Besichtigung der Brauerei „Cervejaria Brewpoint“. Hier wurde das Festbier für das diesjährige Bauernfest produziert. Mitinhaber und Braumeister Franz Reisky von Dubnitz (Mitte) ist deutsch-österreichischer Abstammung. Seine Vorfahren bauten Textilmaschinen. Er wurde in Petrópolis geboren und studierte Brauwesen in Deutschland und Österreich.
Während Geschichts- und Heimatforscher Dittmar Lauer seinen Aufenthalt in Brasilien für umfangreiche Forschungen in zahlreichen Archiven nutzte (s. RuH von letzter Woche), gab es für Stadtbürgermeisterin Lena Weber in der Zeit ihres (kürzeren) Aufenthalts kein festes Programm. Wir wollten von ihr wissen, welche Eindrücke sie aus der Kaiserstadt Petrópolis mitgebracht hat. Hier ihr Bericht.
„Es war eine Reise der besonderen Art. Wenngleich es mit fünf Tagen ein eher kurzer Aufenthalt war, haben wir genug erlebt und gesehen, um zwei Wochen da gewesen zu sein. Der Verein ‚Club des 29. Juni‘ hat sich bestens um uns gekümmert und war ein hervorragender Gastgeber.
Mit dem Wissen um die Entstehungsgeschichte von Petrópolis macht jeder Gang durch die Straßen der Stadt auf eine ganz bewegende Art betroffen - insbesondere in der Altstadt mit ihren imperialen Bauten, die nach der Planung des gebürtigen Mainzers Julius Friedrich Koeler durch die deutschen Kolonisten (und damit auch durch Hochwälder Bürgerinnen und Bürger) errichtet wurden.
Ab und an war es irritierend, Wortfetzen des Hunsrücker ‚Platts‘ aufzuschnappen und in den Souvenirshops so vieles in Deutschlandfarben und unsere Trachten zu sehen. Die Vorbereitungen für das ‚Bauernfest‘ - nach dem Oktoberfest in Blumenau übrigens das zweitgrößte deutsche Festival in Brasilien - waren zu der Zeit in vollem Gange und unter vielen Einheimischen war nur noch die Rede von Bratwurst, Apfelstrudel und Schnaps.
Die Zusammenkünfte mit den Mitgliedern des Vereins waren immer sehr informativ und lehrreich. Es mag verrückt und vielleicht auch etwas pathetisch klingen: Man fühlt(e) sich mit den Deutschstämmigen direkt verbunden - so als würde man auf einer Familienfeier mit den entfernten Verwandten zusammensitzen und sich über die letzten Jahre unterhalten.
Besonders nahe gingen mir die Gespräche mit Nachfahren der deutschen Siedlerinnen und Siedler. Bis heute halten sie Brauchtum und Traditionen hoch, wollen die Geschichte lebendig halten und sind auch ein Stück weit stolz auf ihre deutschen Wurzeln. Das ist umso bewegender, wenn man bedenkt, dass die deutsche Kultur in Brasilien mit der Parlamentsauflösung durch den Putschisten Vargas 1937 und der achtjährigen Dikdatur einen herben Dämpfer erfuhr - wurden doch hier Enteignungen der Deutschen vorgenommen und ein Verbot, Deutsch in der Öffentlichkeit zu sprechen, erlassen. Deutsche wurden inhaftiert, Bücher verbrannt, die Unterrichtssprache der meisten Schulen des Landes verboten.
Ein deutschsprachiger Besitzer einer kleinen Brauerei in Petrópolis schilderte mir, wie es seinen Vorfahren erging: Seine Urgroßeltern führten eines der größten Textilunternehmen in Petrópolis. Sie wurden enteignet - der Urgroßvater sogar über eine längere Zeit inhaftiert. Welche Tragik: Vor 200 Jahren wanderten die Vorfahren wegen der Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit sowie Armut aus Deutschland aus, wagten den ‚Neustart‘ in der Ferne, weit weg von Zuhause, der Familie und den eigenen Wurzeln, bauten sich mit viel Arbeit und Fleiß eine neue Existenz auf, die die Nachfahren weiter ausbauten - um dann wieder vor dem ‚Nichts‘ zu stehen und ein weiteres mal von Vorne zu beginnen.
In der kurzen Zeit sind wirklich tolle Verbindungen entstanden - und ich hoffe, wir schaffen es irgendwie, diese in Zukunft zu stärken und weiter zu intensivieren. Ich bin Dittmar Lauer für sein Engagement in der Aufarbeitung der Geschichte der Hochwälderinnen und Hochwälder in Brasilien sehr dankbar.
Abstecher nach Rio
Auf dem Rückweg in die Heimat durfte der Abstecher nach Rio natürlich nicht fehlen. Während wir uns in Petrópolis so unbeschwert wie bei einem Gang durch Trier bewegten, war das Sicherheitsgefühl an der Copacabana dann doch von einer ganz anderen Art. Unsere einheimische Begleitung wies uns an, keine Wertgegenstände sichtbar mitzuführen, auf die Mitfahrgelegenheit zum bekannten Denkmal ‚Christo Redentor‘ warteten wir sogar in einem abgesperrten ‚sicheren‘ Bereich. Die Armut in Rio ist an allen Ecken sichtbar - insbesondere in den frühen Morgenstunden, wenn man sieht, wo überall Obdachlose ihr Lager für die Nacht aufschlagen. Selbst Nobelviertel wie Ipanema sind davor nicht gefeit. Angesichts der hohen Kriminalitätsrate bewegt man sich ständig in ‚Hab-Acht-Stellung‘ - dennoch war es ein besonderes Erlebnis, an der Promenade entlang zu spazieren. Musik und Tanz waren allgegenwärtig und trotz aller Beschwerlichkeiten vermitteln die ‚Cariocas‘ (so nennt man die Einheimischen aus Rio) eine unvergleichliche Leichtigkeit und viel Lebensgefühl.“