Auf einer Eselin zieht Jesus in Jerusalem ein, er marschiert nicht ein. Er steht für Frieden und Friedfertigkeit. In Geisfeld ist diese Installation seit Palmsonntag im Pfarrgarten zu bewundern.
Wird es einen schmutzigen Wahlkampf geben?
Liefern sich die Kandidatin und die Kandidaten für das Amt des Stadtbürgermeisters bzw. der Verbandsbürgermeisterin/ des Verbandsbürgermeisters eine Schlammschlacht?
Die nächsten Wochen werden es zeigen.
Ich schätze die Protagonistin und die Protagonisten der kommenden Wahl eigentlich nicht so ein, dass sie einander mit Dreck bewerfen. Und ich wünsche es ihnen auch nicht.
Denn denen, die sich gerade in der Kommunalpolitik engagieren, die sich für öffentliche (Ehren-)Ämter bereitstellen, die brauchen sich doch gar nicht gegenseitig mit Dreck zu bewerfen, das tun leider schon längst andere. Unsere amtierende Stadtbürgermeisterin ist ja damit an die Öffentlichkeit gegangen: Was ihr und anderen gerade jüngeren und weiblichen Politikerinnen passiert, Offene Drohungen von Gewalt, zerstochene Autoreifen, eingeschlagene Fensterscheiben, ist nur die Spitze des Eisbergs.
Die Anonymität des Internets tut ihr Übriges. Da kann man dann mal endlich Dampf ablassen und alles, was einen so stört an sich selbst, der Welt usw. auf andere abschieben.
Die Zeiten, in denen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister als Respektspersonen von jeder und jedem behandelt wurden, sind vorbei. Ähnlich wie bei mir als Pfarrer ist es durchaus gut, dass wir wegkommen von einer völligen Überhöhung bestimmter Ämter. Aber die völlige Verrohung mancher Menschen im Umgang mit anderen, die bereit sind Verantwortung zu übernehmen, ist ein Extrem, dass es zu bekämpfen gilt. Ich gebe gerne zu, dass die Schmierereien an der Martinuskirche, die neben rechtsextremem Gedankengut, auch mit der Aufschrift „Kinderschänder“ und „Kinderf….“ (auch wenn sie mir persönlich wohl nicht galten) mich getroffen haben.
Dass sich Menschen für andere engagieren, ist nicht selbstverständlich; dass sie Verantwortung für das Allgemeinwohl übernehmen und dafür ihren Kopf hinhalten auch nicht.
Ich möchte diesen Ostergruß in unserem RuH deshalb ausdrücklich nutzen, um meine tiefe Anerkennung und meinen tiefen Respekt gegenüber allen demokratischen Kräften in unserer Verbandsgemeinde und ihren Orten auszudrücken! Zugleich möchte ich an die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer aber noch viel mehr uns alle als Bürgerinnen und Bürger appellieren, dass wir respektvoll miteinander umgehen – gerade auch dann, wenn der andere anders denkt und andere Vorschläge macht als ich. Unsere Toleranz dabei darf nur eine Grenze haben: Die Intoleranz. Dort, wo Kräfte aufstehen, die intolerant sind, die demokratiefeindlich sind, die Menschen in den Dreck ziehen, weil sie anders sind, die haben keine Toleranz zu erwarten.
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat dies vor ein paar Tagen so ausgedrückt:
„Zu den herausragenden Werten unserer Gesellschaft gehört die Toleranz.
Sie ist die Fähigkeit, den anderen als anderen anzuerkennen und ihm Freiheit zu gewähren, die es auch für uns persönlich braucht. Gefährlich wird es dann, wenn Intoleranz regiert… Wir müssen uns dabei daran erinnern, und die Fastenzeit
lehrt uns das immer wieder: Toleranz hat mit Freiheit zu tun. Und Freiheit ist ein
Geschenk Gottes, mit ihm und den anderen gut zu leben.
Insofern sehen wir gerade an der Toleranz, dass sie etwas Paradoxes hat.
Sie weist auf etwas hin, das positiv für jeden Menschen gilt.
Sie markiert aber auch eine Grenze, nämlich die der Intoleranz.
Eine Toleranz dieser Intoleranz gegenüber darf es nicht geben.
….Die Würde des Menschen eines jeden ist unantastbar und so auch seine Freiheit. Hier findet die Toleranz ihr Maß, aber auch ihre Herausforderung. Auch im Zugehen auf Ostern. Gott will uns als freie Menschen.“
Denn Ostern ist nichts anderes als das Fest der Befreiung. Der biblische Ursprung erinnert daran, wie das Volk Israel aus der Sklaverei Ägyptens in die Freiheit zieht. Die Karwoche erinnert an Jesus, an dem sich alle Intoleranz der Menschheit austobt: Er wird verraten, gefangen, gefoltert und ermordet. Im Blick auf die Unrechtsregime und Terrorregime unserer Tage scheint das doch aktueller denn je. Aber das ist die österliche Hoffnung: Intoleranz hat bei Gott nicht das letzte Wort. Jesus geht durch die Intoleranz in die Freiheit, er erkämpft sie uns, in dem er sich nicht unterdrücken lässt. Selbst der Tod macht ihn nicht mundtot. Die Auferstehungsbotschaft ist auch eine politische!
Wird es also eine Schlammschlacht hier in Hermeskeil geben?
Das deutsche Wort „Schlamm“ hat wohl kein geringerer als Martin Luther etabliert. Er brauchte es für seine Bibelübersetzung ins Deutsche. Und da heißt es in Psalm 69:
2 Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.
3 Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.
4 Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser. Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.
5 Die mich ohne Grund hassen, sind mehr, als ich Haare auf dem Haupt habe. Die mir ohne Ursache feind sind / und mich verderben wollen, sind mächtig.
15 Errette mich aus dem Schlamm, dass ich nicht versinke, dass ich errettet werde vor denen, die mich hassen.“
Die Psalmen waren Jesu „Gebetbuch“, er kannte sie auswendig und wird mit Sicherheit diesen Psalm gebetet haben in seiner Verzweiflung angesichts der Intoleranz der Menschen.
Ich wünsche uns allen, dass uns das erspart bleibt. Zumindest können wir miteinander hier bei uns dafür sorgen, dass wir allen drohenden Schlammschlachten energisch entgegentreten.
An Gründonnerstag, der Nacht vor Jesu Tod, wäscht Jesus seinen Jüngern die Füße. Als Zeichen seines Dienstes an den Menschen und als Beispiel für die Menschheit. Vielleicht wäscht er sie auch, um uns vom letzten Dreck unserer Schlammschlachten zu befreien.
In diesem Jahr sind zur Abendmahlsmesse am Gründonnerstag in der Martinuskirche die Bürgermeisterkandidatin und -kandidaten von Stadt und Verbandsgemeinde besonders eingeladen. Jede und jeder, der sich für andere engagiert, ahmt Jesu Akt der Fußwaschung nach und geht in seiner Spur.
Stehen wir also füreinander ein, haben wir tiefsten Respekt vor den Engagierten bei uns in unseren Orten. Und sorgen wir miteinander dafür, dass die intoleranten Kräfte, die andere beschmutzen, Grenzen aufgezeigt bekommen.
Ostern hilft mir dabei, ich hoffe Ihnen und euch auch! Ich wünsche allen fröhliche und befreiende Ostern!
Ihr und euer
Pastor Dekan Christian Heinz