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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 25/2023
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Die Währungsreform 1948 und ihre Vorgeschichte

Die große Not in den Nachkriegsjahren – 40 Deutsche Mark für jeden Bürger

Fast auf den Tag genau vor 75 Jahren wurde - noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland - in den westlichen Besatzungszonen die Deutsche Mark eingeführt. Es war ein harter währungspolitischer Schritt, von dem damals niemand mit Sicherheit sagen konnte, wie das „Unternehmen Währungsreform“ sich entwickeln werde. Als Zeitzeuge erinnerte sich Karl Kratz (1919-2011), RuH-Gründungs- und langjähriges Redaktionsmitglied, aus Anlass des 50. Geburtstags der D-Mark in RuH Nr. 26/1998.

Am 8. Mai 1945 war der fünf Jahre und acht Monate dauernde Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen. Millionen von Soldaten und Zivilisten hatten ihr Leben verloren[1], unendliches Leid hatte sich nicht nur über Deutschland und weitere Länder Europas, sondern in zahlreichen Staaten der gesamten Welt ausgebreitet. Das war, so Kratz, „die Bilanz des von Hitler und seinen Vasallen angezettelten sinnlosen Krieges“.

Sieger und Besiegte

In der ersten Zeit bekam auch die Hochwaldbevölkerung, die schon in den letzten Kriegsmonaten unter alliierten Luft- und Artillerieangriffen sehr gelitten hatte[2], die harte Hand der Siegermächte zu spüren. Rüde militärische Befehle unter Androhung der Todesstrafe bei Nichtbeachtung und willkürliche Anweisungen der Besatzungsmacht bestimmten wie schon nach dem ersten Weltkrieg das Alltagsgeschehen der verunsicherten Bevölkerung. Dazu kamen die allgemeine wirtschaftliche Not und die psychische Belastung der Familien, vor allem der Frauen und Mütter, die um ihre Männer und Söhne in der Kriegsgefangenschaft bangten oder die Ungewissheit darüber aushalten mussten, ob ihre vermissten Angehörigen überhaupt noch am Leben waren.

Ein ernst zu nehmendes Problem stellte die Wohnungsnot dar. In Hermeskeil war z.B. fast ein Fünftel (rund 18 %) des vor dem Krieg vorhandenen Wohnungsbestandes zerstört bzw. unbewohnbar. Hinzu kam, dass die Besatzungsmacht zahlreiche Wohnungen samt Inventar für die Familien der Soldaten beschlagnahmt hatte. Die Verkehrsinfrastruktur war zum Teil nicht mehr vorhanden oder zumindest stark eingeschränkt, die Bahnverbindungen unterbrochen, Brücken zerstört, für Busse und Lkw gab es keinen Treibstoff. Sogar ein Fahrrad durfte nur mit einer von der französischen Kommandantur abgestempelten Fahrrad-Genehmigung benutzt werden. Telefongespräche wurden überwacht; sie waren ohnehin nur innerhalb des Ortsnetzes zugelassen.

Nun ergoss sich aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten ein Millionenstrom von Flüchtlingen und Vertriebenen, die - nur mit dem Nötigsten versehen - gezwungen worden waren, ihre Heimat zu verlassen, über ganz Deutschland. Es waren Menschen ohne Obdach, ohne Arbeit, ohne zu wissen, wie es weitergehen sollte in einem Land, in dem Großstädte weitgehend zerstört und Industrieanlagen demontiert worden waren.

Die gewaltigen Flüchtlingsmassen mussten innerhalb der vier Besatzungszonen verteilt und integriert werden. Mit gut 3,3 Millionen Menschen kam der größte Anteil deutscher Flüchtlinge und Vertriebener aus Schlesien, gefolgt von 2,9 Millionen Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei, zwei Millionen Ostpreußen und mehr als zwei Millionen Deutschen aus der Kurmark, Brandenburg und Pommern.[3]

Knappe Lebensmittel

Das größte Problem war die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Die prekäre Lage in der französischen Besatzungszone war vor allem darauf zurückzuführen, dass die Besatzungsmacht aus deutschen Lebensmittelbeständen und laufenden, unterdurchschnittlichen Ernten mitversorgt werden musste. Die Franzosen bestanden rigoros auf den deutschen Lieferungen, unabhängig von der Marktlage.

Im Jahre 1947 z.B. war die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung mit weniger als 1000 Kalorien pro Person und Tag völlig unzureichend. In ländlichen Regionen wie unseren Hochwalddörfern konnten sich die sogenannten Normalverbraucher (= Nichtlandwirte) immerhin durch die Neuanlage von Gärten und durch Kleintierzucht zu einem Minimum an Eigenversorgung verhelfen und durch Mitarbeit bei Bauern (= Selbstversorger) gegen Entlohnung mit Lebensmitteln ein „Zubrot“ verschaffen. Auch wurden wie stets in früheren Notzeiten wieder Bucheckern zur Ölgewinnung gesammelt und die abgeernteten Felder im Herbst nach verbliebenen Ähren abgesucht.

Das Geldwesen war völlig zerrüttet

Die Nationalsozialisten hatten 400 Milliarden Schulden hinterlassen. Der Wert der Reichsmark sank immer tiefer, der Schwarzhandel blühte, Zigaretten wurden eine Art Ersatzwährung. Wer Wertgegenstände oder begehrte Gebrauchsgüter besaß oder gar über amerikanische Zigaretten (z.B. „Lucky Strike“ oder „Camel“) verfügte, konnte sie auf dem schwarzen Markt umsetzen bzw. gegen Lebensmittel oder andere Dinge tauschen. Auf diesem „freien Markt“ kostete 1947 z.B. ein Ei 12 Reichsmark, ein Kilo Kaffee wurde mit 1.100 Reichsmark gehandelt.

Die Bauern waren strengen Ablieferungskontrollen unterworfen. Trotzdem gab es seitens der „Normalverbraucher“ häufig den Vorwurf, dass die Landwirte aus der Lebensmittelnot durch rigorose Tauschbedingungen überhöhte Gewinne erzielten. Dass an diesem Vorwurf etwas dran war, zeigt sich in einer Zeitungsmeldung vom 22. August 1947[4]. Es kursierte das geflügelte Wort vom „Teppich im Kuhstall“.

Zu Hunderten kamen, vor allem an den Wochenenden, unsere Landsleute aus dem Saargebiet in die Hochwalddörfer, um Lebensmittel gegen Waren aller Art einzutauschen. Diese „Hamsterfahrten“ wurden am 22. Dezember 1946 dadurch erschwert, dass die Franzosen zwischen dem von ihnen beanspruchten Saargebiet und der übrigen französischen Besatzungszone eine Zollgrenze errichteten. An der Nonnweilerer Straße[5] (nahe der heutigen Tankstelle) wurde ein Straßenzollamt errichtet[6]. Zur Begründung hieß es von französischer Seite, man müsse verhindern, dass die von Frankreich zusätzlich in das Saargebiet gelieferten Lebensmittel weitertransportiert würden[7].

Im Laufe der Jahre hat sich dann das Verhältnis zwischen der Besatzungsmacht und der deutschen Bevölkerung entspannt, nicht zuletzt, weil die Militärregierung allmählich einen Teil ihrer Befugnisse auf deutsche Verwaltungsdienststellen übertragen hatte.

Und dann kam der 20. Juni 1948

In den drei westlichen Besatzungszonen wurde an diesem Tag - initiiert durch die Besatzungsmächte und in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsamt unter Ludwig Erhard geplant und organisiert - eine „Währungsreform“ durchgeführt. Neues Zahlungsmittel wurde die Deutsche Mark (DM). Die am 1. März gegründete Bank Deutscher Länder hatte das Notenausgaberecht. Jeder Deutsche erhielt zunächst 40 DM gegen Abgabe von 60 Reichsmark; weitere 20 DM wurden im August ausgezahlt. Arbeitgeber erhielten einen Kredit in Höhe von 60 DM für jeden Beschäftigten. Die Spareinlagen und Reichsmarkguthaben wurden im Verhältnis 100 zu 6,5 abgewertet; das Gleiche galt für Hypotheken und Kredite[8]. Arbeitseinkommen, Renten, Mieten und weitere Zahlungsverpflichtungen wurden im Verhältnis 1:1 umgestellt.

Schon am Tag der Währungsreform waren die Schaufenster der Läden mit Verbrauchsgütern gefüllt, die die Geschäftsleute schon eine Zeitlang zurückgehalten hatten. Karl Kratz schreibt weiter: „Erhard war es auch, der sich gegen die Besatzungsmächte durchsetzte und das Ende der Zwangswirtschaft und Rationierung erklärte. Damit waren wesentliche Voraussetzungen für die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft geschaffen. Die Erfolgsstory der Deutschen Mark hatte begonnen, die DM wurde zu einer der stabilsten Währungen der Welt und die von Ludwig Erhard eingeleitete Soziale Marktwirtschaft bewirkte das ‚Deutsche Wirtschaftswunder‘ in den 1950er und -60er Jahren.“

Doch an ihrem 50. Geburtstag stand bereits fest, dass die Deutsche Mark bald Geschichte sein würde. Zum 1.1.1999 wurde der Euro - zunächst nur im bargeldlosen Zahlungsverkehr - parallel eingeführt. Und mit der allgemeinen Einführung des Euro auch als Bargeld zum 1.1.2002 wurde die Währungsunion mit einem Großteil der übrigen EU-Länder vollzogen. (WIL-)


[1] Die Gesamtzahl lässt sich nur schätzen. Für die durch direkte Kriegseinwirkung Getöteten werden Schätzungen von 60 bis 65 Millionen angegeben. Die Schätzungen, die Verbrechen und Kriegsfolgen einbeziehen, reichen bis zu 80 Millionen (wikipedia).

[2] Eine umfangreiche, ebenso eindrucksvolle wie bedrückende Darstellung dieser Zeit veröffentlichte RuH unter dem Titel „Vor 75 Jahren: Als die Kriegswalze den Hochwald überrollte“ in mehreren Folgen in den Ausgaben 11, 12 und 13/2000. Der Bericht stammte ursprünglich von dem Zeitzeugen und späteren Standesbeamten Hans Scherer (1927-2017).

[3] Flucht und Vertreibung – Flüchtlingsströme (planet-wissen.de)

[4] Im „Badener Tagesblatt“ gab z.B. die Militärregierung am 22. August 1947 bekannt, dass in fünf Dörfern des Amtes Hermeskeil Sanktionen verhängt worden seien. Der Grund dafür war, dass Bestände an Kartoffeln, zu deren Lagerung bis auf Abruf die Bauern sich schriftlich verpflichtet hatten, nicht mehr vorhanden waren, als sie abgeholt werden sollten. Diese sollten der Versorgung der Stadt Trier dienen und waren stattdessen in den Schwarzhandel geflossen. Die Zeitung schreibt: „Die Militärregierung teilt ausdrücklich mit, daß durch die Sanktionen ein Exempel statuiert werden soll.“ Die Sanktionen bestanden in der Beschlagnahme alles dessen, was - aus Sicht der Besatzer - für den Betrieb der Höfe nicht unerlässlich war: Vieh, Geflügel, Getreide, Kartoffeln usw.

[5] heute Saarstraße

[6] Der Begriff „Amt“ dürfte stark übertrieben sein. In der Facebook-Gruppe „Hermeskeil... von Damals bis Heute“ schrieb ein Nutzer, der es wohl noch gesehen hat, vor einiger Zeit: „Gegenüber vom alten Römerhaus war ein Holzhaus (bessere Bude), da hat der deutsche Zoll Personenkontrollen durchgeführt.“

[7] Die Errichtung der Zollgrenze hatte zur Folge, dass ab diesem Zeitpunkt der Schmuggel von Waren aller Art „zwischen Hochwald Nord und Hochwald Süd“ aufblühte. Selbst mit „Kleinigkeiten“ wie z.B. Zigarettenpapier (zum Selbstdrehen von Zigaretten) waren gute Geschäfte zu machen, wie sich aus einer Zeitungsmeldung aus dem Jahr 1950 ergibt, die Sie demnächst in RuH lesen werden.

[8] Die durch die Abwertung der Verbindlichkeiten entstandenen Gewinne wurden durch das Lastenausgleichsgesetz vom 14. August 1952 (LAG) in Form einer „Hypothekengewinnabgabe“ und einer „Kreditgewinnabgabe“ in jährlichen Raten abgeschöpft. Diejenigen, denen erhebliches Vermögen, insbesondere in Form von Immobilien, verblieben war, hatten nach dem LAG eine laufende „Vermögensabgabe“ zu entrichten. Das LAG hatte zum Ziel, Deutschen, die infolge des Krieges und seiner Nachwirkungen Vermögensschäden oder besondere andere Nachteile erlitten hatten, eine finanzielle Entschädigung zu gewähren. Die größte Gruppe der durch den Krieg Geschädigten bildeten die Vertriebenen. (wikipedia)