Der Mann Mitte 30, der auf der Anklagebank neben seinem Verteidiger sitzt, lebt von seiner Frau getrennt. Mit seiner Tochter aus erster Ehe ist er aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Es hat offenbar ein Problem im Rahmen der Trennung gegeben, denn ihm ist vom Gericht ein Näherungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz auferlegt worden. Weil er dagegen verstoßen und damit eine Straftat begangen haben soll, hat er einen Strafbefehl über 2400 Euro bekommen, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Der Rechtsanwalt trägt für ihn vor, der Gerichtsvollzieher habe ihn schon vor der Zustellung der Verfügung über das Verbot, sich seiner Noch-Ehefrau zu nähern, informiert. Aber diese habe ihn mehrmals per SMS gebeten, doch wieder nach Hause zu kommen. Auf seinen Hinweis, dass er das nicht dürfe, habe die Frau geschrieben, es sei doch ihre Entscheidung, wenn sie ihn ins Haus lasse. Immerhin habe man sich dann per SMS auf einen Tag und eine Uhrzeit geeinigt, wann der Angeklagte eigene und persönliche Sachen seiner Tochter, die sich in der Garage befanden, abholen könne. Sein Mandant habe also nicht vorsätzlich gehandelt und deshalb auch nicht gegen die gerichtliche Verfügung verstoßen, glaubt der Verteidiger.
Warum sie ihn dann angezeigt habe, will Richterin Buchenberger wissen. Das erklärt nun der Angeklagte selbst. Man sei mit dem Einladen der Sachen soweit fertig gewesen, da sei seine Frau, die vorher schon mit Grimassen und dem „Stinkfinger“ vom Fenster aus provoziert habe, aus der Garage angerannt gekommen, habe „Terror gemacht“ und ihm vorgeworfen, Sachen geklaut zu haben. Ihm sei es gelungen wegzufahren, aber sie habe ihn mit ihrem Auto verfolgt und versucht ihn abzudrängen und zu blockieren. Den Grund sieht er darin, dass seine Frau seine Tochter behalten wolle. Doch es sei mit dem Jugendamt abgeklärt, dass diese mit ihm in die neue Wohnung einziehen solle.
Zum Beweis seines Vortrags legt der Verteidiger dem Gericht Ausdrucke von Bildschirmkopien des SMS-Verkehrs vor. Dem Staatsanwalt fällt gleich auf, dass darauf kein Datum erkennbar sei und so versucht der Angeklagte, die Original-Nachrichten auf seinem Handy zu finden, was ihm aber nicht gelingt. Es ist schon eine Weile her, die Daten sind vermutlich schon gelöscht.
Das Gericht hatte natürlich die Frau befragen wollen und zu der Verhandlung als Zeugin geladen, doch die hat sich am frühen Morgen krank gemeldet. „Ohne die Zeugin ist aber heute keine Entscheidung durch Urteil möglich“, sagt der Staatsanwalt und schlägt die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage vor. Nach einer kurzen „Auszeit“, zu der sich der Angeklagte und sein Verteidiger vor die Tür begeben haben, erklärten sie, dass sie mit 300 Euro, die in monatlichen Raten gezahlt werden könnten, einverstanden seien. Der Angeklagte habe finanzielle Probleme, unter anderem auch wegen einer Bürgschaft, die er für seine Ehefrau übernommen habe.
Gericht und Ankläger stimmen dem Vorschlag zu. Das Verfahren wird vorläufig eingestellt und der Angeklagte muss die 300 Euro in sechs Monatsraten bezahlen. Hat er das nachgewiesen, wird das Verfahren endgültig eingestellt.