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Rund um Hermeskeil
Ausgabe 44/2023
Aus dem Gerichtssaal
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Er schämt sich in Grund und Boden

Der junge Mann zählt mit seinen noch nicht ganz 21 Jahren noch als Heranwachsender, weshalb noch das Jugendstrafrecht angewandt werden kann. So wie er da neben seinem Verteidiger auf der Anklagebank sitzt, macht er keinen besonders glücklichen Eindruck; man sieht ihm an, dass er sich sehr unwohl fühlt. Wie er dorthin kommt, ist schnell erzählt: An Weiberfastnacht lernt er auf dem Hauptmarkt in Trier schon morgens zwei Studentinnen kennen, mit denen er feuchtfröhlich feiert. Man versteht sich prima und geht dann irgendwann in die Wohnung der beiden Frauen, wo man die Feier mit Trinkspielen fortsetzt. Doch irgendwann hat der Alkoholspiegel bei ihm offenbar eine kritische Grenze überschritten. „Er ist von jetzt auf gleich ausgerastet“, sagt die erste Zeugin. Der Mann wird ausfallend, beleidigt die Frauen und hat dann „beiden eine gescheppert“, wie die zweite Zeugin berichtet. Als er auf dem Stuhl zusammensackt, sind die beiden aber besorgt und rufen einen Rettungswagen. „Die sollten ihn mitnehmen und ausnüchtern“, so die Zeugin. Weil der Angeklagte aber - jetzt wohl wieder munter – auch gegenüber den Sanitätern sehr aggressiv ist, rufen die kurzerhand die Polizei, die ihn schließlich mitnimmt, wobei er einem der Beamten noch in den Bauch boxt. Die Blutprobe ergibt 2,5 Promille.

Auf die Frage von Richterin Buchenberger, ob das alles so gewesen ist, sagt der junge Mann nun, er habe wenig Erinnerung daran. „Aber ich bestreite es nicht“, fährt er fort, „es kann alles so gewesen sein.“ Der Verteidiger schildert den Werdegang seines Mandanten: Er ist 13, als seine Eltern sich trennen. „Das war eine schlimme Sache, ein regelrechter Scheidungskrieg“, sagt der Jurist, der seinerzeit ein Elternteil in dem Verfahren vertreten hat. Und der Junge sei „mittendrin in der Geschichte gewesen“. Er sei in den nächsten Jahren mehrfach schulisch gescheitert und habe sogar den Führerschein abgebrochen. Kurz vor dem Vorfall habe auch noch seine Freundin mit ihm Schluss gemacht. „Jetzt sitzt er hier und schämt sich in Grund und Boden“, schließt der Anwalt sein vorgezogenes Plädoyer.

Ob er Probleme mit Alkohol habe, will die Richterin von dem jungen Mann wissen, worauf dieser und der Verteidiger unisono erklären, dass das „schon im Hinblick auf die Ausbildung, die er jetzt macht“, viel besser laufe als vorher. Dem Angeklagten kommt nun auch die Tatsache zugute, dass er sich sowohl bei den Studentinnen als auch bei dem Polizisten entschuldigt hat. So ist der Vertreter der Anklage offenbar milde gestimmt, als er meint, das Verfahren könne gegen Auflagen eingestellt werden. Der junge Mann solle drei Gespräche bei der Suchtberatung wahrnehmen und eine Geldbuße von 200 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen, und zwar in monatlichen Raten von 40 Euro. „Dann denken Sie noch fünf Monate darüber nach“, wendet er sich an den Angeklagten. Weil dieser und sein Verteidiger damit einverstanden sind, fasst Richterin Buchenberger den entsprechenden Beschluss. Die Geldbuße soll der Mann an das Tierheim in Trier zahlen.

Eine persönliche Anmerkung des Autors: In Anbetracht der Tat wäre vielleicht der Förderverein Frauenhaus Trier die bessere Adresse gewesen. (WIL-)