Dass rüder Umgang mit oder gar Angriffe auf Polizeibeamte und andere Einsatzkräfte keine Phänome der Neuzeit sind, zeigt eine Nachricht aus der Rhein- und Ruhrzeitung vom 29. Juli 1874, in der über eine Gerichtsverhandlung gegen einen Gastwirt aus Züsch und seinen Sohn berichtet wird (Originaltext):
Trier, 27. Juli. Ein Seitenstück von der vor einigen Monaten u. Oberemmel stattgefundenen Mißhandlung eines Gendarmen, also schon wieder ein Beispiel, wie sehr das Landvolk in neuester Zeit zur Widersetzlichkeit und Mißhandlung geneigt ist, bildete in der gestrigen Sitzung des königl. Zuchtpolizeigerichtes den Gegenstand einer Verhandlung. Nachdem am 11. Mai dieses Jahres in Züsch, Bürgermeisterei Hermeskeil, die Militär-Aushebung stattgefunden, veranstalteten die jungen Leute Abends im Wirthshause daselbst eine Tanzbelustigung. Der dort anwesende Gendarm Plätzsch aus Hermeskeil unter sagte ihnen die ohne polizeiliche Genehmigung abgehaltene Tanzmusik und erregte dadurch den Groll dieser Gesellschaft, zunächst bei dem Wirthe selbst, der durch diese Maßregel seine Einnahme beeinträchtigt glaubte, so wie auch bei den Gästen, die sich in ihrem Vergnügen nicht wollten stören lassen. Das Signal zum Angriff gab die Ehefrau des Wirthes, indem sie ihrem Sohne, einem starken jungen Manne von 17 Jahren, zurief:„Peter, zur Hülfe! der Gendarm schlägt deinen Vater todt.“ Als hierauf der Sohn kam, hatte sich der Gendarm bereits entfernt. Beide, Vater und Sohn, so wie mehrere andere Mitglieder, verfolgten ihn. Etwa 50 bis 60 Schritte von dem Wirthshause wurde hierauf Plätzsch, wie er sagt, von 5 bis 6 Männern überfallen, rücklings niedergeschlagen und der Art mißhandelt, daß er einige Zeit bewußtlos da lag. Als er wieder zum Bewußtsein kam und sich erhob, waren seine Montirungsstücke1 zerrissen, seine Orden, seine Waffen und seine Taschenuhr im Werth von 13 Thlr. abhanden gekommen. Er begab sich zum Ortsvorsteher und gelangte durch dessen Hülfe wieder in den Besitz der Orden und der Waffen,während ihm die Taschenuhr bis heute noch fehlt. Was den Thatbestand anlangt, so behauptet der Wirth, der Gendarm habe ihn zuerst geschlagen. Dadurch sehr aufgeregt, sei er ihm allerdings nachgefolgt und mit ihm handgemein geworden. Die Betheiligung seines Sohnes beschränkte sich darauf, dass dieser inzwischen hinzugekommen sei und ihn aus den Händen seines Gegners befreit habe. Letzterer versichert aber, die Behauptung des Wirthes beruhe auf Unwahrheit. Nach dem ärztlichen Befunde hat der Mißhandelte einen schweren Schlag am Hinterkopf und dadurch eine starke Verwundung der Kopfhaut erlitten. Außerdem zeigten sich im Gesicht an verschiedenen Stellen Blutunterlaufungen und andere Verwundungen, was anscheinend von Faustschlägen und Kratzen mit den Handnägeln herrührt, so daß zur Heilung der verschiedenen Verwundungen 6 bis 8 Tage erforderlich seien. Während die äußere Heilung allerdings ziemlich erfolgt ist, behauptet aber der Gendarm, er fühle sich bis heute noch im Innern des Kopfes so leidend, dass er zeitweise dienstunfähig sei und er demnach möglicherweise in Folge dieses Zustandes ganz aus dem Dienste ausscheiden müsse. Er forderte daher 600 Thlr. als Entschädigung. Der Mißhandelte hat nur einen Thäter erkannt, welcher sich aber der gerichtlichen Verfolgung durch die Flucht entzogen hat. Der Wirth und dessen Sohn wurden durch Zeugen der Thäterschaft überführt. Das königl. Landgericht verurtheilte daher jeden derselben auf Grund des § 223 des Strafgesetzbuches zu 8 Monaten Gefängniß, beide solidarisch zu den Kosten, und überläßt die Entscheidung über die qu. Entschädigung dem Civilgericht.
1 Sammelbegriff für Uniformteile