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Birkenfelder Anzeiger
Ausgabe 21/2023
VG Aktuell
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Vier Hände kamen sich nicht in die Quere - Weltklassik am Klavier in Birkenfeld

Stadtbürgermeister Miroslaw Kowalksi dankt Hartwig Mades für seinen jahrelangen engagierten Einsatz für Weltklassik am Klavier in Birkenfeld.

Das japanisch-deutsche Klavierduo “Four Te„ überzeugte im Schloss Birkenfeld durch seine unglaublich hochentwickelte Klangkultur.

Am vergangenen Sonntagnachmittag begrüßte Moderator Robert-George Kroese das musikliebende Publikum im Namen der Stadt Birkenfeld zu einem auserlesenen Programm in der Reihe Weltklassik am Klavier. Alle Ausführenden dieser Reihe spielen immer auf höchstem Niveau.

Das Klavierduo “Four Te„ (“Four” = Englisch: vier - “Te” Japanisch: Hand) wurde 2014 in Weimar ins Leben gerufen. Die beiden Pianisten Eva-Maria Weinreich und Tomohito Nakaishi setzten sich zum Ziel, die asiatische und europäische Klangästhetik zu verknüpfen mit der erfrischenden Phantasie der Welt des Klavierduospiels.

Eva-Maria Weinreich wurde in München geboren. Nach zwei Jahren als Stipendiatin in Birmingham/England wechselte sie an die Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Dort lernte sie Tomohito Nakaishi kennen, der im japanischen Kumamoto auf der Insel Kyushu zur Welt kam und aufwuchs. Beide studierten neben dem Fach Klavier auch künstlerische Liedgestaltung.

Nach diversen Weiterbildungen und Stipendiaten bei renommierten Meisterkursen konzertieren sie weltweit mit ausdrucksstarken Programmen.

Die jungen Leute stellten ihre Werke selber vor.

Franz Schuberts Lebensstürme D947 ist der monumentalste bekannte Sonatensatz für vierhändiges Klavier. Ein stürmisch beginnendes, fast grimmiges Allegro, das den später vom Verleger kreierten reißerischen Titel “Lebensstürme„ zu rechtfertigen scheint.

Der Anschlag war dem Werk entsprechend kräftig und doch glasklar. Ein großer Applaus folgte.

Eine Zuhörerin seufzte: „Wie kann es noch schöner werden?“

Eva-Maria kündigte das nächste Werk an, die acht Mozartvariationen für vier Hände von Max Reger. Ursprünglich ein Werk für Bläser, Streicher, Schlagzeug und Harfe. Es wurde im Jahr 1914 von Max Reger für Klavier transkribiert. Es war sein letztes Werk, zu dem noch eine Fuge gehört. Durch seine Länge wäre es aber ein ganzer Reger Abend geworden. Ein Werk mit einer massiven Klangfülle.

Wieder ein großer Applaus.

Weiter folgten die Ungarischen Tänze 1, 2 und 3 aus Band 1 von Johannes Brahms. Die Ungarischen Tänze entstanden in den Jahren 1858 – 69 in der ursprünglichen vierhändigen Klavierfassung. Es sind keine Bearbeitungen von Volksliedern der Roma, wie vielfach angenommen wird, sondern sie basieren auf Themen vom Geiger Eduard Reményi.

Die Interpretation zeichnete sich durch eine enorme Klangfülle gepaart mit Transparenz aus.

Die Stadt Birkenfeld offerierte einen Aperitif in der Pause, die zu regen Gesprächen genutzt wurde.

Es folgte die Symphonische Dichtung Nr. 4, Orpheus von Franz Liszt. Komponiert als Hochzeitsmusik für sich und seine Gefährtin Fürstin Caroline zu Sayn-Wittgenstein. Die Hochzeit kam aber nie zustande. Zuerst kämpften sie um eine Scheidung der adligen Frau, dann um die Erlaubnis der katholischen Kirche, sich wieder verheiraten zu dürfen – eine unendliche Geschichte, die das Paar schließlich nicht überstand. An der Musik aber hielt Franz Liszt fest. Ein typisch Lisztsches Werk wie geschrieben für unsere Pianisten. Nicht nur die Hände der Pianisten waren ununterbrochen in Bewegung, sondern auch ihre Körper durch schnelle Platzwechsel.

Als letztes Werk stand „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns auf dem Programm. „Tiere sind vielleicht die besseren Menschen“ hat er vielleicht gedacht und komponierte dieses fröhliche Werk, das nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern sehr beliebt ist. Es ist ein Werk für ein 9-köpfiges Instrumentalensemble, das die Eigenschaften verschiedener Tiere charakterisiert und von dem Duo arrangiert wurde.

Die 14 Teile sind humorvoll tierisch überschrieben. “Introduktion und königlicher Marsch des Löwen„ war entsprechend imposant und löste einen ersten Applaus aus. Nach den gackernden “Hühnern„ folgten die “Halbesel„ in rasantem Tempo, gefolgt von einem stürmischen Applaus des Publikums. Der “Elefant„ kam massig schwer, die “Kängurus„ hüpfig und das “Aquarium„ blubberte hörbar. Der “Kuckuck„ und das “Vogelhaus„ brachten einen Moment der Entspannung. Dann aber kam es mit voller Wucht: Die “Pianisten„. Vorsichtige Tonleiter-Übungen, immer größeres Tempo, massive Jazzklänge voller Körpereinsatz. Wieder donnernder Applaus. Für den “Schwan„ wurde mal wieder Platz gewechselt. Ein friedliches Tier. Das anschließende “Finale„ übertraf alles mit donnernden Akkorden und höchstem Tempo. Handübergreifende 4-Handtechnik ohne sich in die Quere zu kommen. Viermal 4-Hand Glissandi über alle 84 Tasten vom tiefsten Basskant bis zur höchsten Diskant.

Stehende, nicht endend wollende Ovation für diese psychisch und physisch höchst anspruchsvolle Transkription folgte dieser unglaublichen Leistung.

Die Pianisten ließen sich nicht lange um eine Zugabe bitten und brachten eine Eigenkomposition, ein Trommelfeuer asiatischer Klänge. Tomohito musste die vordere obere Abdeckung des Flügels entfernen, damit er vollen Zugriff auf die Bassseiten hatte. Das Foto zeigt, wie er dabei vorging. Er erklärte, dass es sich hier um die Anlehnung an die große japanische Trommeltechnik handelt.

Zum Schluss richtete Stadtbürgermeister Miroslaw Kowalski ein emotionales Dankeswort an Hartwig Mades, der die Weltklassik-Konzerte 2009 nach Birkenfeld gebracht hat und von 2010 bis 2022 moderierte. Er übereichte ihm eine Dankesurkunde und eine Silbergedenkmünze der Stadt Birkenfeld.

Das nächste Konzert mit dem Pianisten Nikita Volov findet am 22.10.2023 um 17.00 Uhr im Schloss Birkenfeld statt zur Feier des „150. Geburtstag von Sergei Rachmaninow - im Kreise seiner Freunde“.

Eintrittspreis: 30,00 €, Studierende und Ehrenamtskarteninhaber: 15,00 €, Jugendliche und Kinder bis 18 Jahren: Eintritt frei!

Reservierungen: per E-Mail an info@weltklassik.de, telefonisch unter 0151 125 855 27 oder online unter www.weltklassik.de

Autor: Robert-George Kroese