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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 22/2024
Aus der Heimatgeschichte
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Aus dem „Handbuch des Johann S.“ aus Hermeskeil

Aufzeichnungen von 1856 an über die Dauer von fast 40 Jahren – Ein Bericht von Karl Kratz in RuH Nr. 20/1988

Aus dem Nachlass eines alten Hermeskeiler Bürgers ist uns ein Notizbuch zur Einsichtnahme überlassen worden, in dem der 1831 geborene Bauer und Weber Johann S. für ihn wichtige Dinge von 1856 an fast 40 Jahre lang aufgezeichnet hat.

Da ist gleich auf der 1. Seite ein „Mittel gegen Zahnweh“ vermerkt „Man nehme einen Esslöffel Mehl, Senf, Pfeffer und Branntwein, vermenge das Ganze zu einem Teig und lege diesen (in Leinwand verpackt) auf die schmerzende Backe“. Nun muss man wissen, dass damals die Praxis des Zahnarztes in unseren Hochwalddörfem in der Regel von einem Schuster mit ausgeübt wurde. Das Zahnziehen in der Schusterwerkstatt war etwas, vor dem man sich so lange wie möglich zu drücken versuchte, bevor man sich, wenn es gar nicht mehr zu vermeiden war, in die Zahnarzt-Schuster-Praxis begab. Offensichtlich hatte Johann S. die Plage eines Zahnschmerzes erlebt und sich das „Mittel gegen Zahnweh“ notiert, das ihm vielleicht von einem Leidensgenossen empfohlen worden war.

Auf vielen weiteren Seiten des „Handbuches“ hat Johann S. seine Geldgeschäfte notiert. Als Bauer und Weber war er für die damaligen Verhältnisse ein gut situierter Mann; er hat an mehrere Mitbürger kleinere Summen, meistens in Höhe von 10 bis 30 Talern verliehen und diese in Teilbeträgen von wenigen Silbergroschen zurückerhalten, mit Zinsen versteht sich. Diese Aufzeichnungen sind akribisch geführt, war Geld bei allen Beteiligten damals eine rare Angelegenheit und die Volksbank gab es ja erst ab 1886.

Ein Taler (seit 1908 als Zahlungsmittel aus dem Verkehr gezogen) war etwa in der Tagesverdienst von Johann S., wenn er ganztägig am Webstuhl arbeitete. Zwischen den Aufzeichnungen des Geldverleihs sind dann in bunter Folge die Dinge verzeichnet, die den Alltag des Landwirts betrafen: wann eine Kuh gestiert hat, wann Kälber oder Ferkel kamen, Verkauf von Ernteerträgen, Fuhrleistungen, Steuerzahlungen, Anschaffungen aller Art, Ersteigerungen von Wiesen und Äckern sowie solcherlei Dinge mehr.

Interessant sind auch die Aufzeichnungen über das Wetter; so schreibt Johann S. über das Wetter im Jahre 1888, Beginn und Ende landwirtschaftlicher Tätigkeiten: „Das Jahr 1888 war für die Landwirte ein kurioses; es wollte nicht Frühjahr werden. Am 16. April haben wir die erste Ausfahrt gemacht, und bis weit in den Mai haben wir eingepflanzt. Zu Anfang war es sehr trocken bis zum Heumonat, und von da an bis Ausgang August übermäßig Regenwetter. Am 16. Juli haben wir angefangen zu mähen, am 10. August das letzte Heu eingefahren. Vom 15. bis 22. August haben wir Flachs gerupft. Am 21. September haben wir das letzte Korn, am 22. die letzte Hafer und am 28. den letzten Grummet eingefahren. Vom 25. Sept. bis 27. Oktober haben wir Kartoffeln ausgemacht.“

Im Jahre 1856 baute Johann S. ein Wohnhaus (nahe der ev. Kirche). Seine Aufzeichnungen über die damaligen Baupreise der Handwerker geben einen interessanten Aufschluss über das Preisgefüge, allerdings auch auf den geringen Verdienst der damaligen Bauhandwerker. So erhielten Johann Ponzlet für die Maurerarbeiten 117 Taler, der Zimmermann Theobald Wittig 40 Taler, der Fenstermacher Schmitt 32 Taler und der Steinhauer Samson 15 Taler. Für den Schieferdecker Adam Rosenkranz wurden 8 Taler und den Schreiner Matthias Weinard 6 Taler verausgabt, (zum Vergleich: ein Hilfsarbeiter bekam 80 Pf/Tag, ein Bierbrauer erhielt, ganz gleich wie der Familienstand war, 2,50 Mark pro Tag; die Arbeitszeit betrug 12 Stunden täglich). Beim Richtfest wurden 18 Pfund Fleisch und 4 Pfund Butter verbraucht; das Durstgefühl beim Bau des Hauses muss beträchtlich gewesen sein, denn eine Unmenge von Branntwein wurden in den Aufzeichnungen darüber als Ausgabe vermerkt.

In diesem Zusammenhang haben wir auch erfahren, wie damals ein Dach gedeckt wurde. Zwischen die eichenen Sparren des Daches wurde Wellholz gelegt; auf dieses wurde eine Lehmschicht gebracht, in die die Nägel aus Eichenholz, mit denen die Schieferplatten befestigt waren, getrieben wurden. Alles in allem kam das Haus auf rund 300 Taler, wobei die Steine, die auf Frau Holl gebrochen wurden, noch dazuzurechnen wären.

Die Aufzeichnungen im „Handbuch des Johann S.“, der im Jahre 1899 starb, geben einen interessanten Einblick in den Alltag unserer bäuerlichen Vorfahren von Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts.