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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 33/2025
Aus der Heimatgeschichte
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Vor 50 Jahren: Alte Wegkreuze in Hermeskeil erneuert

Das von den „Luftschnappern“ finanzierte Friedenskreuz, entworfen und hergestellt vom Hermeskeiler Bildhauer Matthias Müller, wurde 1975 im „Schmitzecken“ (Ecke Saarstraße-Gerberstraße-Am Vogelsang anstelle des hier über Jahrzehnte vorhandenen Wegekreuzes aufgestellt.

Wer die Fußgängerampel in der Koblenzer Straße aus Richtung Fußgängerzone überquert, geht schnurgerade darauf zu. Doch die meisten Menschen werden dieses Kreuz am Alten Markt in Hermeskeil vermutlich überhaupt nicht wahrnehmen…

Zeugnisse christlicher Kultur und Tradition wurden in zeitgemäßer Form erhalten

Die Kreuze am Alten Markt und in der Saarstraße sind im Jahr 1975 erneuert worden. Sie waren über viele Jahrzehnte den Witterungseinflüssen ausgesetzt und dadurdch brüchig und morsch geworden und drohten umzustürzen. Mit dem Abbruch und der Beseitigung dieser Kreuze wären Zeugnisse christlicher Kultur und Tradition aus unserer Stadt verschwunden, hätten sich damals nicht Bürger gefunden, die die Mittel für ihre Erneuerung aufbrachten.

Das Marktkreuz am Alten Markt

Das Wegkreuz am Alten Markt hat sicherlich vom Standort her eine lange Tradition. In „Hermeskeil, Stadt im Hochwald“ (erschienen 1970) ist darüber zu lesen: „Das Kreuz ist an das Haus Max Weber angelehnt; hier wurde an Fronleichnam der Segen gegeben. Da sich davor der alte Marktplatz befand, handelt es sich wahrscheinlich um das Marktkreuz. Ehe die jetzigen Geschäftshäuser dort gebaut waren, stand das Kreuz hoch auf einer Mauer, hinter der die kleinen Bauernhäuser, genannt Samsonhäuser, einige Meter zurückstanden.“ Um 1874 war an gleicher Stelle ein morsch gewordenes Kreuz umgefallen und hatte dabei einen Mann tödlich verletzt.

Dem Willen der Bürger entsprechend, die die Erneuerung des Kreuzes betrieben haben, sollte auch das neue Kreuz in der traditionellen Form errichtet werden, in der unsere Vorväter über Jahrhunderte ihre Wegkreuze aufgestellt haben. Zwar mussten dem nunmehr verwendeten Werkstoff Stein gegenüber dem in früheren Jahren benutzten Werkstoff Holz dem Material geschuldete Zugeständnisse gemacht werden. „Dem mit Entwurf und Ausführung beauftragten Bildhauer Müller aus Hermeskeil ist jedoch bei der Erneuerung des Marktkreuzes eine geglückte Synthese von traditioneller Form und zeitgemäßer Gestaltung gelungen“, schrieb RuH-Redakteur Karl Kratz in RuH Nr. 20/1975. Und weiter: „Der … Korpus mit ausgebreiteten Armen versinnbildlicht den alles umfassenden Anspruch Christi: Das Kreuz ist der Wegweiser zu dem unergründlichen Geheimnis Gottes, auch Wegweiser durch unseren Alltag und unser Leben schlechthin.“

RuH hatte in den Wochen und Monaten davor des Öfteren auf die Sanierungsbedürftigkeit hingewiesen. Deshalb freute man sich in der Redaktion ganz besonders über das gelungene Werk. Denn die Redakteure hatten durch Verzicht auf ihnen zustehende Honorare über einen längeren Zeitraum hinweg die Geldmittel für die Erneuerung dieses alten Marktkreuzes aufgebracht.

Das Friedenskreuz in der Saarstraße

Im „Schmitzecken“ an der Saarstraße, wo die Gerberstraße und die Straße „Zum Vogelsang“ abzweigt, errichteten die „Luftschnapper“1 im Jahre 1975 ein Friedenskreuz. Sie hatten die gesamten Kosten für die Erneuerung des früheren Wegkreuzes in zeitgemäßer Form übernommen. Entwurf und Ausführung stammten ebenfalls von dem Bildhauer Müller aus Hermeskeil. RuH schrieb damals: „Die Luftschnapper… entschlossen sich, wesentliche menschliche Erfahrungen und aktuelles Zeitgeschehen auf einem Kreuz zu versinnbildlichen und ein Zeichen für den Frieden zu errichten. Gleich unseren Vorfahren, die in der Nähe des heutigen Standortes im Schmitzecken seit langer Zeit ein Kreuz als sichtbaren Ausdruck des nach Heil ausschauenden Menschen hegten, wird hier die alte Tradition wieder sichtbarer und erfahrbarer gemacht.“

Die aus einem roten Sandsteinblock gehauene, drei Meter hohe Stele zeigt am Kopf ein nach allen vier Himmelsrichtungen hin ausgemeißeltes Kreuz. Auf allen vier Seiten befinden sich Reliefs mit verschiedenen Darstellungen. Eine Seite steht unter dem Thema: Hunger in der Welt. Groß über eine Steinhälfte schwingen sich die vollen Ähren in die zweite Ebene mit den zur Bitte geformten Händen. Materielle Fülle in reichen Ländern, tödlicher Hunger in Teilen der Welt, geistige Fülle und geistige Not sind gegeneinandergestellt, ein Aufruf an unsere Zeit. Die zweite Seite stellt die Unterdrückung in der Wellt dar: Hochgereckte Arme, aneinander gefesselt, geschundene und gepflegte Hände, reiche und arme, sind wie ein Aufschrei nach Lösung der Fesseln, nach Gerechtigkeit und Menschenwürde. Der „Tanz um das goldene Kalb“ ist in die dritte Seite eingemeißelt. Das Tier, auf den Sockel gestellt, darunter die schnellen Räder, rundherum eine schreiende Menge - die falschen Propheten und Götzen des unmenschlichen „Fortschritts“ sind zahlreich. Darüber zeigt Gottes Finger die aufgerichteten Gesetzestafeln. Die vierte Seite schließlich zeigt den Kampf zwischen Gut und Böse. Hoch bäumt sich die Schlange auf und speit ihr Gift in der Welt wider die Taube als der Verkünderin des Friedens.

Aufstellungsjahr 1975

Die Katholiken begingen das Jahr 1975 - wie aktuell auch das Jahr 2025 - als „Heiliges Jahr“, als Jahr der Versöhnung. Die dem Heiligen Jahr innewohnende Idee hat eine über den kirchlichen Raum hinausgreifende Bedeutung: Es will der Versöhnung der Menschen und dem Frieden aller Völker dienen. Der Aufruf zur Besinnung auf die Ethik der Bergpredigt, zur Solidarität mit dem Nächsten und zur Wiederversöhnung ist heute notwendiger denn je; überall in der Welt und leider auch wieder in Europa erleben wir wir erschreckende Gewalttaten. RuH schrieb dazu: „Welches Symbol aber wäre geeigneter, den Gedanken der Versöhnung auszudrücken, als das Kreuz? Die Erneuerung der Wegkreuze im Heiligen Jahr 1975 ist bewusst in diese Idee hineingestellt.“ (Quelle: RuH Nr. 20/1975)


1 So nannte sich ein Zusammenschluss von Hermeskeiler Männern, der 1968 gegründet und um 1993 aufgelöst wurde. Die Luftschnapper organisierten in der Zeit ihres Bestehens Feste (z.B. Parkfest an Pfingsten) und viele soziale Aktionen.