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Raunheim aktuell
Ausgabe 25/2024
Amtlicher Teil
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Eine Verbeugung vor dem hessischen Dialekt, eine Ode an die hessische Mundart

Walter Renneisen begeisterte Ende November mit einem literarischen Kabarett des allerfeinsten Humors und der Auseinandersetzung mit der hessischen Kultur

Im Gemeindezentrum Sankt Bonifatius wurde die Bibel mal zur Seite gelegt. Stattdessen unternahm am 23. November der Schauspieler und Musiker Walter Renneisen eine überaus unterhaltsame Reise durch ein Sammelsurium an Sprachschnipseln, Anekdoten und Gedichten des hessischen Dialektes.

Rund 200 Zuhörerinnen und Zuhörer erlebten an dem gemeinsamen kulturellen Abend der Stadt Raunheim und der Antonius-von-Padua-Gemeinde mit dem Programm „Deutschland, Deine Hessen“ ein literarisches Kabarett des allerfeinsten Humors, eine Auseinandersetzung mit dem Hessen als Menschen und seiner Kultur. Feuchte Augen und Lachsalven begleiteten die dreistündige Ein-Mann-Show.

Heimat Raunheim

„Ich bin sehr glücklich, wieder mal in Raunheim auf der Bühne zu stehen“, bekundete Renneisen seine Freude über den Auftritt in seiner Heimatstadt. Seine letzte Gastvorstellung hier war nach eigenem Bekunden im letzten Jahrtausend gewesen. So ganz ernst gemeint war das aber wohl nicht, denn das eine oder andere Mal hatte der 84-Jährige durchaus auch nach der Jahrtausendwende in Raunheim gespielt.

Renneisen kam nicht umhin, einige seiner zarten Erinnerungen an Raunheim zu schildern, an die Mainwiese, an die Frankfurter Straße, als sie noch nicht nach rechts abbog. „Dann kam diese wunderbare Tat eines Hochhauses, dieser Charakter dieses Dorfes wurde natürlich völlig zerstört“. Es folgten einige herzliche Anekdoten aus seiner Kindheit, wie das Spielen mit einem Spirituskocher in einer Scheune voll mit Stroh – „also gut, wir haben es überlebt“.

Der Hesse babbelt wie Gott

Renneisen stieg dann übergangslos in sein Programm ein. „So jetzt geht es um Deutschland, Deine Hessen, um diesen göttlichen Dialekt“. Gott habe die Welt in sieben Tagen geschaffen. „Was viele nicht wissen, am achten Tage waren die Dialekte dran“, besagt seine private Forschung. Alle hatten einen Dialekt, nur die Hessen nicht, die sehr traurig waren. Gott hatte Mitleid mit ihnen und sprach, „also, reescht euch net uff, babbelt wie isch“.

Weiter ging’s im katholischen Gemeindezentrum mit religiösen Themen. Frage im Konfirmandenunterricht: Woher hat der liebe Gott gewusst, dass Adam und Eva von dem verbotenen Apfel gegessen haben? „Sagt der Schüler, er hat de Grotzen gefunden“.

Ein Beispiel für die Philosophie der Hessen: „Gucke se sisch des Kleidungsstück an und dann gucke se sisch die Welt an“, antwortet ein Schneider auf die Frage, warum er sieben Jahre für eine Hose braucht, während Gott die Welt in sieben Tagen geschaffen hat.

Renneisen sprach über den Einfluss der Landschaft auf den Dialekt, der Entstehung des hessischen Zischlautes, die Liebe zu feuchten Lauten. Er hatte eine wissenschaftliche Erklärung parat: „Beim hessischen Zischlaut werden der ch-Laut und der auslautende g-Laut in einen sch-Laut verwandelt. König wird zum Keenisch“.

Liebe für das sprachliche Detail

Dialekt ist für Renneisen die Sprache der Heimat, das Mittel der Ansprache im vertrauten Bereich. So wird im Tatort der Mörder zum „Meerder“. Da lache die Einschaltquote, witzelte er.

Das rollende „r“, die reine Lautsprache „och och och och och“, oder „ei, ei, ei, ei, ei“, sind weitere Eigenarten des hessischen Dialektes. Renneisen zeigte seine Liebe für das sprachliche Detail, trug gestenreich vor, ließ seine Mimik sprechen, präsentierte eine entzückende und mitreißende Vorstellung.

Das Wort der Hessensprache überhaupt ist für Renneisen das „babbele“. Und er mag den trockenen Humor der Hessen: „Unsern Jüngste is Linkshänder. Mein Mann aach, auf alle zwaa Seide“. Oder: „Isch hab dem Kellner schon das ganze Jahr kein Trinkgeld gegebbe, heut kriegt er gar keins“. Und er sprach über die hessische Philosophie: „Jetzt trink ich schon de dritte Schoppe und hab immer noch kein Dorscht“.

Für Renneisen ist „Dialekt das sprachliche Werkzeug, das zum engsten Erfahrungsraum der Menschen gehört“. Goethe drücke dies so aus: „Jede Provinz liebt ihren Dialekt, denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft“. „Is doll, ne“, kommentierte Renneisen.