Letztlich verdankt der Mann es nur seiner schwierigen familiären Situation - er hat eine kleine Tochter, die an einer chronischen Krankheit leidet -, dass er nicht in den Knast muss. Denn die Tat, derentwegen er auf der Anklagebank sitzt, hat er unter laufender Bewährung begangen, was bei Gericht normalerweise „nicht gut ankommt“, um es vorsichtig auszudrücken.
Er hat ein altes Auto, das er „entsorgen“ will. Damit fährt er zuerst in Trier, wo er wohnt, zu einem Händler, aber der will das Fahrzeug nicht. Also will er es woanders versuchen und landet letztlich in Hermeskeil. In der Trierer Straße fällt er einer Polizeistreife auf, die ihn kontrolliert. Das Problem: Weder hat er eine Fahrerlaubnis noch ist das Auto versichert.
Nun sitzt er reumütig neben seiner Verteidigerin und sagt: „Das war eine dumme Sache“. Er habe an diesem Tag „den Kopf voller Stress“ gehabt. Warum man ihm vor einigen Jahren den Führerschein abgenommen hat, behauptet er nicht zu wissen und schwört Stein und Bein, dass er seinerzeit bei der fraglichen Fahrt völlig nüchtern gewesen ist. Sicher, ganz früher, bis vor drei Jahren, habe er mal Probleme mit Alkohol und Drogen gehabt, aber das sei vorbei. „Ich habe mein Leben komplett umgekrempelt“, versichert er. Er lebt in geregelten Verhältnissen, hat eine Frau und zwei Kinder und eine feste Arbeitsstelle. Sein Verdienst ermöglicht es ihm, alte Schulden in regelmäßigen Raten abzuzahlen.
Dass er früher ein anderes Leben geführt hat, ergibt sich aus dem Bundeszentralregister. Sechs Einträge gibt es da, angefangen bei Fahren ohne Fahrerlaubnis vor mehr als zehn Jahren über unerlaubten Waffenbesitz und mehrere Diebstähle in besonders schweren Fällen. Erst gab es Geldstrafen, später Freiheitsstrafen, die immer zur Bewährung ausgesetzt worden sind. Zuletzt ist er 2021 zu einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden; hier läuft die Bewährung noch bis November. Während Richterin Buchenberger aus den älteren Urteilen vorliest, erweckt der Mann den Eindruck, dass ihm das heute alles ziemlich peinlich ist. Seine Bewährungshelferin berichtet, dass der Angeklagte „in manchen Dingen vielleicht ein wenig naiv“ ist. Aber die Bewährung läuft gut, er hält regelmäßig Kontakt. Für die heute angeklagte Tat hat sie keine Erklärung. Ansonsten kann sie „nichts Schlechtes über ihn sagen“.
Der Staatsanwalt hält in Anbetracht der Vorstrafen „eine Geldstrafe nicht mehr für zielführend“ und beantragt eine Freiheitsstrafe von vier Monaten, die seiner Meinung nach im Hinblick auf das Geständnis, die Reue und die günstige Sozialprognose noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Die Verteidigerin führt noch an, dass bei der Sache kein Schaden entstanden ist. Im Hinblick auf die schwierige familiäre Situation bittet sie das Gericht um eine milde Strafe und von einem Widerruf der laufenden Bewährung abzusehen. Richterin Buchenberger folgt den Anträgen des Anklägers und betont, für die Bewährung - „Sie bekommen noch einmal eine Chance“, sagt sie - seien zwei Dinge ausschlaggebend: Rücksicht auf die familiären Verhältnisse und die Tatsache, dass die letzte Verurteilung keine „einschlägige“ Straftat betraf. Auch von einer neuen Sperre für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis sieht sie ab, damit sich der Angeklagte darum kümmern kann. Das Urteil wird sofort rechtskräftig, weil der Mann und die Staatsanwalt auf ein Rechtsmittel verzichten.