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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 37/2024
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Ein Fenster in die Vergangenheit

Eine von vielen Grabstätten, die Archäologen noch bis Ende dieser Woche im Rotbachtal bei Hermeskeil untersuchen. Die Beigaben in dem Brandgrab bestehen hauptsächlich aus Keramikgefäßen in verschiedenen Größen.  

Akribisch und präzise werden die Fundstätten, die erkennbar nur wenig unterhalb der Ackerkrume liegen, von den Studierenden vermessen und zeichnerisch erfasst.

Archäologische Ausgrabungen am Rotbachtal bringen neue Erkenntnisse zur keltisch-römischen Geschichte unserer Region

Wer in den letzten Wochen aufmerksam auf der offenen Flur zwischen Hermeskeil und dem Stadtteil Abtei unterwegs gewesen ist, dem sind zweifellos die archäologischen Aktivitäten, die dort stattfanden, nicht entgangen. Hier haben Studierende der Universität des Saarlands unter der Leitung von Emilie Hene und Robin Klingler von Mitte August bis Mitte September Grabungen an einem Gräberfeld aus spät-keltischer/früh-römischer Zeit durchgeführt. Mit dabei war Arno Braun, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Vor- und Frühgeschichte von Frau Prof. Dr. Sabine Hornung, der uns gerne über die laufenden Forschungen informierte.

Die fänden immer noch im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Umfeld des spätrepublikanischen Militärlagers von Hermeskeil statt, so der Archäologe. Im nun zweiten Teil des Projekts beschäftige man sich mit Fragen wie: Wie hat dieses Lager die Landschaft verändert? Kann man überhaupt irgendwelche Einflüsse durch die Anwesenheit des römischen Militärs beweisen?

Deswegen habe man sich das Umfeld angesehen und weitere Fundstellen untersucht, unter anderem ein mittel- bis spätlatènisches bis frühest-römisches Gräberfeld. Dieses habe zu einer weilerartigen Siedlung gehört, die wahrscheinlich weiter östlich in der Talsenke gelegen hat. Unweit des Gräberfeldes sei bei geomagnetischen Untersuchungen auch der Standort einer römischen „villa rustica“ geortet worden.

Wie Braun weiter berichtet, hat man bei der letzten Grabung im Jahr 2021 die Grenzen dieses Gräberfeldes nicht erreicht. Und um haltbare Aussagen treffen zu können, was z.B. die Kindersterblichkeit, das Alter der Menschen oder die Anteile unterschiedlich qualitativer Bestattungen betreffe, sei es deshalb eigentlich zwingend notwendig, dass man so ein Gräberfeld komplett kenne. Zudem war aufgefallen, dass es in einem Grabgarten, der 2018 und 2021 ausgegraben worden war, drei Gruben mit Keramik gab, die nochmals eine ganze Generation jünger war als die in den jüngsten Gräber. Die Vermutung damals: Das Gräberfeld läuft vielleicht in die eine oder andere Richtung mit jüngeren Gräbern weiter. Um das zu prüfen, wurden bei der diesjährigen Kampagne zwei weitere, jeweils fünf Meter breite Streifen aufgemacht. „Und wir haben entsetzt festgestellt, dass dieses Gräberfeld noch größer ist. Wir können deshalb nicht ausschließen, dass wir wieder die Grenze nicht erreicht haben“, so Arno Braun.

Auch bei den neuen Grabungen kam wieder Keramik zum Vorschein, die in etwa in die Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus datiert werden kann. Auf die Frage, wie viele Menschen zu dieser Zeit wohl hier gelebt haben, meint der Wissenschaftler, die Zahl liege wohl irgendwo bei 20 bis 30 Bewohnern. „Aber das könnte sich noch verändern, je nachdem, wie viele Gräber noch fehlen. Das ist jetzt nur eine Momentaufnahme“.

Bei den Grabstätten, die in etwa Größe und Form heutiger Urnengräber aufweisen, handelt sich ausnahmslos um Brandgräber, was zu dieser Zeit die übliche Bestattungsform war. Das habe sich erst etwa im frühen 2. Jahrhundert nach Chr. wieder geändert. Die Beigaben, die man findet, bestehen immer aus einem gewissen Satz von Gefäßen, mal mehr, mal weniger viele. Außerdem finden sich persönlichen Gegenstände wie Fibeln, die Kleidung und Mäntel zusammenhielten. Arno Braun: „Die liegen immer im Leichenbrand. Das ist sehr interessant, weil zusammen mit der Asche immer die persönlichsten Gegenstände begraben wurden. Dann gibt es noch Dinge wie Küchenmesser, die wir auch im Leichenbrand gefunden haben, oder andere Gegenstände, die wohl typisch waren für die Person.“ Die eine oder andere Grabstelle zeigt zudem weitere, sehr stark korrodierte Gegenstände, vermutlich aus Eisen, die erst identifiziert werden können, wenn sie geborgen und begutachtet worden sind.

Für Arno Braun zeigt die in den Gräbern gefundene Keramik „eine große Überraschung“ auf, denn anders als in der Stufe „Latène D2“ (etwa ab 80 v. Chr.) zu erwarten, findet sich hier kein „Knick“ in der Qualität. Das sei eine Phase gewesen, wo vom Rhein her die keltischen Kulturen einen Niedergang erlebt hätten. „Das sehen wir hier nicht - im Gegenteil: Es ist durchgehend eine ausgesprochen hochwertige Qualitätskeramik“, erklärt der Archäologe. Das sei wirklich überraschend, denn es zeige, dass in dieser Region sehr früh „Romaniserungsprozesse“ eingesetzt hätten und schon in der frühesten römischen Zeit ab der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts vor Christus römische Einflüsse in den Gräbern erkennbar seien. Braun: „Das ist deswegen bemerkenswert, weil wir ja hier so ungefähr 30 km von Trier und den großen Handelswegen weg sind, die damals eine Rolle spielten.“

Vieles weiß man aber noch nicht, z.B. wann der römische Vicus am Erzberg unterhalb der heutigen Erzkapelle entstanden ist. Dort wurden zwar von Sondengängern, die ehrenamtlich für die Denkmalpflege tätig waren, Keramik und Münzen aus der späten Latènezeit aus dem Boden gefördert, aber wann die Besiedlung dort eingesetzt hat, ist nicht bekannt. Bekannt ist hingegen, dass diese Siedlung um die Mitte des 4. Jahrhunderts zerstört wurde und abgebrannt ist (Braun: „Das war ein katastrophales Feuer!“), was unter anderem an den Resten eines römischen Kellers, der dort gefunden wurde, nachweisbar ist.

Die nachfolgende frühmittelalterliche Besiedlung in der Region ist laut Braun nur schwer zu greifen. Die erste fränkische Siedlungswelle habe am Rhein, in Rheinhessen und z.B. in den Flusstälern von Mosel und Saar und in der Vorderpfalz stattgefunden. Im Bergland sei das wohl später erst geschehen, was man schon an den Ortsnamen erkennen könne. „Wir haben aber zwei sehr interessante Informationen: Am Rückersberg auf der anderen Seite des Rotbachtals gibt es die jüngsten Funde aus römischer Zeit und die datieren ins 5. Jahrhundert“, berichtet Arno Braun. Interessanterweise seien da auch Hinweise auf Militär, nämlich Abzeichen, vorhanden. Es könne sich hier also um einen Militärposten gehandelt haben. Das zweite sei ein zweifellos fränkisches Fundstück aus der merowingischen, also der unmittelbar folgenden Zeit, das in östlicher Richtung unweit des Gräberfelds aufgetaucht sei.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass sich die Präsenz der Römer, die sich - zumindest in dem von Prof. Dr. Hornung erforschten Militärlager - seit der Mitte des 1. Jahrhunderts vor Christus in unserer Region aufgehalten haben, schon bei Zeiten auswirkte. Die jetzigen Grabungsfunde deuten jedenfalls darauf hin. Wenn vor der Zeitenwende römische Einflüsse im Leben unserer seinerzeit noch überwiegend keltischen Vorfahren nachweisbar sind, lässt sich daraus durchaus schließen, dass im Jahr 16 vor Christus, das ja als offizielles Gründungsjahr von Trier gilt, nicht nur dort, sondern auch schon im Hochwald römische Siedler lebten. Man darf gespannt sein, was eventuelle zukünftige Grabungen in Hermeskeil und Umgebung noch zutage fördern werden. (WIL-)