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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 4/2023
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Baum des Jahres 2023 - Die Moorbirke (Betula pubescens)

Chance für eine ungeliebte Baumart in Zeiten des Klimawandels?

Das natürliche Verbreitungsgebiet der Moor-Birke umspannt fast den halben Globus. Es reicht von Süd-Grönland über Island und Nordeuropa bis nach Ostsibirien hinein. Obwohl also eher ein Baum der Taiga, so ist sie durchaus auch im milderen Klima südlich dieser nordischen Wälder zu Hause. Nur in Südeuropa – südlich der Pyrenäen und der Alpen – und in den asiatischen Steppengebieten fehlt sie.

Es wird wohl nur wenige geben, die eine Birke nicht sofort erkennen. Zu einzigartig, zu auffällig und schön sind ihre glatten, weithin sichtbaren weißen Rindenpartien und ihre lichte, frischgrüne Laubkrone. Sie ist ein Sinnbild des Frühlings. Zum Ausschmücken aller kirchlichen Festtage in dieser Jahreszeit – Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten und Fronleichnam – werden gern Birken genommen. Auch der noch heute in vielen mitteleuropäischen Ortschaften alljährlich aufgestellte Maibaum oder der beim Richtfest in den Dachstuhl gestellte Richtbaum ist häufig eine Birke.

Doch Achtung: Es gibt zwei zu Bäumen heranwachsende Birkenarten in Mitteleuropa – die Moor- und die Sand- Birke. Beide zu unterscheiden ist allerdings nicht ganz leicht. Selbst der große Pflanzensystematiker Carl von Linné ging noch Mitte des 18. Jahrhunderts davon aus, dass es lediglich eine einzige baumförmige Birkenart in Europa gibt.

Die Stärke der Moorbirke steckt tatsächlich in ihrer ungewöhnlich hohen Kältetoleranz. In den nordischen, den sogenannten borealen Wäldern, ist sie eine der wenigen waldprägenden Baumarten bis hin zu reinen Moor-Birkenwäldern. Im Norden Skandinaviens und in Nordwest-Russland bildet sie sowohl in den Bergen als auch nach Norden zur Tundra hin die Baumgrenze. Auch in den alpinen Gebieten Mitteleuropas klettert sie mehr als 2000 Meter bis zur Baumgrenze hoch.

Die Moor-Birke hat – wie auch die Sand-Birke – die typischen Merkmale und Eigenschaften eines Pionierbaums, der baumfreie, rohe Böden schnell besiedeln kann und in dessen Schutz dann die späteren Waldbaumarten heranwachsen können.

Sie blüht schon ungewöhnlich früh im Alter von fünf bis zehn Jahren und bildet alljährlich große Mengen kleiner, leichter und geflügelter Samen, die vom Wind weit getragen werden und die auf rohen Böden gut keimen können. Sie kommt mit den auf Freiflächen extremeren Klimaverhältnissen ohne Weiteres zurecht. Ihre Laubkrone ist ziemlich lichtdurchlässig, so dass das Heranwachsen anderer Baumarten kaum behindert wird. Sie selbst hat aber eine äußerst geringe Schattentoleranz. Eigene Nachkommen können in ihrem Schatten schwerlich hochkommen. Sie wird nicht sehr alt, zumeist nur etwa 80, selten 100-130 Jahre, und überlässt vergleichsweise früh den langlebigeren Waldbäumen das Feld.

In der heutigen Kulturlandschaft trifft man recht häufig auf Birken , aber nur gut zehn Prozent davon sind Moor-Birken, und diese wiederum stehen überwiegend in Moor-, Bruch- und Auenwäldern oder zumindest auf humusreicheren, sogenannten anmoorigen Waldböden. Es gibt nur sehr wenige Plätze in der mitteleuropäischen Natur, wo die Moor-Birke auch langfristig zu Hause sein kann – wo sie also nicht auf die kurzfristige Rolle der Pionierin beschränkt wird. Größere natürliche, von Moor-Birken geprägte Waldbestände sind tatsächlich nur in Mooren zu finden. In alten, nach dem Ende der Eiszeit entstandenen Hochmooren wachsen sie dort, wo die extrem nährstoffarmen, baumfreien Torfböden des aufgewölbten Hochmoors an die etwas nährstoffreicheren Böden grenzen. Doch über 90 Prozent der ursprünglichen Moorflächen in Deutschland sind bereits entwässert, vor allem um land- wirtschaftlich nutzbare Flächen zu gewinnen. Moor- Birkenwälder gelten daher als stark gefährdet und sind inzwischen bundesweit gesetzlich geschützt.

Das recht helle, leicht gelbliche, zu den Harthölzern zählende Moor- Birkenholz ist zwar nicht für die Verwendung im Außenbereich geeignet. Aber es lässt sich bestens für den Möbelbau, für die Furnier- und Sperrholzproduktion und als gut zu drechselndes Holz verwenden. Bislang allerdings geschieht dies überwiegend in Nordeuropa. Hier in Mitteleuropa wird es leider noch immer vor allem als Kaminholz verheizt. Es ist noch nicht lange her, dass Birken von Forstleuten als störendes Unkraut angesehen wurden, das möglichst schnell aus dem Bestand herausgeschlagen werden sollte. Doch mittlerweile ändert sich der Blick. Es zeigt sich, dass im Wald belassene Birken zur Verbesserung des Binnenklimas und der Bodenfruchtbarkeit in dem Bestand beitragen. Und mehr noch: Birken lassen sich ohne großen forstlichen Aufwand zu geradstämmigen und hochgewachsenen Bäumen entwickeln. Erste Anbauversuche zeigen, dass Moor-Birken sogar bessere Holzqualitäten als Sand-Birken bringen können. Da die gerade begonnene Forcierung der Moorrenaturierungen auch zu nasseren Standorten in unmittelbar angrenzenden Wäldern führen wird, bietet sich eine gute Chance für die Integration der Moor-Birke in eine auch ökonomisch interessante, naturnahe Bewirtschaftung feuchter Waldstandorte – beispielsweise in Mischung mit anderen, an Feuchtstandorte adaptierten Laubbaumarten wie Erlen oder Flatter-Ulmen. (BäR)

Quelle: Internet Dr. Silvius Wodarz Stiftung (Autor Dr. Rudolf Fenner)