Die letzten von der Hermeskeiler Brauerei verbliebenen Gebäude an der Saarstraße wurden 1991 abgerissen. Vielen älteren Hermeskeilern dürfte dieses Bild noch in Erinnerung sein.
Die letzten Teile der alten Brauerei-Gebäude an der Saarstraße/Zur Hild1 in Hermeskeil fielen im September 1991 der Abrissbirne zum Opfer. Wo zuvor mächtige Backsteinbauten nicht nur die Häuser der Umgebung noch überragten, sondern auch ganz wesentlich das Bild des Stadtteils „Berg“ bestimmten, war eine Zeitlang nur eine hässliche Baulücke zu sehen. Heute stehen dort ansehnliche Wohnhäuser. Für und Wider des Abbruchs der Brauerei-Gebäude soll in dem folgenden Beitrag nicht erörtert werden, vielmehr wollen wir nacherzählen, was es mit der „alten Brauerei“, wie die Gebäude im Volksmund genannt wurden, für eine Bewandtnis hatte.
Gutsbesitzer Heinrich Weber, 1826 in Züsch geboren und ein Neffe von Maximilian Pasterts, dem letzten Betreiber des Züscher Hammers (s. RuH Nr. 18/2022), betrieb kurz vor der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert in dem Anbau zu dem Wohnhaus der Familie Weber eine kleine Brauerei, die sein Sohn Hugo Weber (1858-1941) erweiterte und für die er neue Gebäude an der Straße „Zur Hild“ bauen ließ. Die Einweihung des großen, aus Backsteinen errichteten Brauhauses erfolgte im Jahre 1901. Ein Braumeister namens Bergwein, von den Hermeskeilern „Moses“ genannt und zwei oder drei Brauer, die aus Bayern kamen, übernahmen das Brauen des Bieres. Malz und Hopfen wurden mit der Bahn nach Hermeskeil gebracht. Das gebraute Bier lagerte in 20 hl oder 10 hl-Fässern in den großen Gär- und Lagerkellern der Brauerei bis zur „Reife“. Es wurde auch in Flaschen abgefüllt. Brauereieigene Pferdewagen brachten das Bier in die Gastwirtschaften von Hermeskeil und in die Dörfer der Umgebung bis in den Morbacher Raum. Für bestimmte Festtage wurde auch dunkles Bier gebraut.
Der Unternehmer Hugo Weber ließ fünf Weiher anlegen, einen im „Spennich Ecken“, einen in Hinzert und drei auf seinem Weidegelände im „Bruch“2, auf denen sich im Winter eine dicke Eisdecke bildete. Das Eis wurde in Blöcke zerlegt, an Land gezogen und auf Pferdewagen gepackt. So wanderte es in tiefe geräumige Eiskeller, in denen die Eismassen zusammenfroren. Während des Sommers wurde das Eis abgehauen und in Blöcken an die Gastwirte mit dem Bier geliefert, so dass auf diese Weise immer für eine „kühles Helles“ gesorgt war.
Man ist versucht, von den guten alten Zeiten zu reden, wenn man den Preis für eine Flasche Bier hört. Sie kostete „damals“, d.h. vor dem 1. Weltkrieg, 15 bis 20 Pfennige und war zudem noch größer als heute. Wenn man dann aber erfährt, was ein Brauer oder ein Hilfsarbeiter verdiente, sieht das Bild anders aus. Ein Brauer verdiente, ganz gleich, wie sein Familienstand war, 2,50 Mark pro Tag, das ergab einen Monatslohn von rund 70 Mark. Ein junger Hilfsarbeiter bekam 80 Pfennige pro Tag. Das waren die ortsüblichen Löhne der damaligen Zeit hier auf dem Hochwald.
Die Bierbrauerei muss einen guten Umsatz gehabt haben, denn Hugo Weber konnte schon nach wenigen Jahren eine Schnapsbrennerei hinzufügen. Er errichtete sie an der Ecke Saarstraße/Zur Hild, wo vorher ein Wohnhaus der Familie Stüber gestanden hatte, das er erwarb und abreißen ließ. In der Brennerei wurden vor allem Kartoffeln, weniger auch Korn, zu Schnaps gebrannt. Zeitgenossen berichteten, dass der Brennkessel so groß war, dass er von 12 Pferden vom Bahnhof bis zur Brennerei gezogen werden musste. Immerhin hatte die Brennerei eine Kapazität von rund 200 hl und war die größte Kartoffelbrennerei im Rheinland. Nicht nur Kartoffeln und Korn aus der Ernte des Gutes, das der Familie Weber gehörte, wurden hier gebrannt; aus der ganzen Umgebung brachten die Bauern die Überschüsse aus ihren Kartoffelernten hierher. Der Zentner kostete damals 60 bis 70 Pfennige.
In dem Gebäude der Brennerei betrieb der Unternehmer Hugo Weber auch eine kleine Molkerei. Die notwendigen Wasser- und Energiemengen wurden in eigenen Anlagen bereitgestellt. Das Wasserwerk war bis vor wenigen Jahren noch in Betrieb, und auf dem Gelände befand sich ein 52 m tiefer Brunnen, der das Kühlwasser für das Kühlen des Bieres während des Brauvorgangs lieferte. Die Stromerzeugungsanlage lieferte nicht nur die Energie für die familieneigenen Unternehmen, sie belieferte bis nach dem Ende des ersten Weltkrieges ganz Hermeskeil mit Elektrizität.
Eine entscheidende Einbuße an Gerätschaften, von der sie sich nie wieder erholte, erlitt die Brauerei im Ersten Weltkrieg. Die großen Brau- und Brennkessel und alle anderen Geräte, die aus Kupfer waren, mussten zum Einschmelzen im Rahmen der Waffenherstellung abgeliefert werden. So konnte die Firma nach Kriegsende den Braubetrieb nicht wieder aufnehmen und verkaufte 1920 die Braurechte an die Brauerei Caspary in Trier.
Das Gebäude der Schnapsbrennerei wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ganz zu Wohnzwecken umgebaut. Der große Schornstein, das Wahrzeichen der Brauerei, war schon Ende der 20er Jahre abgerissen worden. Die Gebäude der Brauerei dienten im Zweiten Weltkrieg als Kriegsgefangenenlager für Franzosen, bis eine Luftmine, die in unmittelbarer Nähe niederging, schwere Schäden anrichtete. In den tiefen Lagerkellern der Brauerei fanden viele Bewohner der Umgebung Schutz vor Luftangriffen, hier erlebten rund 200 Personen das Kriegsende.
Hermeskeiler Bier - vor 100 Jahren floss es aus den Zapfhähnen der Gastwirtschaften auf dem Hochwald. Heute ist es - so wie seine Braustätte - nur noch eine Erinnerung.
(Quelle: RuH Nr. 40/1991, Autor: Karl Kratz)
1Die Straße, die seitlich der alten Brauerei bergauf führte, hieß früher „Zur Hild“. Sie wurde später umbenannt und heißt seitdem „An der alten Brauerei“.
2So nannten die alten Hermeskeiler das feuchte Einzugsgebiet des Labachs östlich der Saarstraße. Später wurde hier ein Neubaugebiet mit dem Straßennamen „Am Alten Schwimmbad“ angelegt.