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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 1/2024
2 - Hermeskeiler Stadtnotizen
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Ausnahmezustand in Hermeskeil vor Heiligabend

Um die 400 Traktoren aus der gesamten Region kamen am Abend des 23. Dezember in der Innenstadt zusammen. An den Fahrzeugen befestigte Schilder drückten größtenteils den Unmut der Landwirte über die „Ampel“-Regierung in Berlin aus.

Friedliche Großveranstaltung unter dem Weihnachtsbaum: So viele Menschen hat der Hermeskeiler Rathausplatz vermutlich noch nie gesehen.

Rund 400 landwirtschaftliche Fahrzeuge legten den Verkehr lahm

Überwältigt“ zeigte sich der Bescheider Landwirt Christian Grommes am Samstag vor Heiligabend, nachdem rund 400 Traktoren und LKW nach einer Sternfahrt aus Richtung Trier, Nonnweiler, Thalfang und Züsch in der Hermeskeiler Innenstadt angekommen waren und sich mehr als 800 Menschen auf dem Rathausplatz versammelt hatten. Sie waren dem Aufruf zu einer Protestaktion von Landwirten aus der gesamten Region gefolgt, in deren Nachgang eine Kundgebung am Rathaus stattfand.

Anlass für die sehr kurzfristig angekündigte Aktion, die nicht die erste in Deutschland war und mit Sicherheit nicht die letzte bleiben wird - „Heute Warm-Up nur“ war auf einem Schild zu lesen, das an einem Traktor befestigt war – waren die Sparbeschlüsse der „Ampel“ in Berlin, die unter anderem den Wegfall der Subvention für Agrardiesel und die Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuerfreiheit für landwirtschaftliche Fahrzeuge umfassen. Grommes sprach von einem „Flächenbrand“, der sich nach Weihnachten im ganzen Land ausbreiten werde. Und so waren auch zahlreiche Plakate an den Schleppern zu lesen, die lauteten „Stoppt die Ampel“ oder „Die Ampel muss weg!“

Stadtbürgermeisterin Lena Weber, die nach Gesprächen in den Tagen zuvor die Gruppe um Grommes eingeladen hatte, ihr Anliegen am Rathaus öffentlich zu formulieren, war „nachhaltig beeindruckt“, dass so viele Menschen in kurzer Zeit zusammengekommen waren. Sie bedankte sich bei den Ordnungsbehörden, insbesondere bei der Polizei, die es durch Umleitungen unter Anderem möglich gemacht hatte, dass Autofahrer eine parallel stattfindende Musicalveranstaltung in der Hochwaldhalle trotz der vollständigen Blockade des Verkehrs in der Innenstadt erreichen konnten. Sie forderte in ihrer Ansprache einen Paradigmenwechsel in der Agrarpolitik und richtete einen Dank an Verena Hubertz, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, die „sich nicht weggeduckt“ hatte und anwesend war, „obwohl sie an diesem Abend eigentlich nur verlieren konnte“, wie Weber sagte.

Walter Clüsserath, Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbands, war ebenfalls beeindruckt von dem Signal, das an diesem Abend von Hermeskeil ausging. Aus seiner Ansprache ging hervor, dass die Streichung von Subventionen eigentlich nur der Tropfen ist, der bei vielen Landwirten das Fass zum Überlaufen gebracht hat. In seiner Ansprache zählte er Verfehlungen der Agrarpolitik der vergangenen Jahre auf, die er allerdings nicht nur der „Ampel“, sondern auch den Vorgängerregierungen vorwarf. Bürokratismus und Verordnungen bis ins kleinste Detail hinein, teils mit normalem Verstand überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, waren nur einige Beispiele. Für eines davon hatte er einen knackigen Spruch: „Wolfsmanagement – wenn ich das nur höre, kriege ich die Krätze“ und erntete dafür lauten und lang anhaltenden Beifall aus der Menge. Clüsserath forderte Respekt für die Landwirtschaft und machte – an die Adresse der Bundestagsabgeordneten gerichtet – Sparvorschläge für die Bundesregierung wie z.B. den Abbau von 200 Abgeordnetenmandaten im Bundestag (50 Mio.) oder den Verzicht auf geplante neue Behörden mit 10.000 Stellen. „Das wäre eine Milliarde Gehalt“, erklärte er. Weiter kritisierte Clüsserath, dass jährlich Milliarden an Entwicklungshilfe unter Anderem an Staaten gezahlt werden, die Raketen zum Mond schießen. „Kürzen Sie hier 100 Millionen, dann haben wir unser Geld wieder drin“, forderte er Verena Hubertz unter großem Beifall der Zuhörer auf. Besonders hob er auch die Grenzsituation zu Luxemburg und Frankreich hervor. Während der deutsche Landwirt für den Diesel 1,70 Euro bezahle, wovon er über die Subvention 20 Cent zurückbekomme, tanke der Kollege in Luxemburg oder Frankreich für 1 Euro. Das sei eine „Wettbewerbsverzerrung ohne Gleichen“.

MdB Hubertz konnte im Anschluss vor einem ausgesprochen fairen Publikum ungehindert sprechen, was bei Veranstaltungen dieser Art oft nicht selbstverständlich ist. Sie erklärte, auch sie, die seit zwei Jahren dem Bundestag angehöre, sei immer wieder noch überrascht, dass von Regierungsseite manches „hauruck entschieden“ werde. „Politik muss zwei Dinge gewährleisten: Planbarkeit und Verlässlichkeit. Und beides kriegen wir gerade nicht so gut hin“, sagte sie. Deshalb werde sie die Botschaft aus Hermeskeil mit nach Berlin nehmen und sich dafür stark machen, „dass die Themen Agrardiesel und Kfz-Steuer noch einmal auf den Tisch kommen und wir eine bessere Lösung finden“, die landwirtschaftliche Betriebe nicht gefährde.

Von einer „beeindruckenden Kulisse“ von Bürgern „weit über die Grenzen der Verbandsgemeinde Hermeskeil hinaus“ sprach Bürgermeister Hartmut Heck, der wie schon die Stadtbürgermeisterin einen Dank an die Organisatoren und Ordnungskräfte richtete. Er appellierte an Verena Hubertz, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Denn die Botschaft müsse nach Berlin transportiert werden. „Es nützt nichts, wenn wir hier auf der Straße stehen und in Berlin weiß man nichts von den Verhältnissen vor Ort“, schloss er.

Im Anschluss an die Kundgebung löste sich die Demonstration der Schlepper und Traktoren, die auf sämtlichen Parkplätzen in der Innenstadt einschließlich Donatusplatz und Neuem Markt abgestellt worden waren, ebenso geordnet wie sie gekommen war wieder auf. (WIL-)