Sie lassen auf der Anklagebank einen Stuhl zwischen sich frei. Anscheinend ist ihr Verhältnis nicht mehr so gut wie zu der Zeit, als sie angeblich nachts in einem Hochwalddorf gemeinsam Autos aufgebrochen haben, um daraus Bargeld zu stehlen. Beide - nennen wir sie der Einfachheit halber Max und Moritz - sind noch recht jung, Max war bei Tatbegehung noch keine 18, Moritz knapp darüber. Max hat immerhin inzwischen einen Ausbildungsplatz, wogegen sein Kumpel seit der Schule, die er nicht mit einem Abschluss verlassen hat, nichts gemacht hat und von den Eltern durchgebracht wird. Wie er sagt, hat er sich aber kürzlich bei Amazon um eine Stellung als Paketbote beworben - immerhin.
„Wir haben Sch… gebaut“, gibt Max zu. Einer in der Clique habe Geldprobleme gehabt, deshalb sei man auf die Idee gekommen, nachts Autos nach Bargeld zu durchsuchen. In einem Fall sind es zwei gewesen, die nach Max‘ Angaben nicht abgeschlossen waren. „Aber da haben wir nichts gefunden“, sagt er, fast bedauernd. Im Nachbardorf hat ein paar Nächte später jemand mehr Erfolg gehabt: Eine Frau hat ihr Auto offenbar als einen sicheren Aufbewahrungsort für die Geldbörse mit rund 800 Euro und ihrer EC-Karte gehalten. Das Geld ist weg und mit der Karte sind kurz darauf an mehreren Automaten Zigaretten gezogen worden. Doch Max behauptet, dass er dazu nichts sagen kann, weil er damit nichts zu tun gehabt haben will. Warum drei Zeugen auf die Idee gekommen sind, ihn zu beschuldigen, kann er sich nicht erklären. Vielleicht liegt es daran, dass er erst vor zwei Jahren in das Dorf gezogen und - wie er meint - „als Zugezogener nicht so angenommen“ ist. Es habe schon öfter Probleme gegeben, ergänzt er, ohne aber zu erklären, welche das gewesen sein sollen.
Richterin Buchenberger hält ihm vor, was seine Mutter bei der Polizei ausgesagt hat. Die habe sich schon einmal darüber gewundert, dass er im Besitz einer fremden EC-Karte gewesen sei, aber auch dazu weiß Max nichts zu sagen. Dass er öfter Geld für Alkohol und Zigaretten gehabt habe - auch das ist seiner Mutter komisch vorgekommen -, erklärt er damit, dass er schon mal bei einer Tante gearbeitet und dafür Geld bekommen habe.
Auch Moritz gibt zu, dass er im ersten Dorf dabei gewesen ist; doch von dem zweiten Fall weiß er angeblich ebenso wenig wie sein Kumpel. An ein Gespräch mit einem der Zeugen, in dem dieser Max beschuldigt haben soll, kann er sich nicht erinnern. Er sei mit diesem Zeugen eng befreundet gewesen und Max sei in der Clique „schon mal dabei gewesen“. Aber weil man mitbekommen habe, dass der „öfters in Autos rein geht“, habe man mit ihm eigentlich keinen Kontakt haben wollen.
Das Gericht hat ein Problem, die Verhandlung fortzuführen. Denn die drei Belastungszeugen sind zwar nachweislich zum Termin geladen worden, aber nicht erschienen. Lediglich die Kriminalbeamtin, die die Fälle bearbeitet hat, sagt an diesem Morgen aus. Nach vier oder fünf PKW-Aufbrüchen in den beiden Dörfern hätten Vernehmungen schnell Hinweise auf Max und Moritz ergeben, erklärt sie. Auch Max‘ Mutter habe „wegen früherer Vorfälle“ dazu tendiert, dass ihr Sohn für die Aufbrüche verantwortlich sei. Sie habe ihm einmal zwei EC-Karten abgenommen, die er angeblich von anderen bekommen habe. Nachweislich habe er auch schon vor einem Jahr eine solche Karte geklaut und auch benutzt. „Ich glaube meinem Sohn kein Wort“, habe die Mutter nach dessen Vernehmung gesagt.
Der Staatsanwalt ist wegen der unentschuldigt ausgebliebenen Zeugen nicht erfreut und beantragt für jeden ein Ordnungsgeld von 150 Euro, ersatzweise jeweils drei Tage Ordnungshaft, was Richterin Buchenberger entsprechend beschließt. Die Verhandlung wird unterbrochen und ein Fortsetzungstermin festgesetzt, zu dem die Zeugen dann gegebenenfalls von der Polizei vorgeführt werden. Auch Max‘ Mutter wird zu diesem Termin noch geladen. Wie naiv die beiden mutmaßlichen jungen Autoknacker sind, zeigt sich in der Frage, ob sie da auch wieder kommen müssten. Die Richterin belehrt sie: „Abgesehen von einer lebensnotwendigen Operation ist eine Strafverhandlung eigentlich der wichtigste Termine im Leben…“