Die heutige Gemeinde Grimburg trägt diesen Namen - geschichtlich gesehen - noch nicht allzu lange. Erst durch Erlass des Staatsministeriums vom 30. September 1932 ist der Name der „Landgemeinde Sauscheid, Kreis Trier, Regierungsbezirk Trier“, in „Grimburg“ geändert worden, wie die Kölnische Zeitung am 12. Oktober 1932 meldete. Zuvor trug der Ort jahrhundertelang den alten Namen. Urkundlich erwähnt ist er als „Suirscheit“ (1467), was so viel wie „Walddorf im Süden“ bedeutet1. Denn der Ort lag - wie die Grimburg - an der südlichen Grenze des Erzstifts Trier zur Herrschaft Dagstuhl. Die Schreibweise „Sauscheid“ taucht erstmals in der Steuerliste 1663 auf.2
In Hochwälder Mundart wurde der Ort „Sauschet“ oder „Sauschd“ genannt, seine Einwohner waren bis 1932 die „Sauschder“ oder „Sauscheter“. Dass ihnen das irgendwann nicht mehr gefiel, mutmaßte die Bergische Wacht, ebenfalls am 12. Oktober 1932, als sie schrieb:
Nicht mehr „Sauscheid“, sondern Grimberg3.
Im Trierischen gibt, oder vielmehr gab es eine Ortschaft Sauscheid. Der Name kränkte selbstverständlich die Bewohner dieser Gemeinde heftig und sie haben es, um den Anzüglichkeiten ihrer Nachbarn zu entgehen, durchgesetzt, daß der Ort nunmehr Grimberg heißt. Aber wenn man weiß, wie lange sich Spitz- und alte Ortsnamen erhalten, so wird man wohl sagen dürfen, daß erst die Urenkel der bisherigen „Sauscheider“ von der Namensänderung Vorteil haben.
Die Kölnische Zeitung hegte ebenfalls diese Vermutung und schrieb am 20. Juli 1935: „Die stolzen Dörfler waren mit dieser Ortsbezeichnung nicht zufrieden und ließen ihr Dorf umtaufen und nach der Ruine Grimburg benennen, die auf einem Bergrücken ihm gegenüber liegt.“45
Der Ortsname Sauscheid ist aber bis heute nicht in Vergessenheit geraten. Eine meiner Großmütter war dort 1897 geboren. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie bis zu ihrem Tod 1965 jemals das Wort Grimburg in den Mund genommen hätte. Auch meine Mutter sprach noch immer von Sauscheid und nicht von Grimburg. Mir sind auch einige ältere Hochwälder bekannt, die die Grimburger heute noch Sauschder nennen. Nicht zuletzt lebt der alte Ortsname weiter im Namen des örtlichen Karnevalsvereins, der sich bekanntlich „Sauschder Burgbohzen“ nennt.
In einer alten Zeitung finden sich zwei Nachrichten aus Sauscheid, die ins Auge fallen:
Rhein- und Ruhrzeitung vom 15. Mai 1879
Hermeskeil, 10. Mai [Erschossen] Gestern durchlief die Kunde unsere Bürgermeisterei, daß auf dem Revier des Hrn. Förster Hofrichter zu Kell ein Mann todt aufgefunden worden sei, an welchem man eine Schußwunde bemerkt habe, die augenscheinlich von dritter Hand herrühre. Das Dunkel sollte indeß bald gelüftet werden: von dem genannten Förster lief die Anzeige ein, daß er in der Nacht vom 9. bis 10. den als Wilddieb bekannten Mathias Regert6 aus Sauscheid erschossen habe. Die Einzelheiten müssen, da sofort die Untersuchung eingeleitet worden ist, zur Zeit noch der Veröffentlichung vorenthalten bleiben.
Schon am darauf folgenden Tag weiß die Zeitung mehr:
Hermeskeil, 13. Mai. [Ueber die Tödtung eines Wilddiebs durch einen Förster] wird von anderer Seite noch gemeldet: „Die männlichen Bewohner von Sauscheid, von wo auch der erschossene Matthias Reget gebürtig ist, sind von Alters her als Wilddiebe bekannt. In der Regel streifen sie in Trupps von 3 bis 6, meistens gut bewaffnet, in den Waldungen, um ihrem verbrecherischen Handwerk nachzugeben, so daß die dortigen Forstbeamten seit Jahren einen sehr schweren Stand haben. So ist auch der Förster Hofrichter vor mehreren Jahren einmal so arg zugerichtet worden, daß er lange Zeit die Spuren der erhaltenen Verletzungen mit sich herumgetragen hat. Auch in der Nacht vom 9. zum 10. ds., in welcher der verhängnißvolle Schuß gefallen, ist der Erschossene augenscheinlich nicht ohne Begleitung gewesen. In Folge der erlittenen schweren Verletzung und des starken Blutverlustes ist derselbe nicht im Stande gewesen, sich mehr als etwa 100 Schritte weit fortzuschleppen, während sein Leichnam fast eine Stunde von dem Orte entfernt, wo er den Schuß in das Rückgrat erhalten hat, aufgefunden worden ist. Offenbar sind es auch die Begleiter gewesen, welche das Gewehr, mit dem der Erschossene auf den Förster Hofrichter angelegt hatte, bei Seite geschafft haben. Der Erschossene hat sich, als er den als sicheren Schützen bekannten Forster anlegen und feuern sah, gebückt zur Flucht wenden wollen. Wenigstens läßt sich nur so der Schuß in den Rücken erklären.
Dass er mit dem Satz „… von Alters her als Wilddiebe bekannt“ die gesamte männliche Bevölkerung des Dorfes diffamiert, ist dem Schreiber offenbar überhaupt nicht bewusst gewesen. Vermutlich hat er - worauf der einleitende Satz hindeutet - die persönliche Meinung eines Informanten wiedergegeben. Und dass Menschen im Hochwald in früheren Zeiten nicht „aus Spaß an der Freud“, sondern oft aus nackter Not auf die (illegale) Jagd gingen, scheint ihn auch wenig interessiert zu haben.
Matthias Reget hinterließ außer seiner 29-jährigen Witwe vier minderjährige Kinder, von denen das älteste acht und das jüngste zwei Jahre alt war7. (WIL-)
1 wikipedia (Suchbegriff „Sauscheid“)
2 s. FN 1
3 Man beachte den Fehler: Offenbar weil er es nicht besser wusste, schrieb der Autor Grimberg statt Grimburg. Das Bergische Land ist halt weit vom Hochwald entfernt...
4 „Streifzüge durch Hunsrück und Hochwald - Besonderheiten der Gebirgslandschaft zwischen Rhein, Mosel, Nahe und Saar“
5 Mitteilung von Dittmar Lauer (13.01.2024): In der Sitzung der Gemeinde Sauscheid vom 22. Dezember 1929 wurde erstmals über die Umänderung des Ortsnamens verhandelt. Im Wortlaut: „Der Gemeinderat stimmt, wenn keine besonderen Kosten entstehen, der Umänderung des Ortsnamens Sauscheid in den Ortsnamen Grimburg zu.“ Nach Auskunft des damaligen Ortsvorstehers Weber weniger wegen des vermuteten anrüchigen Namens, sondern wegen ständiger postalischer Verwechslung mit der Eifelgemeinde Lauscheid sah man sich zur Namensänderung veranlässt.
6 Matthias Reget (nicht Regert), geboren 1839 in Sauscheid
7 Familienbuch Standesamt Hermeskeil von Heribert Scholer