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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 40/2025
Aus dem Gerichtssaal
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Ein Denkzettel musste sein

Es passiert fast täglich auf irgendeinem Parkplatz: Beim Ein- oder Ausparken schrammt jemand aus Unachtsamkeit ein benachbartes Fahrzeug. Das ist an sich meistens eine Kleinigkeit, aber die Regeln schreiben vor, dass der Verursacher eine angemessene Zeit - normalerweise mindestens eine halbe Stunde - warten muss. Taucht in dieser Zeit der Geschädigte nicht auf, muss der Schädiger die Polizei rufen. Die Versuchung, einfach wegzufahren, ist groß - vielleicht hat es ja niemand mitbekommen. Aber das ist dann eine Straftat: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort.

Genau deswegen sitzt diesmal ein Mann um die 60 neben seinem Verteidiger auf der Anklagebank. Er gibt zu, dass er den Rempler, der an dem anderen Fahrzeug immerhin einen Schaden von 2800 Euro verursacht hat, bemerkt hat, aber er habe Panik bekommen und sei einfach weggefahren, sagt er. Zuhause angekommen erzählt er seiner Frau, dass er Mist gebaut hat. Die sagt, er müsse sofort die Polizei rufen; doch das braucht er nicht mehr, denn da klingelt die schon an der Haustür. Dass er den Beamten gegenüber alles zugibt, bewahrt ihn nicht vor einer Anklage, denn es geht auch um die Frage, ob eventuell ein Fahrverbot ausgesprochen werden muss. Das nämlich beantragt die Staatsanwältin: Das Gericht soll ihm eine Geldstrafe von 1200 Euro aufbrummen und als Denkzettel ein Fahrverbot von einem Monat verhängen. Der Verteidiger schließt sich weitgehend den Ausführungen der Anklägerin an, meint aber, ein Fahrverbot würde die Familie hart treffen: Die Ehefrau habe zwar einen Führerschein, doch aus gesundheitlichen Gründen könne sie nicht Auto fahren.

Richterin Sarah Weber, seit Mitte August neue Direktorin des Amtsgerichts Hermeskeil und für Strafsachen zuständig, folgt dem Antrag der Staatsanwältin. Sie wertet es zwar zugunsten des Angeklagten, dass er die Sache zugegeben hat, aber weil er wegen einer anderen Verurteilung noch unter laufender Bewährung steht, hätte sie eigentlich eine Freiheitsstrafe verhängen müssen, erklärt sie. Da diese Tat aber nicht einschlägig gewesen ist, belässt sie es bei einer Geldstrafe. Dann sagt sie, dass in Anbetracht der Schadenshöhe eigentlich die Fahrerlaubnis entzogen werden müsste; davon sehe sie aber ausnahmsweise ab. Aber als Denkzettel ordnet sie ein Fahrverbot von einem Monat an. „Das ist die unterste Grenze. Es wäre auch mehr möglich gewesen“, schließt sie die Urteilsbegründung.

Mehr Glück hat der zweite Angeklagte an diesem Morgen. Auch er hat beim Ausparken auf einem Parkplatz angeblich ein anderes Auto touchiert, doch er beteuert, dass er davon nichts gemerkt hat. An seinem eigenen Fahrzeug ist auch so gut wie nichts zu erkennen, wie die Polizei, die ihn schon an seinem Heimatort erwartet, ebenfalls feststellt. Zwar hat - wie Richterin Sarah Weber aus einem Protokoll verliest - die Zeugin, die die Polizei gerufen hat, angeblich einen lauten Knall gehört, doch es bestehen Zweifel, ob die Zeugin heute noch sagen könne, wie laut er gewesen ist. Sie könne sich deshalb auch „eine andere Lösung“ vorstellen, meint die Richterin. Auch die Staatsanwältin meint, es könne im Hinblick auf den geringen Schaden am Auto des Angeklagten ja nicht viel gewesen sein; außerdem höre sich das im Innern eines Fahrzeugs sowieso anders an als draußen. Richterin, Anklägerin und Verteidiger sind sich schnell einig: Das Verfahren wird eingestellt, die Verfahrenskosten trägt die Staatskasse und der Angeklagte seine notwendigen Auslagen. (WIL-)