Unser Bild zeigt den Erweiterungsbau
Feierliche Schlüsselübergabe an Malu Dreyer
Am vergangenen Wochenende wurde den Opfern des NS-Terrors in der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert gedacht. Der neue Erweiterungsbau der Gedenkstätte wurde für die Öffentlichkeit freigegeben.
Die große Bedeutung der Lern- und Gedenkstätte, so Architekt Wolfgang Loch, wurde bereits damit dokumentiert, dass zur offiziellen Eröffnung des Erweiterungsbaus Ministerpräsidentin Malu Dreyer den Weg in den Hochwald fand. Sie zitierte: „Dir sid net vergiess“, das auf einer Tafel an der Kapelle niedergeschriebene Versprechen, welches der Verband der Opfer des Nationalsozialismus Luxemburg seinen verstorbenen Kameraden gegeben hatte. Mit dem Erweiterungsbau werde dieses Versprechen in die Zukunft getragen und das Gedenken und die Bildungsarbeit an diesem Ort nachhaltig gestärkt, so die Ministerpräsidentin. Das Gebäude biete Raum dafür, die erfolgreiche Bildungsarbeit fortzuführen und auszubauen. In ihrer Ansprache betonte Dreyer die besondere Verantwortung, sich neben dem Ehrengedenken an die Opfer auch für ein friedliches Miteinander in der Gesellschaft, Europa und der Welt einzusetzen.
Zu den Gästen bei der Eröffnung zählten der Stellvertretende Generalkonsul der Republik Frankreich, Jérémie Peyron, Consulat Général de France in Frankfurt/Main und Minister Marc Hansen, Beigeordneter Minister für Verwaltungsreform in der Staatsregierung des Großherzogtums Luxemburg. Minister Hansens Großvater war auch ins KZ Hinzert verschleppt worden. Unter den Gästen aus europäischen Ländern, aus denen Menschen ins SS-Sonderlager/KZ Hinzert verschleppt worden waren, war auch Jan Krzymowski, Konsul der Republik Polen, Polnisches Konsulat Köln. Dr. Heike Peitsch, Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Luxemburg, war ebenso zur Erinnerungsfeier gekommen.
Bernhard Kukatzki, Direktor der für die Gedenkstätte zuständigen Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, freute sich, dass der Neubau mit der Eröffnung nun abgeschlossen ist: "Das neue Seminargebäude an der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert ist für unsere pädagogische Arbeit ein Riesengewinn. Es erleichtert Workshop- und Gruppenarbeiten enorm. Nicht zuletzt setzt es auch optisch ein Zeichen, wie ja auch das vom gleichen Architektenteam erstellte Dokumentations- und Begegnungshaus." Er wies außerdem darauf hin, dass die Errichtung sowohl der Hinzerter als auch der Osthofener KZ-Gedenkstätte in den 1980er Jahren von privaten Initiativen, wie dem Förderverein Hinzert und der Arbeit der Hermeskeiler Schulen, angestoßen wurden. Angesichts wieder ansteigender Zahlen von Gruppenanmeldungen ist Gedenkstättenleiterin Dr. Sabine Arend dankbar für die neuen Räume, die verstärkt quellenbasierte oder auch kreative Formate der Auseinandersetzung mit der Historie des Ortes oder aktivierende Formate der Bildungsarbeit erlauben.
Das zweigeschossige Gebäude wirkt im Wald zunächst wie eine gewisse Irritation. „Dies war jedoch beabsichtigt“, so Architekt Wolfgang Lorch. Wie das Hauptgebäude der Gedenkstätte, sollte auch der Erweiterungsbau Zeichen setzen. Für Lorch interessiert die Geschichte. Sein Architektenteam hatte sich zur Aufgabe gemacht, mit dem Gebäude Geschichte einschreiben zu wollen. Das Land sei mutig gewesen, jedoch hatte das Architektenteam die Verpflichtung, dass das Experiment des Gebäudes gelingt. Sein Team musste damit umgehen, dass von dem ehemaligen SS-Sonderlager/KZ Hinzert keine baulichen Reste erhalten sind, was bereits bei Entwurf des Hauptgebäudes eine Herausforderung darstellte. Das Hauptgebäude wurde im Jahr 2019 mit 260 Gruppen und insgesamt 10.000 Personen besucht. Hier wurden die Räumlichkeiten nun zu klein, insbesondere den Seminarraum betreffend. Ein weiterer Raum steht nunmehr Gruppen für bis zu 12 Personen mit „versteckter Küche“ zur Verfügung, so dass vertiefende Arbeit im Erweiterungsbau möglich ist.
Große runde Fenster und Beton dominieren den Erweiterungsbau. Die Fenster sollen Augen symbolisieren, die in den Wald sehen, in dem die Häftlinge des Lagers Zwangsarbeit leisten mussten. Dort sind auch Häftlinge ermordet worden. Die Fassade besteht aus Leichtbeton, die mit Wasser berieselt wird, so dass dort eine grüne Moosschicht entstehen soll. Durch den gelungenen Erweiterungsbau kann nunmehr in den Räumen ungestört Forschungsarbeit an den Tag gelegt werden. Hierdurch ist gewährleistet, dass Gruppen im Erweiterungsbau betreut werden, ohne dass die Besucher der Dauerausstellung im Hauptgebäude gestört werden. Die Leiterin der Gedenkstätte Hinzert, Sabine Arend, ist froh darüber, dass viele Schulklassen die Gedenkstätte besuchen, aber auch Gruppen der Hochschule der Polizei, der Bundeswehr oder angehende Lehrerinnen und Lehrer. „Auch die besondere Architektur führt Menschen zu uns“, so Leiterin Arend. „Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht Angehörige ehemaliger Inhaftierter hierherkommen“, führt die Leiterin der Gedenkstätte weiter aus. Enkelinnen und Enkel der Täter und Opfer führt es in die Gedenkstätte. Die Geschichte des KZ Hinzert gilt es weiter zu erforschen. Hierfür bietet der Erweiterungsbau die perfekte Örtlichkeit.
Extra:
Das SS-Sonderlager/KZ Hinzert bestand von 1939 – 1945. Luxemburgische und französische Widerstandskämpfer, russische Kriegsgefangene, polnische Zwangsarbeiter, mehr als 10.000 Männer aus mehr als zwanzig verschiedenen Ländern wurden in Hinzert von den Nazis zur Zwangsarbeit gezwungen, gefoltert und viele auch ermordet. Das Anfang Oktober 1939 in Hinzert eingerichtete Polizeihaftlager für straffällig gewordene Westwall-Arbeiter, trug die offizielle Bezeichnung „SS-Sonderlager Hinzert“. Nach Auflösung des Polizeihaftlagers am Westwall im Frühsommer 1940 und der Unterstellung des SS-Sonderlagers Hinzert unter die Inspektion der Konzentrationslager am 01. Juli 1940, diente das Lager als „Durchgangslager“, insbesondere der luxemburgischen, belgischen, französischen und niederländischen Häftlinge auf ihrem Leidensweg nach Buchenwald, Natzweiler oder Dachau. Aufgegeben wurde das Lager im März 1945, ein Teil der Häftlinge wurde auf den Marsch nach Buchenwald getrieben. Andere Häftlinge blieben im Lager zurück. (ChKr)