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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 3/2025
Aus der Heimatgeschichte
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Und doch ist ein guter Kern in dem Volke

Fortsetzung aus RuH Nr. 50/2024)

Im vorigen Abschnitt des Artikels aus der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1883 entwarf der Verfasser ein anschauliches Bild des Elends in den Hüttendörfern des Hochwalds am Beispiel von Damflos. Die Auswirkungen der prekären Wohn- und Lebensverhältnisse schildert er im Folgenden:

Ich traf in dem genannten Orte bei meinem Rundgang auf etwa 30 Kranke, darunter waren - was wohlthuend auffiel - nur wenige Kinder, überhaupt waren die Kinder gut genährt, die Elternliebe scheint doch das mächtigste menschliche Gefühl zu sein; dagegen war es niederschlagend, daß eine ganze Reihe erwachsener, stark und schön gebauter Männer an unverkennbarem Siechtum litt. Der Arzt in Hermeskeil, der die Leute in Armenpflege behandelt, versicherte mir, daß allein in Dammfloß 19 Erwachsene an Schwindsucht litten, die er nur auf Nahrungslosigkeit, verbunden mit Ueberanstrengung (durch die der Brust so nachteilige Holzarbeit in dumpfer Zimmerluft) zurückführen könne.

Daß bei solcher Lebensweise, wie ich sie kurz angedeutet habe, die wesentlich auf dem Waldfrevel, etwas Hausarbeit und dem Handel im Umherziehen beruht, die Religiosität nicht gefördert und das Kirchengehen nicht zur Leidenschaft wird, ist begreiflich; daß auch Sittlichkeit und Wohlgezogenheit bei alt und jung zu wünschen lassen, versteht sich; auch darüber wird man sich nicht wundern dürfen, daß mancher Hinsiechende, der verzweifelnd erkennt, wie er dem Schicksal verfallen sei und seine Familie Gott und dem Zufall bald überlassen werden müsse, zur Schnapsflasche greift und die wenigen so sauer erarbeiteten Groschen vertrinkt und sich und die Familie immer tiefer hinabbringt; - leben diese Menschen ja doch in gewissem Sinne von der bessern Classe ausgestoßen auf einen Haufen zusammengepfercht und haben für die übrige Welt, Menschen und deren Eigentum, wenig Achtung, weil sie wenig Liebe und Nutzen von ihnen genießen. Und doch ist ein guter Kern in dem Volke, Arbeitsamkeit, hohe Intelligenz und große, unverkennbare Liebe zu den Kindern.

Wenn auch die Hülfe für die Hochwald-Colonieen um Hermeskeil und Züsch eine gründliche nur sein kann, wenn sie die Ursachen des Zurückbleibens derselben in materieller und sittlicher Hinsicht hinwegräumt und das tüchtige Menschenmaterial regelmäßiger, lohnender und geordneter Beschäftigung zuführt - eine Arbeit, die lange Jahre. und außergewöhnliche Mittel erfordert -, so ist doch keinen Augenblick zu zögern, um die das Schlimmste leidenden Menschen vor dem Hunger zu retten, dem Umsichgreifen des Hungersiechtums Einhalt zu thun.

Vieles ist geschehen - wovon noch die Rede sein soll -, aber bei weitem nicht genug. Engherzigkeit aber wäre hier ein großer Fehler. Weil beispielsweise die Dammfloßer einmal ihrem sonstigen Collegen, dem Gemeindevorsteher, die Fenster einschlugen, weil er sich ihres schlechten Betragens wegen nicht so warm für ihre Unterstützung verwandte, wie sie es zu verdienen glaubten, so darf man sie darum nun nicht einfach hungern und sterben lassen. Als ich in einer andern Colonie nach dem Gemeindevorsteher fragte, antwortete man, er sei „auf dem Handel“; auch soll mancher Gemeindevorsteher mit „in den Wald gehen“. Also gar so tragisch möge man es nicht nehmen, wenn hier einmal die Achtung vor der in der Person des Gemeindevorstehers verkörperten Obrigkeit verletzt wird. Jedenfalls stille man zuerst den Hunger und predige und bessere dann die Sitten. Aber statt Brot den Leuten Predigten zu geben, das wäre verkehrt; ein solches Verfahren stillt den Hunger nicht und bessert die Sitten noch viel weniger; - die Andeutung genüge. Wer die Colonisten in ihren Hütten besucht und sie in ihrem Thun und Treiben, in ihrer Gemütsart und Geistesanlage beobachtet hat, der wird gewiß seine Hand aufgethan haben, um, so viel er konnte, dem Würgengel des Hungers Einhalt zu thun, und er wird sicherlich gern für die viel und meist zu Unrecht verrufenen armen Hochwaldcolonieen um Unterstützung werben, wo und wie er nur kann.

(wird fortgesetzt)