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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 15/2024
Aus dem Gerichtssaal
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Mit einem blauen Auge davongekommen

Wir erinnern uns an Max und Moritz, die beiden mutmaßlichen Autoknacker. Im ersten Termin ist das Verfahren unterbrochen worden, weil drei Zeugen unentschuldigt gefehlt haben - mit Konsequenzen: Das Ordnungsgeld von 150 Euro, das ihnen Richterin Buchenberger aufgebrummt hat, ist nicht die einzige. Denn zum Fortsetzungstermin sind sie nun von der Polizei abgeholt worden, und zwar am frühen Morgen zwischen fünf und halb sechs, was ihnen mit Sicherheit nicht gefallen hat. Denn dieser Termin startet erst um 13.30 Uhr und bis dahin müssen sie auf dem Flur des Amtsgerichts ausharren. Dem ersten von ihnen, einem Mittfünfziger in Arbeitskleidung, sieht und merkt man förmlich an, dass er alles andere als begeistert ist; es wird ihm wahrscheinlich eine Lehre sein.

Weil vor fast zwei Jahren versucht worden war, in sein Wohnmobil einzubrechen, ist die Kriminalpolizei damals bei ihm gewesen. Dabei hat er von einer Begebenheit erzählt, als er nachts bei offenem Schlafzimmerfenster ein Gespräch zwischen Moritz und seinem Stiefsohn mitbekommen hat. Es ist die Rede davon, dass Max in einem Dorf ein Auto aufgebrochen haben soll, so steht es im Polizeiprotokoll. Vor Gericht kann der Zeuge sich aber nicht mehr an Einzelheiten erinnern. „Zu lange her“, sagt er.

Das behauptet auch sein Stiefsohn, der nächste Zeuge. Nach dem Gespräch mit Moritz gefragt, erklärt er: „Davon weiß ich nichts mehr.“ Richterin Buchenberger verliest seine seinerzeitige Aussage bei der Polizei. Moritz habe ihm erzählt, dass Max die Autos aufgemacht habe. Er sei zwar dabei gewesen, habe aber nichts gemacht. „Können Sie sich daran noch erinnern?“, fragt die Richterin und der junge Mann sagt: „Nicht so wirklich.“ Auf den Vorhalt der Richterin, dass laut seiner früheren Aussage ein weiterer Zeuge ihm das so gesagt hat, meint er nur: „Ja, kann sein, dass es so war.“

In die Reihe derer, die sich an nichts erinnern können, reiht sich auch dieser weitere Zeuge nahtlos ein. Es ist der Dritte, der frühmorgens von der Polizei abgeholt worden ist. Er hat auch zu der Clique gehört, die öfter im Dunkeln durchs Dorf gezogen ist. Warum er damals als Zeuge vernommen worden sei, will Richterin Buchenberger wissen. „Gute Frage“, sagt der junge Mann und gönnt sich eine längere Pause, bis er weiter redet: „Ich wüsst‘ jetzt nix…“ Bei dieser Taktik bleibt er auch, als die Richterin ihn mit seiner früheren Aussage konfrontiert: „Kann schon sein“ und „Kann sein, aber ich hab’s nicht mehr im Kopf“ ist alles, was aus ihm herauszukriegen ist.

„Da ist nichts Verwertbares“, zieht Frau Buchenberger am Ende ein ernüchterndes Fazit, und ruft - nur noch der Vollständigkeit halber - die Frau in den Zeugenstand, aus deren Auto um die 800 Euro und ihre EC-Karte geklaut wurden. Sie kann die Summe ziemlich detailliert erklären und weiß noch, woher das Bargeld stammte und wofür es gedacht war. „Da lässt man einmal was im Auto liegen…“, sagt sie konsterniert.

Am Ende der Beweisaufnahme erfährt man noch ein wenig über die Lebensläufe der Angeklagten. Beide sind nicht in den besten Verhältnissen aufgewachsen. Moritz hat die Sonderschule besucht, weiß aber nicht mehr wann und wo. Er kann zwar lesen und schreiben, aber damit hört es auch schon auf; die Berufsbildende Schule hat er vor vier Jahren ohne Abschluss verlassen und macht seither nichts. Er ist vorbestraft wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Erschleichens von Leistungen.

Max, der ja eine der ihm vorgeworfenen Taten zugegeben hat, bei der er noch keine 18 gewesen ist, ist durch den Tod eines Bruders aus der Bahn geworfen worden. Dadurch hat sich wohl auch sein Verhältnis zu den Eltern verschlechtert. Nach mehreren Anläufen hat er irgendwann den Hauptschulabschluss gepackt und eine Zeitlang als Hilfsarbeiter gearbeitet. Inzwischen hat er eine Lehrstelle, das Verhältnis zu den Eltern hat sich verbessert und er macht den Eindruck, die schwierige Lebenssituation, von der im Bericht der Jugendgerichtshilfe die Rede ist, überwunden zu haben.

Das Urteil entspricht dem Antrag des Staatsanwalts. Dafür, dass er zugegebenermaßen in einer Nacht versucht hat, aus zwei unverschlossenen Autos etwas zu stehlen, muss Max 250 Euro in fünf Raten an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Moritz wird freigesprochen, weil ihm die Beteiligung an der Tat nicht nachgewiesen werden kann.