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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 35/2024
Aus der Heimatgeschichte
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Die Lohschäler sind im Hochwald selten geworden

Der soziale Strukturwandel, wirtschaftliche Reformen und veränderte Produktionsabläufe haben auch in unserer Region manche Erwerbsquelle früherer Jahrzehnte versiegen lassen. Noch in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zählte für viele Hochwaldbauern in der zweiten April- und ersten Maihälfte der Gang in den eigenen Wald zur werktäglichen Pflichtübung. Einziger Punkt auf der Tagesordnung: das „Lohschleißen“.

Definieren wir zuerst den Begriff: Lohe hat in diesem Fall nichts mit Flamme zu tun. Hier dient es als Bezeichnung für das Zermahlungsprodukt von gerbstoffhaltigen Rinden (z.B. Eichen), womit bereits angegerbte Häute in Gruben schichtweise versetzt wurden, um das Ledergerben zu vollenden. Die gebrauchte Lohe wurde hinterher als Brennmaterial verwendet. Schleißen bedeutet zerreißen bzw. auseinanderreißen.

Loheschleißen im frühlingsfrischen Wald - das hieß also, mit einem Spezialwerkzeug die Rinde von jungen Bäumen abzuschälen. Die Arbeit erforderte viel Mühe und Geduld, denn die Rinde wurde nach einem Trockenprozess gewichtsmäßig erfasst und an den Gerber verkauft. Man musste also schon eine ganz schöne Menge beisammenhaben, um einen entsprechend guten Preis erzielen zu können. Die Einnahmen aus dem Loheschleißen bildeten über Jahrzehnte hinweg wichtige Posten im jährlichen Etat der Landwirte auf dem Hochwald. Dass dies schon im 19. Jahrhundert so war, entnehmen wir einer vergilbten Niederschrift aus der Maienzeit von 1889. Aufatmend vermerkte da ein Chronist:

„Überall begegnet man angenehmen Gesichtern: der Wanderer und der Waidmann, der Ackerer und der Arbeiter, sie begrüßen sich ob des herrlichen Wetters und der günstigen Sachlage außerordentlich liebenswürdig. Und was sagt der Loheschäler. ‚In meinem Leben hat die Lohe noch nicht so gut gegangen wie dieses Jahr.‘ Und wenn sie mit gutem Safte geschält wird, muss auch Kraft darin sein; es kommt nun sehr viel darauf an, dass der Besitzer sie nicht zu dick bürdet, damit sie rasch trocknet und eingefahren werden kann.“

In diesem Falle könne der Besitzer einen ergiebigen Preis dafür fordern, den der Gerber sicherlich auch bezahlen werde. „Nur soll an hiesiger Stelle wieder darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Lohebesitzer von Gemeinden gemeinschaftlich verkaufen. Dadurch wird veranlasst, dass die Gerber die Unkosten des Kaufgeschäfts vermindern und eher eine Preissteigerung der Lohe eintreten lassen können.“

Es sei daher freudig zu begrüßen, „dass die Lohebesitzer von hier in einer am Sonntag abgehaltenen Sitzung des Landwirtschaftlichen Vereins zu Nonnweiler beschlossen haben, der diesjährigen Lohe besondere Aufmerksamkeit bei der Ernte zu schenken und nur gemeinschaftlich zu verkaufen.“ Nach vorläufiger Schätzung würden in diesem Jahr (1889) „circa 1200 Bürden erster Klasse Lohe dahier geerntet. Alle umliegenden Ortschaften ernten viele und gute Lohe. Die Einigkeit macht stark, sagt man und sie ziert eine Gemeinde.“

Dass der Handel mit der geschälten Baumrinde schon damals in einen knallharten Konkurrenzkampf mündete, wie er heute zwischen Supermärkten üblich ist, hat ein anderer Hochwald-Chronist ebenfalls im Mai 1889 zu Papier gebracht:

„Diesen Monat ist allenthalben Lohversteigerung; große, mittlere und kleine Posten, ja Posten von 10 und noch mehr Tausend Centner sind angeboten in Trier, Bitburg, Prüm, Cochem, Zell, Echternach und Grevenmacher, niemand hört’s und weiß es, dass in unserer Gegend so viele und gute Lohe geschält und geerntet wird. Wenn die Gerber bei den großen Auktionen sich sättigen würden, was machen wir dann mit unserer Lohe?“ fragte jener Mann mit Besorgnis und betonte die wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit des Loheverkaufs:

„Aufspeichem können wir sie nicht, denn sie ist uns ein Lebensmoment, wie dem Winzer der Wein. Wir wollen Gerber locken dadurch, dass wir bekannt machen in der Hochwald-Zeitung, so viele Centner Lohe seien in diesem oder jenem Orte käuflich zu haben. Wir wollen die Gerber auch locken durch besondere Vorsicht bei der Ernte; ja, wir wollen sie locken, - dass wir Einheitspreise erzielen und nicht jeder, wie beim Kuhhandel, einen Schacher treibt.“

Nach einer abschließenden Meldung, wie der Hochwälder Lohhandel in jenem Mai elf Jahre vor der Wende zum 20. Jahrhundert nun auf dem Markte der Gerber verlaufen ist, ob positiv oder negativ, blättert man vergeblich. Die große Bedeutung, die das jährliche Rindeschälen für das Dasein unserer Vorfahren hatte, aber ist in den alten Niederschriften prägnant festgehalten.

(Artikel aus RuH Nr. 23/1980)