Ein befreundetes Paar baut im Oktober letzten Jahres in Hermeskeil einen Verkehrsunfall, bei dem ein geparkter Wohnwagen beschädigt wird. Wer dabei am Steuer des Autos, das dem Mann gehört, gesessen hat, lässt sich nicht feststellen. Das Problem: Sie hat keine Fahrerlaubnis. Doch ein Ermittlungsverfahren wird ergebnislos eingestellt, denn Zeugen gibt es nicht. Allerdings berichtet ein Elfjähriger, der in der Nähe wohnt, der Polizei, er habe am Tag vorher zwischen 17 und 18 Uhr das Paar schon einmal mit dem Auto in der Straße gesehen, dabei habe die Frau am Steuer gesessen. Aufgrund dieser Aussage kommt es zur Anklage: gegen die Frau wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, gegen den Mann wegen Beihilfe.
Im Amtsgericht ist an diesem Morgen „große Besetzung“. Beide Angeklagte haben Rechtsbeistände - eine Rechtsanwältin und einen Rechtsanwalt - mitgebracht, der Staatsanwalt wird von einem Referendar begleitet und eine Dolmetscherin übersetzt für die Frau, die Französisch spricht. Richterin Buchenberger stellt zunächst die üblichen Fragen zur Person, die die Angeklagten bereitwillig beantworten. Auch zur Sache lassen sich beide ein, aber nicht im Sinne der Anklage. Denn sie bestreiten, dass sie an dem fraglichen Tag zur genannten Uhrzeit in Hermeskeil gewesen sein sollen. Die Frau hat einen Kontoauszug mitgebracht, in dem dokumentiert ist, dass sie um 17.38 Uhr in Trier an einem Geldautomaten Bargeld abgehoben hat. Der männliche Angeklagte weist durch einen Ausdruck aus der Zeiterfassung seines Arbeitgebers in einer Eifelstadt nach, dass er an dem Tag, an dem er zwischen 17 und 18 Uhr in Hermeskeil gewesen sein soll, bis 16.30 Uhr eine Konferenz mit Externen in der Firma gehabt hat. Anschließend habe es noch bis etwa 17.30 Uhr eine interne Besprechung gegeben. Das bestätigt sein Chef, der als Zeuge geladen ist und über den Angeklagten sagt: „Als ich gegangen bin, war er noch da. Das war so gegen 17.45 Uhr.“ Zu der Frage des Staatsanwalts, ob sie denn an einem anderen Tag in Hermeskeil gewesen seien, bleiben die Angeklagten verständlicherweise die Antwort schuldig.
Auch der Elfjährige ist als Zeuge geladen; er wird von seiner Mutter begleitet. Richterin Buchenberger setzt sich ihm gegenüber an den Zeugentisch und führt ein einfühlsames Gespräch mit ihm. Der Junge kennt die Angeklagten nur von dem Unfall her. Auch heute sagt er, dass er sie auch schon mal vorher zusammen im Auto gesehen hat, wobei die Frau am Steuer gesessen habe. Doch ob das wirklich am Tag vorher war, kann er nicht mehr sagen. Er weiß nur noch, dass es an einem Nachmittag „kurz vor dem Unfall“ war, sagt er.
Der Staatsanwalt verlässt nun mit seinem Referendar kurz den Sitzungssaal. Nach seiner Rückkehr fasst er sich in seinem Plädoyer kurz. Es seien heute Nachweise dafür vorgelegt worden, dass der konkrete Tatvorwurf nicht zutreffen könne. Der Zeuge könne sich heute nicht mehr genau erinnern, wann er die beiden Angeklagten im Auto gesehen habe. Die Angeklagten seien daher freizusprechen, weil sich beide zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt nicht in Hermeskeil befunden hätten. Die Verteidiger der Angeklagten schließen sich dieser Sichtweise naturgemäß an und auch das Urteil lautet auf Freispruch, weil sich - so Richterin Buchenberger - der Tatvorwurf nicht nachweisen lasse. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.