Es ist schon manchmal sehr merkwürdig, worüber und worum sich Menschen streiten. Diesmal ist es ein Hund, den ein junger Mann und seine Mutter eine Zeit lang in Pflege gehabt haben. Dessen Besitzer muss für einige Wochen in eine stationäre Therapie und hat ihnen 200 Euro für Futter dagelassen. Aus irgendwelchen Gründen dauert es aber länger als geplant. Als der Bekannte dann endlich seinen Hund abholen will, verweigert der junge Mann die Herausgabe. Es kommt zu Streit und einer Rangelei und als der Hundebesitzer ohne das Tier abzieht, wirft ihm der andere angeblich einen schweren Gegenstand - es bleibt unklar, ob es ein Stein oder ein großes Stück Holz ist - hinterher und trifft ihn angeblich am Arm. Die Anklage: gefährliche Körperverletzung. Ein zweiter Anklagepunkt betrifft den jungen Mann und seine Mutter gemeinsam. Sie sollen dem Hundebesitzer eine Tierarztrechnung über rund 100 Euro zum Bezahlen geschickt haben. Aus der Rechnung ist aber ersichtlich, dass kein Hund, sondern eine Katze behandelt worden ist. Der Andere zeigt die beiden deshalb wegen Betrugs an.
„Das ist alles falsch!“ beteuert die Mutter nach dem Verlesen der Anklage. Aber Richterin Buchenberger will erst mit dem jungen Mann reden. Beide stammen aus dem Iran, leben aber schon längere Zeit in einem Hochwalddorf und verstehen bzw. sprechen ganz gut Deutsch. Trotzdem hat das Gericht einen Dolmetscher bestellt, der nun seine liebe Mühe und Not hat, den Redeschwall des Angeklagten in die richtigen Bahnen zu lenken. Durch den Hund habe man viele Einschränkungen gehabt, die trächtige Katze sei durch ihn krank geworden und habe behandelt werden müssen und die 200 Euro hätten längst nicht für das teure Futter gereicht. Er habe den Hundebesitzer mehrmals angerufen, er solle das Tier abholen kommen. Die Tierarztrechnung habe er ihm nur geschickt um zu dokumentieren, dass der Hund ihn zusätzlich Geld kosten würde. Ob der andere das auch so verstanden habe, will die Richterin wissen; bei der Polizei habe er gesagt, dass ihm der Angeklagte die Rechnung habe „unterjubeln“ wollen. Die Antwort des Angeklagten ist ausweichend: „Der hat immer nur Show gemacht.“
Auch den Tag, an dem der Mann seinen Hund abholen will, schildert der Angeklagte ganz anders. Der sei ohne Ankündigung abends um 11 Uhr gekommen. „Der kann doch nicht einfach so spät vorbeikommen. Ich wollte alles in Ruhe mit ihm besprechen und klären“, sagt der Angeklagte und spricht von den hohen Kosten, die durch die 200 Euro nicht gedeckt gewesen seien. „Ich wollte den Hund nicht herausgeben, bevor er noch was bezahlt hatte“, begründet er seine Weigerung. Der Mann habe gewaltsam ins Haus kommen wollen und ihm durch den Türspalt, in den er den Fuß gestellt habe, mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er selbst hat sich nur verteidigt und bestreitet, mit etwas nach dem Mann geworfen zu haben. Die Mutter hat alles nur akustisch mitbekommen und kann deshalb nichts zu dem Streit sagen.
Dass der Hundebesitzer, der nun am Zeugentisch Platz nimmt, die Sache völlig anders erlebt hat, ist zu erwarten gewesen. Er sei in der ganzen Zeit nie aufgefordert worden, den Hund wieder abzuholen. Der Angeklagte habe zwar öfter angerufen, aber immer nur Geld verlangt; er habe auch zweimal welches überwiesen (was sich auch aus den Gerichtsakten ergibt). Beim vierten Mal sei es ihm zu bunt geworden und als er den Hund abholen wollte, habe der Angeklagte, der ihn an der Tür mit einem griffbereiten Stock empfangen habe, zu ihm gesagt: „Du kriegst ihn nur, wenn du mir 500 Euro bezahlst.“ Nach einem kurzen Streit sei er ohne den Hund abgezogen, wobei der Angeklagte noch etwas nach ihm geworfen, ich aber „Gott sei Dank nicht getroffen“ habe. In der Anklageschrift hat das noch anders gestanden… Auch zur Tierarztrechnung hat der Zeuge seine eigene Version. Der Angeklagte habe ihm am Telefon gesagt, er wolle 100 Euro haben, weil er mit dem Hund beim Tierarzt gewesen sei. Daraufhin habe er erwidert: „Schick mir mal die Rechnung“. Auf dieser habe er dann gesehen, dass eine Katze behandelt worden war - „schon heftig, oder?“ entfährt es ihm. Weshalb die Katze krank gewesen ist, will er auch wissen: Der Tierarzt habe bei einer Blutprobe Opium festgestellt, weshalb die Katze dem Angeklagten weggenommen worden sei.
Das Ende vom Lied: Die Mutter wird freigesprochen, weil sie an der Aktion mit der Rechnung nicht beteiligt war; das sieht auch die Staatsanwältin so. Für den Sohn, der aus gesundheitlichen Gründen nicht voll arbeitsfähig ist, regt sie die Einstellung des Verfahrens an unter der Auflage, 50 Sozialstunden zu leisten. Richterin Buchenberger fasst den entsprechenden Beschluss.