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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 11/2025
Aus der Heimatgeschichte
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Ein Schreckenstag vor 80 Jahren

Vor dem Bombenangriff: Blick vom Alten Markt in die Saarstraße (im Hintergrund die Evangelische Kirche)

Blick aus der Trierer Straße auf die Kreuzung: Nach dem verheerenden Bombenangriff am 11. März 1945 sind von dem Gebäude der Kreissparkasse nur noch Trümmer übrig (im Hintergrund die Fassade der Synagoge mit den beiden Rundbogenfenstern)

Bombenteppich auf die Kreuzung in Hermeskeil

In den Morgenstunden des Sonntags (11. März), atmen die Menschen unter einem wolkenverhangenen diesigen Himmel erleichtert auf. Gott sei Dank kein „Jabo-Wetter“. Sie sind bei diesem Wetter nicht zu erwarten, da sie ohne Erdsicht nicht operieren können. Aber über den Wolken ziehen in großer Höhe die Ströme der alliierten Bomber landeinwärts, um dort ihre Todeslast auszuklinken. Nur das Gedröhne der Viermotorigen ist zu hören, zu sehen sind sie nicht. Man fühlt sich unter der Tarnkappe der tiefziehenden Wolken in etwa geborgen und kann sich einfach nicht vorstellen, dass es bei diesem Wetter zu Luftangriffen kommen könnte. Dennoch beschleicht einen ein unheimliches Gefühl, als gegen 10.30 Uhr die anschwellenden Motorgeräusche einen tieffliegenden Verband verraten.

Die Flugzeuge sind nicht zu sehen, deshalb ist es so unheimlich. Die Erinnerungen an den Bombenteppich auf den Bahnhof vor zwei Wochen sind noch zu lebendig, um nicht aus diesen Anzeichen einen Angriff zu erahnen. Viel zu spät, nämlich als man die Flugzeuge über sich weiß und das Rauschen der niedergehenden Bomben schon zu vernehmen ist, suchen die Bewohner panikartig die Luftschutzkeller auf. Nicht vorauszusehen wären die Personenverluste bei diesem Überraschungsangriff gewesen, wenn der Flächenwurf ein größeres Ausmaß angenommen hätte.

Die Erde bebt, Feuer sprüht vom Himmel, die Türen fliegen aus den Angeln, die Fenster splittern. Mitten auf die Straßenkreuzung in der Ortsmitte1 ging der Bombenteppich nieder, der vom Hause Herkels in der Koblenzer Straße bis zu den Häusern Eiden-Ferdinand und Flick in der Saarstraße reichte. Das Gebäude der Kreissparkasse und das Haus Schuh-Resch liegen nach Volltreffern in Trümmern. Das noch in seiner Konstruktion erhaltene Dach der ehemaligen Kreissparkasse liegt auf den aufgetürmten Trümmern, als wolle es alles Leid unter sich zudecken. Fieberhaft gehen die Bergungsmannschaften der Feuerwehr und der Technischen Nothilfe nach dem Angriff an die Suche der vermutlich 15 Personen, die unter den Trümmern liegen.

Lebend, aber schwer verwundet werden zwei Söhne des Zweigstellenleiters Knorreck geborgen und ins Krankenhaus gebracht. Ebenso die damals noch ledige Tochter Gisela Gard des Eisenbahners Nikolaus Gard. Dessen Ehefrau Margarethe Gard geb. Müller, 38 Jahre alt, und die Kinder Anton, 9 Jahre alt, Otto, 5 Jahre, Margret, 3 Jahre und Franz-Josef, 6 Monate alt, sind tot. Die Ehefrau Knorreck konnte überhaupt nicht mehr aufgefunden, die Kinder Reinhold Peter, 5 Jahre alt, und Walter, 3 Jahre alt, nur noch tot geborgen werden. Viel später, als die Amis schon da waren und die Trümmer vollends aufgeräumt werden mußten, fand man noch die Leichen von Soldaten, die vermutlich als „Anhalter“ auf der Kreuzung standen und während des Angriffs in dem anliegenden Haus Schutz suchten und hier den Tod fanden.

Nach diesem Angriff ist die Bevölkerung bestürzt. Fühlte sie sich doch bisher wenigstens beim wolkenbehangenen Himmel in etwa geborgen, musste sie nun erkennen, wie schutzlos sie der Kriegsfurie ausgesetzt war. Erschreckend, wie genau dieser Bombenteppich mitten in das Ziel traf. Man konnte nicht begreifen, wie dies möglich war: völlig im Blindflug und ohne Erdsicht, über dem Ziel die Bomben auszuklinken. Der „Mann auf der Straße“ wusste damals noch nichts von der Erfindung des Krieges: RADAR.

Unter dem Eindruck des Geschehenen verlassen noch am gleichen Tag ängstliche Bewohner ihre Häuser. Sie ziehen in den Wald, um dort im Tal der Prims Unterstände zu bauen, weit weg von allen militärischen Zielen. Sie flüchten vor dem Krieg. Mit schnell zusammengeraffter Habe verlassen ganze Familien ihr von Bomben und Granaten bedrohtes Heimatdorf, fliehen vor der anrollenden Schlacht.

(aus RuH Nr. 10/1965)


1 der „Alte Markt“ am oberen Ende der Fußgängerzone