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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 24/2023
Aus der Heimatgeschichte
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Wie das „Singende Tal“ zu seinem Namen kam

Der Röderbach entspringt am Erbeskopfmassiv, fließt von dort aus in westlicher Richtung und vereinigt sich in Dhronecken mit dem Thalfanger Bach; ab hier heißt das Gewässer dann „Kleine Dhron“. Der Einschnitt, den der Röderbach oberhalb der Mündung des Hohltriefbachs durchfließt, wird „Singendes Tal“ genannt. Wie dieser Name zustande kam, ergibt sich aus einem Bericht, der sich im Deutschen Zeitungsarchiv im „Hannoverschen Kurier“ und im „Leipziger Tageblatt“ vom 13. bzw. 15. Mai 1888 findet.

„Ein singendes Thal hat... im vergangenen Winter H. Reuleaux[1] gelegentlich einer Jagdpartie in der südlichen Rheinprovinz entdeckt. Es liegt zwischen dem Hochwald und dem Idarwald, westlich vom Erbeskopf, dem höchsten Berge der Reinprovinz, und südlich der Straße von Hermeskeil nach Thalfang in dem Thal des Flüßchens Röderbach. Reuleaux schildert seine Wahrnehmungen folgendermaßen:

In der tiefen Waldeinsamkeit vernahm man von Zeit zu Zeit verhallende Glockentöne, welche anscheinend durch eine Gegend des Waldes zogen, der die Gesellschaft sich näherte. Man glaubte anfangs, daß sie aus der Kirche eines nahegelegenen Dorfes erklingen müßten. Aber eine menschliche Wohnung war weit und breit nicht zu sehen. Deshalb hörte ich aufmerksamer den Tönen zu und wunderte mich über ihren auffallend reinen Klang, über das ungewöhnlich deutliche, seufzerartige Anschwellen und Verwehen, über die ungemeine Lebhaftigkeit, mit welcher ein Ton den anderen drängte, noch ehe dieser ganz verklungen war. Es war zwar nicht zu verkennen, daß die Töne sich in rascher Folge einzeln bildeten; aber diese rasche Aufeinanderfolge und die lange Dauer des einzelnen Tones bewirkte, daß immer eine Menge von Tönen in verschiedenen Stadien der Ausbildung gleichzeitig hörbar waren... Es wurde mir klar, daß die Töne unten an der Thalmündung entstanden; der günstige, thalaufwärts streichende Wind, dessen Richtung mit der Längsaxe des Thales zusammenzufallen schien, trug den Schall weiter, und durch irgend eine akustische Eigenthümlichkeit des Thales muß es geschehen, daß die Klänge gerade im oberen Theile des Thales an der jenseitigen Waldwand entlang ziehen. Der ganz merkwürdige Vorgang würde vielleicht ohne tieferen Eindruck an mir vorübergegangen sein, wenn nicht plötzlich ein ganz unerwartetes Phänomen eingetreten wäre, ein Fall der besonderen Art: Wieder beginnt unten im Thale ein Ton, er schwillt stärker und stärker an, aber er zieht nicht das jenseitige Ufer entlang, sondern das Unerhörte geschieht: er zieht nach unserer Wand hin, er kommt auf uns zu, er zieht in prächtiger Schwellung langsam an uns vorüber und entwickelt sich dabei zu solch’ eigenartiger Schönheit und Fülle, daß ich kaum zu athmen wagte; dann schwächt er sich im Weiterziehen langsam ab und erstirbt verhauchend in der Ferne!

Was die Entstehung der Töne anbelangt, so kann man darüber nur ganz unbestimmte Vermuthungen aufstellen, und die Erscheinung selbst wird dazu noch einer genaueren Untersuchung bedürfen.

Reuleaux meint, daß es sich im Röderbachthal nicht um Schallwellen handeln kann, die von einem feststehenden tönenden Gegenstande ausgehen. Daß es auch nicht der Wind war, der die Töne hervorbrachte, dafür spricht die auffallende Unabänderlichkeit der Tonhöhe, die gänzlich unabhängig von der Stärke des Tones war. Die ganze Erscheinung macht vielmehr den Eindruck, als ob der tönende Körper selbst sich vorwärtsbewege, und dieser kann nur dargestellt werden durch selbsttönende Luftgebilde, cylindrische Luftwirbel, die sich langsam durch das Thal fortbewegen.“


[1] Franz Reuleaux (* 30. September 1829 in Eschweiler-Pumpe; † 20. August 1905 in Charlottenburg bei Berlin) war ein deutscher Ingenieur, der auf vielen Gebieten des Maschinenbaus aktiv gewesen ist. Insbesondere versuchte er, die Ingenieurwissenschaft des Maschinenbaus in eine exakte Wissenschaft zu verwandeln. (wikipedia)