In der jüngsten Stadtratssitzung sollte der Stadtrat beschließen, die neue Kita am Labachweg in Massivbauweise zu realisieren. Hierzu hatte Andreas Schmitt, Fachbereichsleiter Bauen und Werke bei der VG-Verwaltung, noch am Sitzungstag eine Beschlussvorlage vorbereitet, in der die Vorgeschichte zusammengefasst war. Im Mai 2021 hat der Rat einstimmig beschlossen, die Kita am genannten Standort zu bauen. Im weiteren Verlauf hat u.a. eine europaweite Ausschreibung zur Vergabe der Planungsarbeiten stattgefunden mit dem Ergebnis, dass insgesamt vier Fachbüros mit der Projektsteuerung, der Gebäude-, Tragwerks- und Brandschutzplanung und der technischen Gebäudeausrüstung beauftragt wurden. Das Ergebnis der Planung wurde am 24. Februar im Stadtrat vorgestellt (RuH berichtete).
Man habe in zahlreichen Besprechungen von Anfang an offen diskutiert, so Schmitt. Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte sei das Team der Planer zu dem Ergebnis gekommen, dass für ein zweigeschossiges Gebäude an diesem Standort ein Massivbau und nicht ein Holzbau die sinnvollste Lösung sei. Die Gründe dafür waren im Februar auch von den Fachplanern dargelegt worden. Dennoch kamen zu Beginn des Tagesordnungspunkts Zweifel auf. Günter Weber (FWG) fragte nach „Unterlagen, in denen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten übersichtlich dargestellt“ seien, worauf Andreas Schmitt eine entsprechende Präsentation aus der vorangegangenen Sitzung noch einmal zeigte. Hagen Wiehle (BfB) meinte, für einen Holzbau sprächen sicher mehr Vorteile als dargestellt. Da man das Projekt aber nicht verzögern wolle, bleibe seine Fraktion beim Massivbau, „auch wenn Holz vielleicht besser sein könnte“.
„Die Empfehlung für einen Massivbau kommt von Experten, die nichts anderes als ihren Job machen“, betonte Stadtbürgermeisterin Lena Weber. Sie müsse sich deshalb auf die Expertise der Planer verlassen. Sie gab Helmut Kraaz vom Trierer Büro temak, dem die Projektsteuerung obliegt, Gelegenheit für Erläuterungen. „Ich bin seit Jahrzehnten überzeugter Holzbauer“, sagte dieser, aber er habe sich nach langer Diskussion überzeugen lassen, dass gerade für dieses Projekt ein Massivbau besser sei. Ein Problem bei einem Holzbau dieser Dimension sei schon, dass es nur wenige Firmen gebe, die das bewerkstelligen könnten und dass gerade bei Großprojekten die Herkunft und damit die Qualität des Baumaterials nicht immer klar seien. Für Massivbauten sprächen gegenüber Holz zudem Vorteile bei Brand-, Schall- und Wärmeschutz und auch die Dauerhaftigkeit der Konstruktion. Er habe bereits mehrere Kitas in Holzbauweise errichtet, aber alle auf ebenem Gelände und nur eingeschossig.
Ein Lobbyist darf reden
Was nun kam, war ein wenig ungewöhnlich: Einem Bürger aus der Verbandsgemeinde, der das Ingenieurholzbaubüro eines größeren Unternehmens leitet, wurde durch Mehrheitsentscheidung des Rats Rederecht erteilt. Er vertrat die Ansicht, dass in einer Nationalparkgemeinde mit eigenem Waldbesitz die Themen Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz im Vordergrund stehen sollten. Er habe von den Planern genannte 15 Punkte, die gegen einen Holzbau sprächen, analysiert.. Außer einem einzigen („Holz brennt“) könne er alle widerlegen. Holz habe viele Vorteile gegenüber Massivbauweise, sagte er, ohne aber auf Einzelheiten einzugehen. Als sich zwischen ihm und Planer Kraaz, der widersprach, eine verbale Auseinandersetzung entspann, schritt die Stadtbürgermeisterin ein: „Stop! Keine Diskussion!“, sagte sie. Jeder habe seine Argumente vorgetragen. Der Holzbauer war bereits nach der Ratssitzung im Februar aufgetaucht, um für eine Kita in Holzbauweise zu werben. Eine Woche vor der Stadtratssitzung hatte er im Haupt- und Finanzausschuss eine Präsentation zum Thema vorgeführt. Die Vorlage der Verwaltung sei entstanden, so Lena Weber, weil nach dieser Präsentation „Unstimmigkeit“ entstanden sei.
Sigurd Hein (SPD) erklärte, die Fraktionsgemeinschaft SPD/Linke favorisiere zwar eine sogenannte Hybridlösung, bei der das Untergeschoss massiv und das Obergeschoss aus Holz errichtet werde. Weil das aber Schwierigkeiten bei der Koordination während der Bauphase mit sich bringe, könne man sich auch mit einem vollständigen Massivbau anfreunden. Nach Meinung von Bernhard Kronenberger (CDU) muss der Rat dagegen auch über einen kompletten Holzbau nachdenken, wenn dieser möglich sei. Es entspann sich eine Diskussion unter den Ratsmitgliedern, in der sich keine einheitliche Linie abzeichnete. Frank Salm (CDU) fühlte sich „hin und her gezogen“, seine Fraktionskollegin Judith Justinger mochte sich einen weiteren Betonklotz neben der IGS nur schwer vorstellen, Bürgermeisterkandidat Stefan Ding, ebenfalls CDU, erklärte, es gehe darum, eine ausgewogene Entscheidung zu treffen, doch die Vielzahl der gegensätzlichen Informationen mache ihm die Entscheidung schwer.
„Können wir uns das Recht herausnehmen, uns über die ‚große Expertenrunde‘ hinwegzusetzen“, warf Stadtbürgermeisterin Lena Weber in die Runde und gab anschließend noch Architektin Gudrun Dillig-Raab vom Planungsbüro Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Diese erklärte, dass für einen Holzbau umfangreiche Änderungen der Planung erforderlich seien. Es liege die spezielle Situation vor, dass das Gelände nicht eben sei, sondern große Höhenunterschiede aufweise. Deshalb hätten manche Bauteile „Erdberührung“, weshalb unter anderem Feuchtigkeit ein Problem sei, dem bei Massivbauweise besser begegnet werden könne. Eine Hybridlösung sei zwar auch möglich, aber da wären die Kosten höher.
Vertagung nach Unterbrechung
Als nach einer von der CDU beantragten Unterbrechung, in der die Fraktion gemeinsam mit der FWG den Saal zu Beratungen verließ, die Sitzung fortgesetzt wurde, erklärte Berthold Grenz (FWG), man sähe sich „außerstande, heute eine Entscheidung über die Bauweise zu treffen“. Zur Begründung führte er die „vielen Argumente heute Abend“ an und kritisierte, dass die Vorlage auch zu spät gekommen sei. Der Hinweis der Stadtbürgermeisterin, in der letzten Sitzung sei die Massivbauweise nicht in Frage gestellt worden, verpuffte ebenso wie die Warnung von Andreas Schmitt, die Überarbeitung der Planung werde zu höheren Kosten und zu einer Verzögerung führen, was sowohl der Statiker Patrick Wahlen als auch Architektin Dillig-Raab bestätigten. CDU-Sprecher Kronenberger blieb dabei, dass man „umfassende Informationen“ brauche, um über dieses 10 Mio.-Projekt zu entscheiden, insbesondere vergleichbare Unterlagen zu Massivbau-Holzbau.
Lena Weber fasste zusammen: „Zeitverzögerung - zweite Planung, wenn auch kleiner - Kosten - das muss jetzt jedem klar sein!“ und ergänzte, bei einem Holzbau würde der Stadtrat gegen die Experten entscheiden. FWG-Sprecher Grenz blieb bei seinem Vertagungsantrag, der mit knapper Mehrheit angenommen wurde. Von den Planern will man nun die Kosten der zusätzlichen Berechnung für die Kita in Holzbauweise wissen. Die Stadtbürgermeisterin plant, eine Sondersitzung anzuberaumen, in der dann erneut beraten und entschieden wird. (WIL-)