche Freunde, wir sind herzlich froh über dieses Treffen“, schrieb Hryzajenko. Er glaube an ihre Freundschaft, an die zukünftige Zusammenarbeit, die beiden Städten zugutekomme und dem Frieden auf der ganzen Welt diene. Rendel ergänzte: „Unsere Freundschaft ist getragen von bedingungslosem Vertrauen zueinander.“ Raunheim stehe fest an der Seite Lubnys und man blicke gemeinsam fest entschlossen in eine strahlende Zukunft, verbunden in Frieden.
Auch Olena Zsokh-Karunska, Loubna Ouariach und Svitlana Rizzo verewigten sich im Buch.
Am Folgetag setzte die Delegation ihr Programm fort. Besucht wurden die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Raunheim, der Städteservice Raunheim-Rüsselsheim sowie das Deutsche Rote Kreuz. Eine weitere Station war das Heimatmuseum in Raunheim, in dem die Gäste die Gelegenheit zu einem intensiven Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadtverwaltung sowie des Vereins „Freunde Europas“ nutzten. Beim gemeinsamen Mittagsimbiss mit Fingerfood entstanden zahlreiche Gespräche, in denen sowohl die aktuelle Situation in der Ukraine als auch gesellschaftliche Themen und die Entwicklung der Städte im Mittelpunkt standen.
Die Fortschritte im Bereich der sozialen Infrastruktur – insbesondere beim Ausbau von Schulen und Kindertagesstätten – seien deutlich sichtbar. Auch die Verbindung von wirtschaftlicher Entwicklung und gesellschaftlichem Zusammenhalt hob er als vorbildlich hervor. Gerade dieser Zusammenhalt, so Hryzajenko, sei auch über nationale Grenzen hinweg von großer Bedeutung.
Beim Rundgang durch das Heimatmuseum sorgten mehrere Exponate für Gesprächsstoff. Die Gäste aus Lubny entdeckten dabei Parallelen zu archäologischen Funden aus ihrer Heimat. Zwar gibt es dort keinen Mammutzahn wie im Raunheimer Museum, jedoch ähnliche historische Fundstücke, die von einer langen Siedlungsgeschichte zeugen.
Zum Abschluss des Besuchs trafen sich die Vertreterinnen und Vertreter aus Lubny sowie Rüsselsheim am Main, Kelsterbach und Raunheim zum Abendessen. Bei regionalen Spezialitäten wurde die Städtefreundschaft mit neuem Leben gefüllt. Höhepunkt des Abends war die Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung durch Bürgermeister Oleksandr Hryzajenko (Lubny), Oberbürgermeister Patrick Burghardt (Rüsselsheim am Main), Bürgermeister Manfred Ockel (Kelsterbach) und Bürgermeister David Rendel (Raunheim).
Mit der Erklärung bekräftigen die vier Städte ihre Verbundenheit und den gemeinsamen Willen, den Austausch künftig weiter zu vertiefen – insbesondere in den Bereichen Bildung, Jugend, Kultur, Feuerwehr, Stadtentwicklung und digitale Verwaltung. Ziel ist es, voneinander zu lernen, Kontakte zwischen Verwaltungen, Schulen und Vereinen zu stärken sowie gemeinsame Projekte zu initiieren.
Die Partnerschaft zwischen Raunheim und Lubny erhält damit eine neue Dimension, die von Solidarität, Freundschaft, dem Willen zur Verständigung und Zusammenarbeit getragen ist.