100 Jahre sozialdemokratische Politik im Hochwald
Mit einem Überblick über die Geschichte der Sozialdemokratie in den drei Hochwald-Orten Neuhütten, Züsch und Damflos läuten die Genossen und Genossinnen ihre Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen der Partei vor Ort ein. Am 7. Mai 2023 wird ab 11 Uhr im Bürgerhaus Züsch mit einem politischen Frühschoppen im Beisein der Bundestagsabgeordneten Verena Hubertz und des Landtagsabgeordneten Lothar Rommelfanger gefeiert.
Die SPD ist die älteste demokratische Partei in Deutschland. Ihre ersten Vorläufer lassen sich bereits in den 1860er Jahren finden mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV). Der am 23. Mai 1863 von Ferdinand Lasalle gegründete Verein versammelte unter dem Motto: „Einigkeit macht stark“ Industriearbeiter, die in dieser Zeit kaum Rechte hatten und unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen litten.
Zwischen 1871 und 1890 wurde die junge Partei mithilfe der Sozialistengesetzte verfolgt. Trotz der politischen Verfolgung konnte die Partei ihre Mandate im Reichstag 1890 auf 35, das waren 19,8% steigern. Seitdem heißt sie Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs konnten die Sozialdemokraten 34,8 Prozent und 110 Sitze im Reichstag erhalten. Sie waren damit wählerstärkste Partei. Der Krieg und die damit verbundenen Kriegskredite und Auseinandersetzungen um den richtigen Weg zum Frieden spaltete die Sozialdemokratie. Mit Friedrich Ebert stellten die Mehrheitssozialdemokraten, die für Kriegskredite gewesen waren, den ersten demokratisch gewählten Präsidenten der Weimarer Republik.
In dieser Zeit lassen sich auch erste Lebenszeichen der Sozialdemokratie im Hochwald nachweisen. 1919 war die SPD in Hermeskeil gegründet worden. Vom 28. November 1924 datiert der erste Nachweis über den Ortsverein Züsch, der „als Folge der Unruhen während des passiven Widerstands noch nicht wiedererstanden“ war. Wahlveranstaltungen fanden bei nur mäßiger Beteiligung statt. Dies war kein Wunder, musste sich die Sozialdemokratie doch mit einer stark kulturell im katholischen Milieu verankerten Zentrumspartei messen. Zu einem Schlagabtausch der besonderen Art kam es im November 1925. Gleich zwei Wahlveranstaltungen fanden am selben Ort statt: eine Zentrums- und eine sozialdemokratische Versammlung. In einem Bericht heißt es: „Die Besucher der letztgenannten begaben sich mit dem gekommenen Redner in das Lokal, in dem die Anhänger des Zentrums tagten. Eben referierte ein auswärtiger Redner. Nach ihm sprach der sozialdemokratische. Als er kaum begonnen hatte, erhob sich ohrenbetäubender Lärm, so dass er schließen musste. Als dann der Zentrumsredner wieder das Wort ergriff, erwiderte die Gegenseite mit gleichem Spektakel.“ Der Wirt Peter Detemple machte „kurzerhand der Versammlung ein Ende und setzte alle miteinander an die Luft“.
Diese Art der Verunglimpfung der politischen Konkurrenz war in der Weimarer Republik üblich. Es hatte sich noch keine parteiübergreifende demokratische Kultur ausgebildet. So konnten Demokratiefeinde wie die Nationalsozialisten in den 1930er Jahren in Züsch mehr Menschen für ihre Politik gewinnen als dies Sozialdemokraten gelang. Bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 erhielt die SPD 47 Stimmen, die NSDAP mehr als doppelt so viele, 117 Stimmen. Bei den Landtagswahlen wählten dreimal so viele Menschen die NSDAP wie die SPD (41 zu 15 Stimmen). Dies mag auch mit der zunehmenden politischen Gewalt zusammenhängen, die insbesondere Sozialdemokraten, Gewerkschaftern und der jüdischen Bevölkerung entgegenschlug. Mit der Machtübernahme am 30. Januar 1933 durch Hitler und die Nazis wurden nach und nach alle politischen Gegner ausgeschaltet. Die Gewerkschaften wurden gleichgeschaltet, Zeitungen und Verlage übernommen. Die Arbeiterorganisationen wurden durch nationalsozialistische ersetzt. Die Sozialdemokratie in den drei Hochwald-Gemeinden Neuhütten, Züsch und Damflos war mundtot.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörten die Züscher Genossen bis Mitte der 1950er Jahre zum Ortsverein Hermeskeil. 1954 führte der Ortsverein Damflos anlässlich des 40jährigen Bestehens eine Wanderung durch. Diese Tradition hatte in den 1990er Jahren einen neuen Höhepunkt: Mit den sogenannten Bildersuchfahrten, von denen sich sieben nachweisen lassen, aktivierten die Damfloser Genossen jährlich knapp 50 Teilnehmer.
Und so kam selbst der damalige Ministerpräsident Rudolf Scharping 1994 zu Besuch nach Damflos. Überhaupt nutzten die Hochwald-Genossen regelmäßig ihre Kontakte und luden sozialdemokratische Prominente ein. Der damalige Hermeskeiler Landtags- und Bundestagsabgeordnete Karl Diller war häufiger Gast. Später löste ihn Dr. Katarina Barley, die heutige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments ab. Und heute übernimmt Verena Hubertz, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion den Promi-Staffelstab und besucht regelmäßig den Hochwald.
Doch nur mit den unzähligen ehrenamtlich engagierten Kommunalpolitikerinnen und Politikern lässt sich solidarische und gerechte Politik vor Ort gestalten. Neben der beeindruckenden Liste an Bürgermeistern in Neuhütten, Züsch und Damflos waren und sind dies durchschnittlich 6-10 Menschen je Wahlperiode und Gemeinde, die für die SPD antreten und ihren Ort im Gemeinderat mitgestalten. Mit der 100-Jahr-Feier am 7. Mai 2023 möchte die SPD Neuhütten, Züsch, Damflos ihnen allen gebührend danken.
Sozialdemokratische Bürgermeister in Neuhütten, Züsch und Damflos seit 1946
| Name | Amtszeit | Gemeinde |
| Christian Lecher | 1946-1966 | Damflos |
| Edmund Moser | 1959-1974 | Züsch |
| Christian Kolling | 1971-1974 | Neuhütten |
| Palmatius Kohlhaas | 1974-2004 | Züsch |
| Alois Messerig | 1984-1989 | Damflos |
| Werner Marx | 1984-1999 | Neuhütten |
| Hermann Bernardy | 2004-2019 | Züsch |
| Joachim Wellenberg | 1999- bis heute | Damflos |
| Ulrich Frohn* | 2019- bis heute | Züsch |
*Ulrich Frohn ist für die SPD angetreten ohne Parteimitglied zu sein.
Tamara Breitbach
Foto Fahne ADAV
Die Originalfahne wurde erst 1873 in Breslau als Parteifahne geweiht. Sie ziert in der Mitte das Symbol der Arbeiter-Solidarität, die verschlungenen Hände, umgeben von einem Eichenkranz. Heute wird sie im Archiv der sozialen Demokratie in Bonn aufbewahrt. (Foto: Dominik Butzmann)
Foto RuH 1994
Rudolf Scharping, damaliger Ministerpräsident im Gespräch mit Jugendlichen aus Damflos