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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 42/2024
Aus dem Gerichtssaal
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Das war (vorläufig) ein kurzer Prozess

Am längsten in dieser Strafverhandlung dauert die Verlesung der Anklage durch die Staatsanwältin. Das ist kein Wunder, denn es geht um insgesamt vier Anklagen, von denen die erste es in sich hat. In mehreren der sogenannten „sozialen Medien“ hat der 37-jährige Angeklagte im Jahr 2020 „Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation verbreitet“. Das ist die juristische Bezeichnung dafür dass jemand zum Beispiel den Hitlergruß, Hakenkreuzfahnen und Sprüche aus der Nazizeit verwendet. Und das hat der Mann reichlich getan. In mehr als 130 Fällen hat er Hitlerbilder und judenfeindliche Karikaturen verbreitet, verbunden mit „Grüßen“ wie „Sieg Heil auf ein neues Reich“, „Sieg Heil der arischen Rasse“ oder „Es lebe das Deutsche Reich. Sieg Heil!“ In zahlreichen Fällen ist das noch gespickt mit Hasstiraden auf und Diffamierung von Juden und farbigen Menschen und gipfelt sogar einmal in einem Aufruf zur Tötung von Juden, die „nichtmenschliche, verachtenswerte Kreaturen“ seien. Das alles muss die Anklägerin in diesem Verfahren im Einzelnen mit Datum und Uhrzeit vorlesen, was - wie gesagt - den weitaus größten Teil der Verhandlung in Anspruch nimmt. Dagegen sind die übrigen drei Anklagepunkte marginal: Im Jahr 2023 hat er einen Taxifahrer um das Fahrgeld betrogen und beleidigt; außerdem hat er online Waren bestellt, ohne diese bezahlen zu können. Auch 2024 hat er noch einmal Naziparolen in einer öffentlichen Facebookgruppe verwendet. Der Mann ist nicht unbescholten, hat schon mehrere Urteile kassiert und steht unter laufender Bewährung, weshalb auch der Bewährungshelfer anwesend ist.

Der Verteidiger des Angeklagten kündigt eine „vollumfängliche geständige Einlassung“ seines Mandanten an. Was will er auch anderes tun? Die vorliegenden Beweismittel dürften erdrückend sein. Doch gleichzeitig beantrag der Rechtsanwalt noch ein sogenanntes „Rechtsgespräch“. In diesen Fällen geht es dann meistens darum, dass ein einvernehmliches Ergebnis ausgehandelt werden soll. Nun schickt Richterin Buchenberger alle Anwesenden, darunter drei Zeugen, den Bewährungshelfer, die Presse und sogar den Angeklagten aus dem Saal. Drin bleiben dürfen nur Staatsanwältin, Verteidiger und einige Gerichtspraktikanten. Als die Öffentlichkeit nach ca. 15 Minuten wiederhergestellt wir, verkündet die Richterin, dass noch ein Gutachten zu der Frage erforderlich sei, ob der Angeklagte überhaupt (ganz oder nur zum Teil) schuldfähig ist. Das erscheint in Anbetracht insbesondere der schieren Anzahl der vorgeworfenen Taten, die der Mann ja schließlich auch gestanden hat, eigentlich nur folgerichtig. Den Zeugen erklärt Richterin Buchenberger, dass sie zum nächsten Termin wohl nicht mehr erscheinen müssen.