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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 3/2023
Aus dem Gerichtssaal
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Überraschende Wendung in der Verhandlung

Drei Männer syrischer Abstammung sitzen auf der Anklagebank. Sie sollen Ende August 2021 oberhalb der Tankstelle am Stadteingang gemeinschaftlich zwei andere geprügelt und getreten haben, wobei zumindest eines der Opfer schwere Verletzungen erlitten haben soll, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Der Vorwurf: schwere Körperverletzung. Doch im Gerichtssaal sind sich die drei einig: Sie wissen zwar etwas von einer verbalen Auseinandersetzung, nachdem die Opfer einen Vierten provoziert hätten, aber bei einer Schlägerei waren sie angeblich nicht dabei und haben davon auch nichts mitbekommen. Bei dieser Behauptung bleiben sie auch standhaft, nachdem ihnen Richterin Buchenberger ihre anderslautenden Aussagen in ihren Vernehmungen durch die Polizei vorhält. Ein Angeklagter erklärt, der Dolmetscher, der bei der Vernehmung dabei gewesen sei, habe einen fürchterlichen Akzent gehabt, sodass er ihn fast nicht verstanden habe. Er wisse deshalb auch nicht, was der dem vernehmenden Beamten gesagt habe.

Einer der drei ist zusätzlich angeklagt, weil er im Auftrag des Vierten die polizeiliche Vernehmung heimlich mit seinem Handy aufgenommen und die Aufnahme an den Vierten weitergegeben hat. Das kann er nicht bestreiten, behauptet aber, er habe nicht gewusst, dass das verboten sei. Alle Beteiligten lebten zur Tatzeit in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in der ehemaligen Hochwaldkaserne. Inzwischen haben sie ein Aufenthaltsrecht und wohnen in verschiedenen Orten, zum Teil weiter weg von Hermeskeil.

Die Schilderung eines der Opfer, das als Nebenkläger auftritt und als Zeuge aussagt, hört sich ganz anders an. Er und sein Begleiter, die beide auch aus dem arabischen Sprachraum stammen, seien Atheisten und lebten offen als Paar zusammen, erklärt er. Die Angeklagten seien ihnen gegenüber wohl deshalb schon in der AfA immer sehr aggressiv („angetigert“ übersetzt der Dolmetscher wörtlich) gewesen. Als sie am fraglichen Tag oberhalb der Tankstelle an der Gruppe vorbeigekommen seien, hätten diese „sexuelle Geräusche von sich gegeben“. Er habe sich bedroht gefühlt und zu Beweiszwecken die Videoaufnahme auf seinem Handy gestartet, woraufhin es zum Streit gekommen sei. Einer habe versucht, ihm das Handy abzunehmen, er habe es festgehalten und sei daraufhin ins Gesicht geschlagen worden, bis seine Nase gebrochen und er zu Boden gegangen sei. Die Angeklagten hätten ihn weiter geschlagen und getreten, auch gegen den Kopf. Einer von ihnen habe ihn festgehalten und ihm 400 Euro aus der Jackentasche entwendet, ein anderer seine teure Armbanduhr abgerissen und gestohlen. Das sei für ihn eine Wertanlage gewesen, die er in Dubai, wo er einmal gearbeitet habe, für 12.000 Dirham (Anm.: nach derzeitigem Stand 3.000 Euro) gekauft habe. Einer aus der Gruppe habe auch seinen Begleiter geschlagen und versucht, mit einem Messer auf diesen einzustechen, führt der Mann weiter aus.

Die Erinnerung an das Geschehen - „Ich habe geglaubt, dass ich sterben muss“ – nimmt den Zeugen, der sichtlich aufgewühlt ist und sich nach seinen Angaben in psychologischer Behandlung befindet, auch nach anderthalb Jahren noch merklich mit, so sehr, dass er bittet, den Saal verlassen zu dürfen.

Richterin Buchenberger unterbricht nun die Verhandlung, denn aus der Aussage ergibt sich für das Gericht ein Problem. Der Staatsanwalt, der die Anklage vertritt, versucht seine Kollegin, die die Sache bearbeitet hat, zu erreichen, was aber nicht gelingt. Zwischen den Juristen ergibt sich eine kurze Diskussion mit dem Ergebnis, dass das Gericht die Hauptverhandlung aussetzt. Nach der Zeugenaussage, dass ein Messer verwendet und Geld und eine Uhr gestohlen wurden, besteht der Verdacht des schweren Raubes, erklärt Richterin Buchenberger. Dafür ist dann nicht mehr das Amtsgericht, sondern das Landgericht zuständig.