Kommentar von Bernd Backes
Da hat unser Innenminister Michael Ebling die Kommunalpolitik förmlich in Entzücken versetzt. Das kommunale Ehrenamt soll gestärkt werden, indem die Aufwandsentschädigung der Bürgermeister um 6 Prozent (!) rückwirkend ab dem 01. 01. 2023 und ab 2024 nochmals um 6 Prozent erhöht werden soll. Nur, was bringen 6 Prozent, wenn die Aufwandsentschädigung als solche lächerlich gering ist und die Arbeit dieser Frauen und Männer nicht ansatzweise würdigt. So werden in einer Gemeinde bis 1.500 Einwohner sage und schreibe 1.174 Euro brutto gezahlt, für dieses Geld machen viele Zeitgenossen keinen Finger krumm. 60 Euro im Monat mehr, noch nicht mal eine Tankfüllung, ein Treppenwitz.
Wenn in der heutigen Zeit ein ehrenamtlicher Bürgermeister seine Gemeinde zum Wohle der Bürger führen will, ist das fast ein Fulltime-Job, Erledigung der notwendigen Arbeiten nach Feierabend und neben dem eigentlichen Beruf, das war einmal, mehrere Stunden am Tag sind die Regel, weil die Arbeit abgesehen von Sitzungen tagsüber stattfindet und nicht nach 17 Uhr. Für meine Begriffe müsste die Aufwandsentschädigung nicht prozentual angehoben, sondern verdoppelt werden. Und noch etwas. Unser Innenminister kann gut Vorschläge machen, kosten tut die Erhöhung das Land RLP keinen Cent, denn die Gemeinden bezahlen die Ortschefs aus dem eigenen Haushalt, frei nach dem Motto „Von anderer Leute Leder ist gut Riemen schneiden“.
In 2024 finden Kommunalwahlen statt. Ich wage heute schon die Prognose, dass es mehr als schwierig wird, in allen Gemeinden des Landes Kandidaten für den Gemeinderat und für die Funktion des Ortsbürgermeisters zu finden, viele Orte werden erstmal ohne Bürgermeister bleiben, und da helfen auch keine 6 Prozent und warme Worte. Neben der lausigen Bezahlung haben die Bürgermeister immer mehr mit rechtlichen Problemen, wie z. B. Verträgen oder Arbeitnehmerangelegenheiten, zu kämpfen, von unverschämten Frechheiten, Sachbeschädigungen, Belästigungen zu jeder Tages- und Nachtzeit und sogar Androhung von körperlicher Gewalt ganz zu schweigen. Und wenn ein Richter in Hessen einen Bürgermeister dafür bestraft, dass er einen Dorfteich nicht eingezäunt hat und ein Kind darin ertrunken ist, wird die Sache nicht einfacher, keiner will mit einem Bein im Gefängnis stehen, Gemeinde hin oder her.
Der Kollege Reinhard Bäumler hat es vor einiger Zeit bereits in einem Kommentar angemahnt, trotzdem will ich nochmals daran erinnern. Es ist geradezu lächerlich und völlig aus der Zeit gefallen, wenn z. B. eine Stadt/Mittelzentrum wie Hermeskeil mit rd. 6.900 Einwohnern immer noch von einer ehrenamtlich tätigen Frau geleitet wird, Aufwandsentschädigung monatlich rd. 2.200 Euro. Zum Vergleich, die Bürgermeisterin der VG Thalfang (rd. 7.200 Einwohner) wird nach A 16 bezahlt, Grundgehalt ca. 7.800 Euro, plus Zulagen. Nur als Hinweis, in Baden-Württemberg haben alle Gemeinden ab 2.500 Einwohnern einen hauptamtlichen Gemeindechef. Alle Mahnungen und Anregungen in Richtung Landesregierung in Mainz sind bisher ungehört verhallt, auch Hinweise an unsere gewählten Volksvertreter haben nichts bewirkt. Will man nicht, oder kann man nicht, wo ist das Problem? In dieser Sache könnten Ministerpräsidentin Dreyer und Innenminister Ebling einmal aktiv werden, zumal beide ja selbst jahrelang Oberbürgermeister/in von Bad Kreuznach bzw. Mainz waren und mit der Materie vertraut sind. Aber auch die Kommunalpolitiker sollten in dieser Sache mehr Druck machen, denn die kommunale Selbstverwaltung wird immer mehr untergraben, schon heute sind die Damen und Herren der Kommunalaufsicht die heimlichen Herrscher über die kommunalen Finanzen, und die Sache soll, so wie man hört, noch verschärft werden, weil das Land zukünftig die Oberaufsicht ausüben will.
Hinweis: Wenn ich nur von Bürgermeistern gesprochen habe, meine ich natürlich auch die Frauen in dieser Funktion, wie z.B. Lena Weber in der Stadt Hermeskeil, Nastja Raabe-Roschlaub in Bescheid oder Petra Adams-Philippi in Beuren.