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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 4/2025
Aus der Heimatgeschichte
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Die Züscher und Börfinker Suppenanstalt

(Fortsetzung aus RuH Nr. 3/2025)

Am 15. Juni 1883 erscheint in der Kölnischen Zeitung unter der Überschrift „Vom Hochwald III“ der dritte und letzte Teil der Recherche des „Special=Berichterstatters“. Hier beschäftigt er sich zunächst mit der ausführlichen Beschreibung einer segensreichen Einrichtung, der „Züscher und Börfinker Suppenanstalt“. Im Anschluss hält der namentlich nirgends genannte Autor ein flammendes Plädoyer für die ländlichen Kleinbauern im Hochwald, die trotz ihrer Notlage auf die Inanspruchnahme wohltätiger Leistungen verzichten. In diesem Plädoyer kommt auch die politische Haltung des Verfassers deutlich zum Vorschein. Doch das lesen wir erst in der nächsten Ausgabe.

Daß nach der letzten völligen Mißernte, der ohnehin eine Reihe nur ganz magerer Herbste voraufgegangen war, bei völligem Darniederliegen der Holz-Hausindustrie und des Hausirhandels die Hungersnot sich in der Hermeskeiler Gegend schon sehr früh während des Winters einstellen werde, konnte man voraussehen, und man hat es denn auch schon im Spätherbst nicht nur vorausgesehen, sondern auch, soweit die Mittel vorhanden waren, dagegen vorgesorgt.

Lange bevor der Notschrei aus der Eifel ertönte und bevor noch in weitern Kreisen etwas von dem Elend in Eifel und Hochwald bekannt war, hatte der katholische Pfarrer Spang in Züsch (der Ort hat auch einen evangelischen Pfarrer), dem einige Mittel zur Hand waren, eine Suppenanstalt zunächst für die armen Kinder von Züsch, Dammfloß, Börfink, Thranenweiher errichtet, die schon zu Neujahr ihre segensreiche Thätigkeit, die armen kleinen Hungernden zu speisen, begann. Der Zuspruch wurde immer größer, und allmählich flossen glücklicherweise auch die Mittel reichlicher, sodaß kein Hungriger zurückgewiesen zu werden brauchte, daß sogar, um den Kindern aus dem entlegenern Börfink und Umgegend, so Mahlborn, Thiergarten, den Weg durch den Schnee zu ersparen, in Börfink eine Nebenanstalt errichtet werden konnte.

Die Anstalt begann ihre Wirksamkeit mit 25 kleinen Tischgenossen; nach und nach stieg die Zahl auf mehr als 100. Am Tage, da ich die Anstalt in Züsch besuchte, wurden 125 Portionen ausgegeben. Die Kleinen saßen vergnügt und munter an dem langen Tisch und ließen sich zwei-, auch dreimal den Teller füllen. Es wird gereicht, so viel den Kleinen schmeckt, da sie nur die eine Mahlzeit täglich erhalten. Die Kost ist gut und schmackhaft bereitet, so sehr auch auf den möglichst großen Nährwert derselben Rücksicht genommen wird. Für kranke oder schwächliche Kinder wird das Essen auch nach Hause abgegeben und hierbei mit guter Absicht sehr nachsichtig verfahren; da man weiß, daß auf diese Weise manche kranke und sieche Erwachsene die einzige kräftige und gesunde Nahrung sich verschaffen.

Anfänglich speiste man katholische und evangelische Kinder an demselben Tische; als aber überhaupt ein Tisch und eine Stube nicht mehr hinreichten, trennte man nach Confessionen. Daß aber Pastor Spang im übrigen keinerlei Unterschied nach Confessionen macht, wird allgemein anerkannt, auch von seinem evangelischen Amtsbruder, und gereicht ihm gewiß zum Ruhm, wie er sich überhaupt durch seine eifrige Mühe um die hungernden kleinen Hochwälder ein Verdienst erworben hat, das gar nicht überschätzt werden kann, wenn man nur bedenkt, daß er kein Vorbild gehabt und auch keinen Nachfolger bekommen hat unter all seinen vielen schwarzen wie blauen Confratres. Vielleicht fehlt es diesen auch meist bloß an den Mitteln und an dem Geschick, sich solche zu verschaffen; jedenfalls aber auch oft an dem guten Willen und der echten Erkenntnis.

Wer unter diesen armen Menschen jahrelang gelebt hat, der wird gegen die Entbehrungen und Leiden derselben abgestumpft bis zu einem Grade, der mich oft förmlich entsetzte; selbst wenn ich in Rechnung brachte, daß die elende Bevölkerung, auf die Landstraße und den Forstfrevel seit Menschenaltern angewiesen, sittlich und religiös nicht ohne Aergernis ist und daß sie dadurch grade den berufenen Pflegern von Religion, Moral und guter Sitte entfremdet und bis zu einem gewissen Grade verhaßt und ein Greuel geworden sein mag. Aber die kranke Seele heilt man am sichersten, wenn man sich zuerst des siechen Leibes annimmt, in dem sie wohnt. Auch der Heiland machte ja die Leiber der Unglücklichen gesund, um deren Seelen zu gewinnen…

(wird fortgesetzt)