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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 24/2024
Aus dem Gerichtssaal
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Die „Verwechselung“ nahm ihm niemand ab

Wenn es das erste Mal gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich mit einer milderen Strafe rechnen können. Doch schon vor vielen Jahren ist dem Mann, der auf der Anklagebank sitzt, der Führerschein entzogen worden - wegen „Alkohol am Steuer“. Das hat ihn aber offenbar nicht davon abgehalten, sein Auto weiter im angetrunkenen Zustand zu benutzen. Jahre nach dem Verlust der Fahrerlaubnis ist er wieder erwischt worden. Da hat er eine saftige Geldstrafe erhalten, was ihn aber offenbar nicht beeindruckt hat. Deshalb hat das Gericht beim nächsten Mal eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Nur knapp ein Vierteljahr danach hat die Polizei ihn erneut festgehalten. Das Ergebnis der Blutprobe: fast 1,3 Promille. Nun sitzt er neben seiner Verteidigerin im Gerichtssaal und es sieht in Anbetracht der Vorstrafen und der Tatsache, dass beim letzten Mal die Bewährung vom vorherigen Verfahren noch lief, überhaupt nicht gut aus für ihn. Doch er hat eine Idee und lässt die Anwältin vortragen, dass er am fraglichen Tag überhaupt nicht gefahren sei. Er habe ja gewusst, dass er keinen Führerschein mehr habe und sein Auto sei auch gar nicht fahrbereit gewesen. Den Zeugen, die ihn angeblich gesehen hätten, sei wohl eine Verwechselung unterlaufen, denn es gebe im Dorf genau das gleiche Auto in der gleichen Farbe, das aber einer anderen Person gehöre.

Doch mit seiner Idee kommt der Angeklagte nicht weit. Der erste von zwei Zeugen kennt ihn nicht näher, nur so, wie man die Leute in einem Dorf halt kennt. Doch er ist sich zu hundert Prozent sicher, dass er genau diesen Mann gesehen hat, wie er wankenden Schritts aus der Kneipe gekommen und in sein Auto eingestiegen ist. Das stand etwa fünf Meter von ihm entfernt. Eine Verwechselung schließt er kategorisch aus, denn den Besitzer des anderen Autos kennt er auch. Er hat sich das Kennzeichen des Autos gemerkt und dieses einer zufällig vorbei kommenden Polizeistreife genannt. „Ich wusste, dass er immer wieder betrunken fährt“, erklärt der Zeuge und sagt, er könne „hundert Gelegenheiten nennen, wo der sich betrunken ans Steuer gesetzt“ habe. Er habe auch schon gehört, dass der Angeklagte keinen Führerschein mehr habe. „Kein Führerschein und Alkohol - das geht gar nicht“, entrüstet er sich. Er habe Kinder, die auch schon mal auf die Straße liefen. Der Verteidigerin gelingt es nicht, den Mann zu verunsichern und mit Detailfragen in Widersprüche zu verwickeln. Der zweite Zeuge hat den Angeklagten auch ganz eindeutig identifiziert - Verwechselung ausgeschlossen. Er hat zwar nicht gesehen, wie dieser in sein Auto gestiegen ist, aber im Vorbeifahren hat er ihn auf dem Fahrersitz erkannt. Den Besitzer des anderen Autos gleichen Typs kennt er nicht.

Eine vom Gericht bestellte Sachverständige berichtet unter anderem, dass der Angeklagte acht Tage vor der Alkoholfahrt nach einem Sturz stark alkoholisiert ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Er trinke regelmäßig Alkohol und dieser habe wegen eines früher erlittenen Schlaganfalls stärkere Wirkung bei dem Mann. Ihr Fazit: Wenn keine Verwechselung vorliege, handele es sich hier um eine „gesicherte Alkoholfahrt“, für die der Angeklagte voll verantwortlich sei.

Als es nun zu einem Rechtsgespräch zwischen Richterin, Staatsanwältin und Verteidigerin kommt, bei dem der Angeklagte und die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, ahnt man schon das Ergebnis der Verhandlung, was sich im Nachhinein bestätigen soll. Die Anklägerin hat nach den Zeugenaussagen keine Zweifel daran, dass der Mann betrunken und ohne Führerschein mit seinem Auto gefahren ist. „Das ist ein griffiger Sachverhalt, der als bewiesen angesehen werden kann“, sagt sie. Doch trotz der einschlägigen Vorstrafen und der noch laufenden Bewährung sieht sie bei den acht Monaten Freiheitsstrafe, die sie beantragt, noch die Möglichkeit, dem Angeklagten „letztmalig“ eine positive Sozialprognose auszustellen und die Strafe erneut zur Bewährung auszusetzen. Dem Mann kommt dabei zugute, dass er in geregelten Verhältnissen lebt und die gefahrene Strecke mit etwa 250 Metern nur kurz gewesen ist. Als Auflage fordert sie die Beiordnung eines Bewährungshelfers, eine Geldauflage von 1600 Euro und ein Alkoholverbot. Letzteres sieht die Verteidigerin, die immer noch „ein bisschen an den Zeugenaussagen zweifelt“, als „unangemessen“ und nicht sinnvoll an; sie bittet um ein mildes Urteil.

Richterin Buchenberger verhängt sechs Monate auf Bewährung, die Beiordnung eines Bewährungshelfers für ein Jahr und eine Geldbuße an eine gemeinnützige Einrichtung von 1500 Euro. Außerdem soll der Mann innerhalb von sechs Monaten zwei Beratungsgespräche bei der Suchtberatung nachweisen. „Normalerweise landet man im Gefängnis, wenn man unter laufender Bewährung eine einschlägige Straftat begeht“, gibt sie zu bedenken und erklärt, warum sie ihn heute nicht dort hin schickt: Der Angeklagte sei ein „älterer Mann“ und gesundheitlich angeschlagen, weshalb sie nicht glaube, „dass das eine sinnvolle Maßnahme wäre“. Auch ein Alkoholverbot findet sie nicht angemessen. Doch sie gibt dem Angeklagten einen guten Rat mit auf den Weg: Er stehe jetzt unter zwei laufenden Bewährungen, und das für drei Jahre. Wenn er sich in dieser Zeit noch einmal ans Steuer setze, müsse er für längere Zeit ins Gefängnis. „Alkohol dürfen Sie so viel trinken, wie Sie wollen, nur nicht fahren!“ schließt sie.

Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwältin akzeptieren das Urteil, das damit sofort rechtskräftig wird.