Zwei Strafbefehle hat der Handwerker auf der Anklagebank bekommen und gegen beide hat er Einspruch eingelegt. Der eine Fall ist ein wenig spektakulär gewesen: Im August letzten Jahres kommt er mit seinem Pkw auf der Zufahrt von der B 407 an die Kreuzung zur B 52 bei Höfchen, wo er rechts abbiegen will. Er schaut nach links, da kommt keiner - und gibt Gas. Doch da steht ein Motorradfahrer, der ebenfalls rechts abbiegen will. „Ich bin auf ihn drauf gefahren und er ist rückwärts vom Motorrad geflogen“, gibt der Angeklagte zerknirscht zu. „Ich hab ihn echt nicht gesehen“, wiederholt er mehrmals und bestreitet auf die Frage von Richterin Buchenberger, dass er nicht nach rechts geschaut hat. Doch das klingt nicht sehr glaubhaft. Ob er beschleunigt habe, will die Richterin noch wissen, worauf der Mann erklärt, er sei „mit höchstens 10 km/h an die Kreuzung gefahren“. Auch das ist wohl eher unwahrscheinlich, denn die Frau im Auto hinter ihm hat in ihrer schriftlichen Zeugenaussage angegeben, dass er „stark beschleunigt“ hat. Immerhin hat er sich hinterher bei dem Geschädigten, der bei dem Sturz vom Motorrad Prellungen erlitten hat, entschuldigt.
Warum er gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt hat, will der Staatsanwalt wissen und der Mann meint, die Strafe - 70 Tagessätze zu 40 Euro - wäre zu hoch. „Ich bin zwar kein unbeschriebenes Blatt im Straßenverkehr“, sagt er und spricht damit mehrere Vorstrafen wegen Fahrens ohne Führerschein, unter Alkoholeinfluss und auch wegen fahrlässiger Körperverletzung an, „aber ich bin kein Krimineller“, behauptet er.
Der zweite Strafbefehl betrifft auch ein Verkehrsdelikt: Am letzten Tag eines gegen ihn verhängten Fahrverbots ist er wieder mit dem Auto unterwegs gewesen und prompt erwischt worden. „Das habe ich wohl falsch verstanden“, behauptet er, doch Richterin Buchenberger kontert, dass in dem Schreiben klar gestanden habe, dass er „bis zum Ablauf“ des genannten Tages nicht fahren dürfe: „Das war doch kein kompliziertes juristisches Schreiben“, sagt sie.
Richterin und Staatsanwalt diskutieren nun kurz über die juristischen Möglichkeiten. Am Ende empfehlen sie dem Angeklagten, die beiden Einsprüche auf das Strafmaß zu beschränken, weil eine Gesamtstrafe niedriger sein werde als die Summe aus den beiden Strafbefehlen; das waren immerhin 150 Tagessätze. Aber der macht nicht den Eindruck, dass er versteht, worum es dabei geht: „Das ist nicht mein Niveau“, gibt er zu, und die beiden Juristen versuchen es noch einmal mit einfacheren Worten, bis der Angeklagte dann - wenn auch etwas zögerlich - zustimmt.
In seinem Plädoyer wertet es der Staatsanwalt zugunsten des Mannes, dass er nichts bestritten hat. Immerhin hat das Gericht deswegen auf die Vernehmung von drei geladenen Zeugen verzichten können. Auch dass der Motorradfahrer nur leicht verletzt wurde und selbst keinen Strafantrag gestellt hat, wirkt sich für den Angeklagten günstig aus. Auf der anderen Seite stehen seine einschlägigen Vorstrafen. Der Ankläger beantragt nun eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu 35 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat. Außerdem soll der Mann die Kosten des Verfahrens tragen.
Richterin Buchenberger folgt den Anträgen und verurteilt den Angeklagten entsprechend. Eine Einstellung des Verfahrens sei im Hinblick auf die einschlägigen Vorstrafen nicht möglich gewesen. Zu dem - aus Sicht des Angeklagten ja versehentlichen - Fahren ohne Fahrerlaubnis, meint sie noch, das sei, wenn auch nicht vorsätzlich, zumindest grob fahrlässig gewesen und erläutert ein wenig ausführlich die Unterschiede. Ob der Mann das wirklich begreift, bleibt offen. Immerhin hat er mit seinen Einsprüchen aber erreicht, dass die Strafe für die beiden Vergehen deutlich niedriger ausfällt.