Christiane Schmitt (links) informierte die rund 50-köpfige Zuhörerschaft im Bürgersaal darüber, wie Kinder im Autismus-Spektrum ihre Umwelt wahrnehmen.
Viel Resonanz erfuhr der Vortrag im Familienzentrum für Eltern und pädagogisches Personal aus den Raunheimer Kindertagesstätten.
Unter Autismus versteht man einen neurologischen Unterschied zu sogenannten neurotypischen Menschen. Weil diese Abweichungen vielschichtig sind, wird auch von Autismus-Spektrum gesprochen. Gesicherte Zahlen über Betroffene in Deutschland liegen der Wissenschaft nicht vor. Es ist davon auszugehen, dass mindestens ein Prozent der Bevölkerung im Autismus-Spektrum ist.
„Jede Kindertagesstätte betreut mindestens ein Kind oder häufig sogar mehrere Kinder im Autismus-Spektrum“, sagte Andrea Lauriolle-Müller von der aufsuchenden Elternarbeit des Familienzentrums. Deshalb wollte sie Erzieherinnen und Erziehern der Kitas eine Informationsveranstaltung über Autismus anbieten. „Die Kolleginnen und Kollegen haben tagtäglich mit den Kindern zu tun. Wir tragen damit zum Verständnis für die Kinder bei und geben den Mitarbeitenden Handlungsstrategien mit auf den Weg“, erläuterte sie. Das Interesse war enorm groß. Rund 50 Erzieherinnen und Erzieher kamen Mitte März in den Bürgersaal.
Dort erwartete sie Christiane Schmitt mit dem Vortrag „Kinder im Autismus-Spektrum und ihre Wahrnehmung“. Die Ergotherapeutin und Inklusionspädagogin berät für die Lebenshilfe Wiesbaden hauptsächlich Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeitende der Kitas. Kinder mit der Diagnose Autismus unterscheiden sich in Kommunikation, Sozialverhalten sowie Interessen und Beschäftigung von Gleichaltrigen ohne Autismus. Schmitts umfangreiche, sehr informative Präsentation beschäftigte sich mit der Definition des Autismus-Spektrums, den Besonderheiten in der Wahrnehmung und mit dem Förderkonzept TEACCH. „Mir ist es wichtig, dass Sie einen guten Eindruck gewinnen und ein Verständnis für Autismus erhalten“, unterstrich Schmitt.
Zu diesem Vortrag konnten sich auch Eltern anmelden, die ein Kind im Autismus-Spektrum haben, um von den Informationen für ihren Familienalltag ebenfalls zu profitieren. Dort erfuhren sie, dass ihre Kinder Informationen bevorzugt über die Nahsinne (fühlen, riechen, schmecken) aufnehmen. „Gehörtes wird oft schlechter verarbeitet als Gesehenes“, informierte Christiane Schmitt. Dies habe zur Folge, dass Kinder im Autismus-Spektrum teils nicht auf ihren Namen oder Zurufe reagieren.
„Ein Kind mit Autismus richtet seine Aufmerksamkeit mehr auf Objekte/Spielzeuge statt auf die Person, die es ihm geben möchte“, erklärte Schmitt. Auch die Bedeutung sozialer Reize wie zum Beispiel Begrüßung oder Verabschiedung werden nicht verstanden. „Informationen aus verschiedenen Sinneskanälen werden nicht miteinander verknüpft.“ So hört das Kind ein Geräusch, kann es jedoch nicht mit dem Bild verbinden, das es sieht. Oft geht mit dem Autismus-Spektrum ein gutes Zahlengedächtnis einher, manche Kinder mit Autismus haben auch ein gutes musikalisches Gedächtnis.
Aus den Fragen des interessierten Publikums entwickelten sich angeregte Gespräche. Die Erzieherinnen und Erzieher berichteten von Alltagssituationen und Erfahrungen, erhielten Tipps und Anregungen für auf autistische Kinder abgestimmtes Handeln und eine entsprechende Kommunikation. So endete nach rund zwei Stunden ein sehr aufschlussreicher Nachmittag.