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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 11/2023
Aus der Heimatgeschichte
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Eine Fundgrube (nicht nur) für Heimatforscher

So ähnlich wäre die preußische Grenze im Hochwaldraum verlaufen, wenn die „Übereinkunft“ vom 28. Mai 1815 nicht ein gutes Jahr später noch zugunsten Preußens geändert worden wäre.

Historische Hochwald-Nachrichten aus überregionalen Zeitungen - Erste Erwähnung des Ortsnamens Hermeskeil in der Presse

von Bernd Willems

Die „Deutsche Digitale Bibliothek“ im Internet ist ein Angebot der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie ermöglicht allen Nutzern den Zugang zum digitalisierten kulturellen und wissenschaftlichen Erbe Deutschlands: Bücher, Musik, Kunstwerke, Filme, Fotografien, Akten, Manuskripte und vieles mehr. Zu dem „Mehr“ gehört unter Anderem das „Deutsche Zeitungsportal“1, wo historische Zeitungen aus den Jahren 1671 bis 1952 als PDF-Digitalisate für die Öffentlichkeit frei zugänglich sind. Ältestes Exemplar ist eine Ausgabe des italienischsprachigen „Il corriere ordinario“, am 26. Dezember 1671 in Wien erschienen.

In dem Portal lässt sich bequem nach Stichworten wie z.B. Ortsnamen oder Personennamen suchen. Die Suche nach „Hermeskeil“ ergibt derzeit 1.566 Treffer. Sortiert man das Ergebnis nach Erscheinungstag (älteste Fundstelle zuerst), startet die Liste mit drei Ausgaben der „Erzherzoglich Badischen Staats-Zeitung“ aus den Jahren 1815 und 1816, in denen unsere heutige Stadt erstmals namentlich in der Presse erwähnt wurde. Die Suche mit dem Begriff „Hochwald“ ergibt zwar eine ganze Menge mehr, nämlich 26.671 Treffer; doch sie macht keinen Sinn, weil das Ergebnis naturgemäß nicht auf die „Region“ Hochwald beschränkt ist.

1815: Hermeskeil erstmals in der Presse

Um was geht es nun in der „Erzherzoglich Badischen Staats-Zeitung“, dass dort, für damalige Verhältnisse ganz weit weg vom Hochwald, Hermeskeil erwähnt wird? Das Jahr 1815 war von großer historischer Bedeutung für Europa, denn in diesem Jahr hatte, neun Tage bevor die „Grande Nation“ unter Napoleon in der Schlacht von Waterloo2 endgültig besiegt worden war, der Wiener Kongress geendet3, bei dem die Siegermächte die Landkarte Europas neu sortiert hatten. Eines der folgenreichsten Ergebnisse dieser Neueinteilung war die Tatsache, dass dem Königreich Preußen, das einen Teil seiner Besitzungen im heutigen Polen abgab, große Gebiete auf dem linken Rheinufer zugesprochen wurden.4

Der erste Bericht5, noch während der in Wien laufenden Verhandlungen erschienen, beginnt mit den Worten: „Nach eingegangenen sehr glaubwürdigen Nachrichten ist nunmehr zwischen den auf dem Kongreß anwesenden Gesandtschaften der größern Mächte im vollkommnen Einverständnisse eine Uebereinkunft über die künftigen Besitzungen der preuß. Monarchie geschlossen worden.“

Erst sollte nur Hermeskeil preußisch werden...

Anschließend wird, ohne jedoch ins Detail zu gehen, der vorgesehene Grenzverlauf im Westen geschildert: „Die Kantone Eupen, Malmedy und St. Vith werden preußisch, und bilden auf dieser Seite die Gränze. Im vormaligen Wälderdepartement bezeichnen die Oure, Sure und Mosel, dann die Saar, bis Conz einschließlich, die Gränze... Von der Saar oberhalb Conz geht der Gränzzug quer über den Hundsrück bis an die Glan, Lauterecken gegenüber, so daß Hermeskeil in die preußische Linie fällt, und Birkenfeld ausserhalb derselben bleibt; sodann folgt er dem Laufe der Glan und Nahe, Meisenheim und Kreuznach vorbei, und endigt bei Bingen am Rhein...“ Dieser Landstrich, so der Berichterstatter, „bildet ein wohlgeordnetes Ganzes mit den gegenüber liegenden Besitzungen Preussens auf dem rechten Rheinufer“.

War dies zunächst nur eine grobe Grenzziehung, wird vier Monate später eine „Übereinkunft“ veröffentlicht, die der KuK österreichische Hofrat Wilhelm von Droßdik, der baierische Kreisrat Karl Freiherr von Stengel und der Königlich Preußische Generalgouvernementskommissär Freiherr von Schmitz-Grollenburg am 28. Mai 1815 in Kreuznach unterzeichnet hatten. Darin ist nun der Grenzverlauf im Hochwald sehr detailliert, nämlich auf Ortsebene, dargestellt6:

„... von da aber um den Bann von Abentheuer und Brücken (welche beide Orte unter der bisherigen Verwaltung verbleiben), auf den Punkt, wo die Gemarkung von Achtelsbach nahe bei dem zu dieser Gemeinde gehörigen Neuhof an die Gemeinde von Züsch stößt, an die Gränze des Kantons Hermeskeil, dann durch die Kantone Hermeskeil und Conz bis Comlingen so gezogen werden, daß die Zunderhütte, Neuhütte, Eisenhütte und Züsch, Bann Hermeskeil, Reinfeld, Damfloß im Kanton Hermeskeil, so wie Franzenheim und Comlingen im Kanton Conz auf die preuß. Seite fallen, dagegen aber alle von dieser Linie südlich gelegenen Ortschaften, nämlich Ober - und Niedersötern, Boosen, Schwarzenbach, Braunhausen, Guserschmelze, Otzenhausen, Nonnweiler, Bierfeld, St. Hubertsschmelze, Gusenburg, Sauschied, Grünburger Hof, Kell, Waldweiler, Schwarzwälder Hof, Mandern, Schillingen und Hedert im Kanton Hermeskeil, ferner Holzrath, Schöndorf, Pluwig, Olmuth, Lampaden, Hinzenburg, Bonnerath, Obremmel, Crettenach, Wildingen und Hamm im Kanton Conz noch unter der bisherigen Verwaltung bleiben.“7

Hierdurch wäre also eine Staatsgrenze mitten durch den Hochwald gezogen worden, wobei alle Gemeinden südlich und westlich von Hermeskeil, namentlich Gusenburg, Sauscheid8, Kell und das gesamte (heutige) nördliche Saarland nicht preußisch geworden wären. Ausdrücklich wird in dieser Übereinkunft aber darauf hingewiesen, dass es eine „für die Kantone Hermeskeil und Conz nur provisorische Gränzbestimmung“ sein soll, die noch einer höheren Entscheidung unterliegt.

...dann aber doch „der ganze Rest“

Vermutlich liegt es daran, dass man in Preußen mit dieser Lösung nicht zufrieden ist und weiter zu verhandeln gedenkt. Denn die endgültige Grenzziehung folgt ein Jahr später und bringt Preußen noch wesentlich weiter nach Westen. Am 1. Juli 1816 unterzeichnen v. Droßdik (Wien) und v. Schmitz-Grollenburg (Preußen) in Worms die „Abtretungs- und Übernahmepatente“9. Nun werden auch - über die vorherige Übereinkunft hinausgehend - „die Reste der Kantone Conz (...), Hermeskeil und Birkenfeld...“ von der Abtretung an Preußen erfasst.

Die „biedern Bewohner“...

In dem (österreichischen) Abtretungspatent ist ausgeführt: „... sämtliche zur Verwaltung besagter Länder gehörige, sowohl geistliche als weltliche Staatsdiener, desgleichen sämtliche Unterthanen dieser Bezirke [werden] ihrer bisherigen Dienst- und Unterthanenpflichten hiermit feierlich entlassen. Unvergeßlich bleibt Sr. k. k. apostol. Maj.10 die von den biedern Bewohnern der nunmehr abgetretenen Länder Ihnen und Ihrem Hause bewiesenen Treue und Anhänglichkeit.“

Durch das (preußische) Übernahmepatent wird die Inbesitznahme der benannten Kantone vollzogen. Darüber hinaus enthält es schon erste Anordnungen in verwaltungsmäßiger Hinsicht, die einen reibungslosen Übergang gewährleisten sollen. Punkt 7 lautet schließlich: „Ueber den Tag der Huldigung und die nähern diesfallsigen Einrichtungen werden demnächst besondere Verfügungen ergehen, wenn das Geschäft der Gränzfeststellung beendigt, und die Gränzpfähle aufgerichtet seyn werden.“

... sind doch nur ein „Spielball der Mächte“

Dass unsere Vorfahren11 zu dieser Zeit nur ein Spielball der Mächte sind, zeigt sich daran, dass sie sich innerhalb von 20 Jahren mit fünf verschiedenen Herrschaften abfinden müssen: 1. Bis 1798 sind die meisten von ihnen Untertanen des Trierer Kurfürsten, dessen Erzbistum zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehört12. 2. Nach der französischen Eroberung des linken Rheinufers im Jahr 1794 werden sie 1798 offiziell „freie“ Franzosen in der Französischen Republik, müssen dafür aber eine neue Sprache lernen und sich mit einem neuen, sperrigen Kalender herumschlagen13. 3. Nachdem sich Napoleon am 2. Dezember 1804 selbst zum Kaiser gekrönt hat, ist es mit der Republik wieder vorbei. 4. Nach der Vertreibung der Franzosen haben seit Mitte 1814 Österreich und Bayern das Sagen und nun werden sie 1816 Untertanen des preußischen Königs14.

Gefragt, ob ihnen das recht ist, hat man sie mit Sicherheit kein einziges Mal...

Anmerkung: Bereits in unserer Serie über die Verhältnisse im Hochwald im Jahr 1923 haben wir auf Berichte aus verschiedenen überregionalen Zeitungen zurückgegriffen. In unserer Rubrik „Aus der Heimatgeschichte“ werden Sie in den kommenden Wochen und Monaten in zwangloser Folge noch mehr Nachrichten aus alten Zeiten lesen, die sich mit den verschiedensten Themen wie Unglücksfällen, Kriminalfällen, Schicksalen, Wetterereignissen, Kuriositäten und vielem mehr aus unserer Region befassten.


1 www.deutsche-digitale-bibliothek.de/newspaper

2 18. Juni 1815

3 Der Wiener Kongress dauerte vom 18. September 1814 bis 9. Juni 1815.

4 Zurückblickend auf die spätere Entwicklung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Frankreich, das von einer „Erbfeindschaft“ und drei großen Kriegen geprägt war, wäre es für Europa und die Welt wahrscheinlich besser gewesen, man hätte damals dem preußischen Expansionsdrang nach Westen nicht nachgegeben und den Rhein zu einer festen Grenze zwischen Frankreich und Preußen gemacht.

5 Großherzoglich Badische Staats-Zeitung vom 26. Februar 1815

6 Großherzoglich Badische Staats-Zeitung vom 14. Juni 1815

7 Nach dem Pariser Frieden vom Mai 1814 wurde das „Generalgouvernement Mittelrhein“ aufgeteilt. Das Gebiet links des Rheins und rechts der Mosel, in dem auch der Kanton Hermeskeil lag, wurde der „Gemeinschaftlichen Landes-Administrations-Kommission“ zugeordnet, die unter der Verwaltung von Österreich und Bayern stand (wikipedia).

8 seit 1.10.1932 Grimburg

9 Großherzoglich Badische Staats-Zeitung vom 8. Juli 1816; ebenso Kölnische Zeitung vom 9. Juli 1816

10 Franz Joseph Karl (1768-1835) aus dem Hause Habsburg-Lothringen war von 1792 bis 1806 als Franz II. der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. 1804 begründete er das Kaisertum Österreich, das er als Franz I. bis zu seinem Tod regierte (wikipedia).

11 Es waren in etwa die 4x Urgroßeltern der heute lebenden Generation um die 40.

12 Der letzte Trierer Kurfürst war Clemens Wenzeslaus von Sachsen (1739-1812).

13 Seit dem 22. September 1792 galt in der Französischen Republik der Revolutionskalender. So steht dann in einem (natürlich in französischer Sprache verfassten) amtlichen Geburtseintrag in den Bürgermeistereien der neuen französischen Kantone zum Beispiel als Tag der Geburt nicht der „10. März 1801“, sondern der „19. Ventôse IX“. Offenbar gefiel der Kalender aber auch Napoleon nicht, denn der schaffte ihn zu Beginn des Jahres 1806 ab und führte wieder den Gregorianischen Kalender ein.

14 Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) aus dem Hause Hohenzollern war von 1797 bis 1840 König von Preußen (wikipedia).