von Hans Georg Rosar
Mit dem Pfingstsonntag endet der Osterfestkreis. Fünfzig Tage sind seit Ostern vergangen. Wörtlich übersetzt bedeutet Pfingsten (griechisch: Pentekoste) 50 Tage nach Ostern. Doch dahinter steckt mehr. Pfingsten ist der Zeitpunkt, an dem die Jünger Jesu spüren, dass eine neue Kraft in ihnen wirksam ist, eine Kraft, die Veränderungen schafft. Sie versöhnt mit Gott und auch untereinander. Sie macht aus so vielen Verschiedenen eine Gemeinde. Diese Kraft bringt Sicherheit, aber auch Unruhe.
Die Apostelgeschichte berichtet: „Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, befanden sich alle beisammen am gleichen Ort. Da entstand plötzlich vom Himmel her ein Brausen, gleich dem eines daher fahrenden gewaltigen Sturmes, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie weilten. Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten und einzeln herabsenkten auf einen jeden von ihnen. Da wurden alle vom Heiligen Geist erfüllt und fingen an in anderen Zungen zu reden, so wie der Heilige Geist ihnen eingab zu sprechen. Es hielten sich aber in Jerusalem gottesfürchtige jüdische Männer auf, aus jeglichem Volke unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen entstand, lief die Menge zusammen und wurde bestürzt, denn es hörte sie ein jeder in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich und sagten voll Verwunderung: ‚Sind nicht alle, die da reden Galiläer? Wie aber hören wir, ein jeder in unserer Sprache, in der wir geboren sind: Parther und Meder, Elamiter, Bewohner von Mesopotamien von Judäa und Kappadocien, von Pontus und Asia von Phrygien und Pamphylien, Ägypten und den Gegenden Libyens nach Cyrene hin; auch hier weilende Römer. Juden wie Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen die Großtaten Gottes verkünden‘.
Pfingsten hat seinen Ursprung im alttestamentlichen Volk Israel. 50 Tage nach dem Fest der Ungesäuerten Brote, dem Paschafest in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, wurde das erste Erntedankfest im Land Israel gefeiert. Bald galt im alten Judentum dieses Fest zugleich als Erinnerung, dass Gott den Bund mit seinem Volk am Berg Sinai erneuert hatte. Vielleicht knüpften auch die ersten Christen den Gedanken der Bundeserneuerung an dieses Fest. Durch Christus, durch seinen Geist hat Gott den Bund mit den Menschen erneuert. Die Kirche ist das neue Gottesvolk. Wahrscheinlich schon seit der Zeit der Apostel, sicher aber seit dem zweiten christlichen Jahrhundert wird 50 Tage nach Ostern das Pfingstfest gefeiert. Der Gottesdienst wurde ähnlich wie an Ostern mit Lichtfeier und Taufe gestaltet. Ursprünglich ein reines Herrenfest (Christusfest) wurde es im Laufe der Zeit zum Fest des Heiligen Geistes. War in der Urkirche mit dem Pfingstsonntag der Osterfestkreis geschlossen, so kam im Mittelalter der Brauch auf, Pfingsten acht Tage zu feiern. Pfingsten bekam also eine Oktav. Erst die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil stellte den ursprünglichen Gedanken wieder her. Der Pfingstsonntag ist der Abschluss der Osterzeit. Pfingstmontag gilt nicht mehr als kirchlicher Feiertag, ebenso wenig die Pfingstoktav.
Brauchtum um Pfingsten
Im Mittelalter wurde die Herabkunft des Heiligen Geistes als Mysterienspiel den Gläubigen bildhaft dargestellt. Beim Singen der Pfingstlieder „Komm Heiliger Geist...“, oder „Komm, du Geist der Heiligkeit...“ schwebte von der Chordecke eine hölzerne Taube hinunter auf die Altarstufen. Anfangs war es sogar eine lebende weiße Taube, die man fliegen ließ. Für das Brausen des Sturmes sorgten die Messdiener durch Blasen, Pfeifen, das Schlagen von Topfdeckeln und Rütteln an den Bänken. Die feurigen Zungen wurden durch kleine brennende Wergbündel versinnbildlicht, die man von der Empore in die staunende ehrfürchtige Gemeinde herunter regnen ließ. Später wurde dies verboten.
Früher kannte man in manchen Dörfern den „Pfingstquack“, einen dämonischen Waldgeist, den man im neu ergrünten Wald einfing und ins Dorf schleppte. Meist steckte ein junger Bursche unter den grünen Zweigen mit einer Maske aus Baumrinde vor dem Gesicht, um sich unkenntlich zu machen. In Süddeutschland heißt er „Pfingstl“, in Thüringen „Wilder Mann“ oder auch „Laubmännchen“. Die Bedeutung des Wortes „Quack“ ist nicht ganz geklärt. Es hat nichts mit dem Quaken der Frösche zu tun. Möglicherweise kommt es vom ahd. „queck“, mhd. „kek“ heute „keck“.
Der Name Pfingstquack war auch ein Spottname für jemanden, der an Pfingsten als Letzter oder zu spät kam. Auch den Langschläfer weckte man an Pfingsten mit dem Wort Pfingstquack. In Geisfeld wurde in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit einem sinnigen Vers auf die allzu menschliche Schwäche eines Mitbürgers hingewiesen. Auf einem großen Kartonschild an der Haustür desjenigen, den sie für die größte Schlafmütze des Dorfes hielten, stand zu lesen: „Hier in diesem Haus, ruht sich der Pfingstquack aus!“
Pfingsten war auch stets ein Fest der Tänze, aus einem historischen Anlass heraus, so die mittelalterlichen Schreite-Tänze und der Hammertanz der Wagnerzunft im fränkischen Bad Windsheim oder die Schäfertänze in Rothenburg ob der Tauber. Sie waren aber auch fundamentaler symbolischer Akt gegen Unheil und böse Geister im Reigentanz. Ein alter, magischer Glaube besagt, der geschlossene Kreis vermöge Böses fernzuhalten. Man tanzte um den Brunnen, damit sein Wasser genießbar blieb, um die Dorflinde als Sinnbild des wachsenden und gedeihenden Gemeinwesens oder um wechselnde Personen innerhalb des Tanzkreises und brachte damit den Unheil bannenden Charakter der dörflichen Gemeinschaft zum Ausdruck.
Auch viele Prozessionen und Umritte hatten ursprünglich denselben Sinn wie die Reigentänze. Man beschrieb einen Kreis um die Felder und Dörfer oder ging in einer Prozession um die Kirche herum. Es hat nichts genützt die alten heidnischen Tänze zu verbieten, sie sind seit Jahrhunderten fest im Brauchtumskalender der Menschen verankert. So ist Pfingsten das liebliche Fest, das immer im Mai oder Juni gefeiert wird. Der große Dichter Johann Wolfgang von Goethe hat dieses Fest als das „liebliche“ bezeichnet: „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, es grünten und blühten Feld und Wald auf Hügel und Höh´n....“
Literatur: Feste und Bräuche im Jahreskreis, 1985, Paul Pattloch Verlag, Aschaffenburg, Otzenhausener Hefte zur Heimatgeschichte, Bräuche aus dem Hochwald, Heft 22, 1988, Aus dem Hochwald, 1986, Brauchtum im Jahreskreis in Vergangenheit und Gegenwart.