Holzschnitt „vom Bergwerk“ (aus Agricolas Buch „vom Berg- und Hüttenwesen“, Deutscher Taschenbuchverlag), der die damaligen Abfahrtsmöglichkeiten in die Bergwerke darstellt: Die Abfahrt mittels Leiter (A), durch Abseilen (B), über eine Rutsche (C) oder eine Treppe (D).
Eisengewinnung und Weiterverarbeitung, Eisenwerke, politische und rechtliche Rahmenbedingungen, Eisenhandel, Unternehmertum und Arbeiterschaft - Eine ausführliche Darstellung von Karl Kratz1 (Erstveröffentlichung in RuH Nr. 3/1995)
Der Hunsrück war in vorindustrieller Zeit ein Hauptgebiet des deutschen Eisengewerbes: Bis zum 18. Jahrhundert können hier viег größere Eisenerzbezirke ausgemacht werden, die sich von West nach Ost als Lebacher-, Hochwald-, Mittelhunsrück- und Soonwald-Erzbezirk voneinander unterscheiden lassen.
Eisenproduktion und -weiterverarbeitung sind seit dem 15. Jahrhundert im Hunsrück nachweisbar; der älteste schriftliche Beleg über eine Eisenverhüttungsanlage in Allenbach (Grafschaft Sponheim) stammt aus dem Jahre 1439. Das Eisenhüttenwesen hat sich im Hochwald u.a. deshalb entwickeln können, weil die drei (neben der Arbeitskraft) wichtigsten, weil relativ unbeeinflussbaren Standort- und Produktionsfaktoren (= Wasserkraft, Holzkohle, Eisenerz) in größtmöglicher räumlicher Nähe zusammentrafen. Die Bäche verfügten über genügend Gefälle, um die Blasebälge und Hämmer der Eisenwerke anzutreiben. Buchenholz lieferte die zur Herstellung und Weiterverarbeitung des Eisens benötigte Holzkohle, Eisenerze konnten in unterschiedlicher Güte und Kapazität in fast allen Orten Hochwaldes abgebaut werden. Flurbezeichnungen wie Erzberg, Erzheck. Erzkaul sind deutliche Hinweise auf den Erz-Bergbau. Die Entwicklung des Hochwälder Eisenhüttenwesens hing aber auch in erheblichem Ausmaß von der Initiative der Betreiber und Hüttenmeister sowie der Qualifikation und Leistung der Arbeiterschaft ab.
Die Standortfaktoren
Energiequelle Wasserkraft
Die Wasserkraft stellte im vorindustriellen Eisenhüttenwesen die alleinige Antriebs-Energiequelle dar; daher befanden sich die Standorte der Eisenwerke notwendigerweise immer an Wasserläufen. Die Kraft des Wassers wurde zum Antrieb von Mühlrädern genutzt, die ihrerseits wiederum Pochwerke, Blasebälge, Hämmer und Schneidwerke in Bewegung setzten. In der Regel wurde die Wasserzuführung durch Wehranlagen im Bachbett und beim Eisenwerkskanal sowie vor allem durch die Anlage eines oder mehrerer Teiche reguliert, wodurch ein Dauerbetrieb während des ganzen Jahres (von Frostperioden im Winter und Dürrezeiten im Hochsommer abgesehen) ermöglicht wurde. Bei dem vor 40 Jahren freigelegten und teilweise wieder aufgebauten Hammerwerk Züsch sind Teich und andere Anlagen zur Wasserführung noch gut zu erkennen. Für die Berechtigung und Ausnutzung der Wasserkraft, die in den Bestandsverträgen des jeweiligen Werkes festgelegt wurden, waren immer Gebühren an den Landesherrn zu entrichten (für ein Hammerwerk z.B. 4-5 Reichstaler jährlich).
Die Steuerung der Wasserzufuhr für die Eisenwerke war für die Unternehmer eine notwendige Angelegenheit, die jedoch häufig zur Kollision mit den Interessen der am gleichen Bach ansässigen Müllern führte. So beschwerte sich z.B. der Zender Meyer von Nonnweiler im Sommer 1793 beim Oberamt in Birkenfeld, dass der Hammermeister Pasterts in Züsch den Mahlbetrieb der am gleichen Bach (Prims) gelegenen Mühle in erheblichem Maße beeinträchtige und die Bevölkerung daher an Brotmangel leide. Pasterts staue öfters 4 bis 5 Tage lang das Bachwasser, um es dann an einem halben Tag auf einmal ablaufen zu lassen, wodurch ein geordneter Mahlbetrieb nicht möglich sei. Der geschilderte Konfliktfall zeigt sehr deutlich, dass die Wasserkraft nur in beschränktem Maße zur Verfügung stand und die Antriebsenergie für alle beteiligten nicht beliebig vermehrt werden konnte. Das hatte für die Eisenwerksbetriebe zur Folge, dass der Aufbau der Verhüttungsanlagen und der weiterverarbeitenden Betriebe dezentralisiert werden mussten, auch wenn sie zu einem Beiricbskomplex gehörten. So waren z.B. im Werk Abentheuer Hochöfen, Frischschmiede mit Grobhammer und Kleinhammerwerk mit eigenen Teichen und Wasserzuführungen räumlich (bis zu 400 m) von einander getrennt. Bei derartigen Rahmenbedingungen war vom Unternehmer eine geschickte Arbeitsorganisation erforderlich, um die Rentabilität seines Betriebes zu erhalten.
Die Erze und deren Förderung
Die räumliche Nähe zu Eisenerz-Lagerstätten stellte einen weiteren sehr wichtigen Standortfaktor für die Ansiedlung und den Betrieb von vorindustriellen Eisenhüttenwerken dar. Die Eisenerze waren in drei verschiedenen Arten (in Nestern, Gängen und Adern) vorhanden: Spateisenstein, Roteisenstein und Brauneisenstein.
Die егtragreichsten Vorkommen lagen im Hochwald bei Otzenhausen und Schwarzenbach sowie bei Kastei. In einer Denkschrift von 1621, die der lothringische Rechnungsbeamte F. Renner für seinen Herzog angefertigt hatte, wird u.a. erwähnt, dass man bei Kastei einen Gang mit sehr ergiebigen und guten Eisenerzen entdeckt habe, wie die entsprechenden Versuchsschmelzungen ergeben hätten. Ansonsten aber war der Hochwald „reich an armen Erzen“. Eisenerzbau gab es im 15. und 16. Jahrhundert bereits bei Abentheuer. Im 18. Jahrhundert wurde bei Bierfeld, Nonnweiler, Sitzerath, Züsch, Braunshausen, Eisen, Sötern und Brücken nach Eisenerz gegraben. Weitere Erzvorkommen lagen bei Hermeskeil (Königsfeld), Gusenburg, Reinsfeld, Kell, Thalfang und Beuren.
Die zahlreichen Spuren eines Bergbaubetriebs auf den Bannen der Hochwaldgemeinden unterstreichen indirekt aber auch die geringe Ergiebigkeit der abgebauten Vorkommen sowie den niederen Metallgehalt der Erze. In den Erzgruben des Hochwalds wurden überwiegend Spateisenstein-Erze abgebaut; der Eisengehalt lag bei rund 25 % im Durchschnitt. Die Eisenerze wurden sowohl im Tage - als auch im Untertagebau gefördert. Der Tagebau war nicht nur die ältere, sondern im Hochwald auch die häufiger Abbaumethode. Die offenen Gruben des Tagebaus reichten in der Regel aus, um die kleineren, nestartigen Vorkommen und die dicht unter der Erdoberfläche liegenden Lagerstätten abbauen zu können. Ein Großteil der Erzgräber waren Bauern, die den Bergbau im Nebengewerbe im Auftrag der Unternehmer betrieben und dabei im Akkord entlohnt wurden. Die Zahl der Erzgräber war jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen.
Der unterirdisch betriebene Eisenerzbergbau in Schächten und Stollen lässt sich urkundlich bis in 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Die senkrecht in die Erde gegrabenen Schächte waren kreisrund und mit Flechtwerk vor abbröckelndem Gestein ausgekleidet. Von den Schächten gingen Stollen aus. Dieser relativ einfachen Form des Untertagebaues waren nach der Tiefe hin (die Schächte waren bis zu 20 m tief) schon durch das Wasserproblem natürliche Grenzen gesetzt. Neben dem Schacht-Stollen-Bau gab es vielerorts im Hochwald den reinen Stollenbergbau, z.B. im Dhrontal.
Im 18. Jahrhundert wurden in Kastel und Schwarzenbach in Gruben mit einer Belegschaft von jeweils rund 10 Erzgräbern Eisenerze untertage abgebaut. Die Erzfördermenge betrug z.B. im Jahre 1774 in Otzenhausen mit 5 Erzgräbern rund 3600 Zentner, in Schwarzenbach mit 14 Erzgräbern rund 8000 Zentner und in Züsch von einem Erzgräber lediglich 120 Zentner.
Versorgung mit Holzkohle
Neben der Wasserkraft zur Ausnutzung als wichtigste Antriebsenergie und den Eisenvorkommen zur Belieferung der Hochöfen stellte deren Versorgung mit Holzkohle einen weiteren entscheidenden Standortfaktor des vorindustriellen Eisenhüttenwesens dar. Der Bezug von Holzkohlen aus der näheren Umgebung sowie ihr Preis waren die Grundlage der Rentabilität einer Eisenhütte.
Die Holzkohle wurde im Hochwald ausschließlich aus Buchenholz gewonnen. Die Kohlholzversorgung wurde bereits in den Bestandsverträgen angesprochen und geklärt. Bis etwa 1725 wurde den Unternehmen das erforderliche Kohlholz ohne Beschränkung zu einem geringen Preis abgegeben; bis dahin überwogen die Bestrebungen der einzelnen herrschaftlichen Wirtschaftsverwaltungen, durch günstige Bedingungen in der Holzversorgung Anreize zur Gründung von Eisenwerken und damit auch zur Erhöhung der eigenen Einnahmen zu schaffen. Eine Ausnahme stellte jedoch Kurtrier dar; seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert sind hier Bestimmungen nachweisbar, wonach der Holzeinschlag in den ausgedehnten Waldgebieten des Hochwalds nur forstmäßig durchgeführt werden durfte, um dadurch Raubbau zu verhindern und den Bestand der Waldungen zu sichern.
Dem eigentlichen Holzfällen, das jeweils zwischen Oktober und März in Schlägen durchgeführt wurde, ging in den Herbstmonaten das „Anweisen“ voraus, bei dem die zum Schlagen bestimmten Bäume durch die herrschaftliche Verwaltung gekennzeichnet wurden. Das gefällte Holz wurde im Wald zu Klaftern zusammengesetzt; erst nach dem Abmessen durch herrschaftliche Bedienstete durfte das Buchenholz verkohlt werden. Die Verkohlung selbst fand in Meilern statt und wurde zeitlich von etwa Mitte Juni bis Ende September durchgeführt. Die Ausbeute van Holzkohle hing sowohl von der Güte und Beschaffenheit des Holzes als auch stark von der Geschicklichkeit des Köhlers ab. Im Durchschnitt betrug die Ausbeute von 6,25 kg Buchenholz rund 1 kg Kohle.
Die starke Beanspruchung des Waldbestande führte ab 1750 zur Erhöhung der Kohlholzpreise; die Kostenbelastung der Eisenhütten für den Bezug der Holzkohle war enorm. Sie betrug gegen Ende des 18. Jahrhunderts bei der Erzeugung von Roheisen rund 60 % aller Produktionskosten. Erst um 1850 und in den Jahren danach erfolgte in Deutschland und seinen westlichen Nachbarländern der Übergang von der Holzkohle zum Koks in den Hochöfen.
Umweltschäden durch Bergbau und Hüttenwesen
Auch damals schon, in der vorindustriellen Zeit, gab es Umweltprobleme; die natürlichen Lebensräume von Mensch und Tier sind durch den Bergbau und das Hüttenwesen erheblich belastet worden. Die Folgen dieser Umweltbelastungen (Boden- und Wasserverschmutzung) sind teilweise heute noch in der Natur sichtbar. Über Umweltschäden vor rund 400 Jahren berichtet uns der Montanwissenschaftler und Mineraloge Georg Agricola2 in seinem berühmten Werk „De Re Metallica“:
„Durch das Schürfen nach Erz werden die Felder verwüstet... Wälder und Haine werden umgehauen, denn man bedarf zahllose Hölzer für die Gebäude und das Gezeug sowie, um Erze zu schmelzen. Durch das Niederlegen der Wälder und Haine aber werden die Vögel und andere Tiere ausgerottet... Die Erze werden gewaschen, durch dieses Waschen aber werden, weil es die Bäche und Flüsse vergiftet, die Fische entweder aus ihnen vertrieben oder getötet...”
Mit anderen Worten: Die Wälder werden zerstört, die Artenvielfalt der Tiere schwindet und das Wasser wird verschmutzt, denn die Erze, die meist mit anderen Mineralien verwachsen sind, müssen zerkleinert, gemahlen und gewaschen werden. Die schlammigen und vielfach mit Schwermetallen belasteten Montanreste, die sogenannten Waschabgänge, verschmutzten die Gewässer erheblich. Das Erschließen einer Erz-Lagerstätte zerstörte die Bodendecke und Vegetation, bildete damit eine Angriffsfläche für die Erosion.
Der folgenschwerste Eingriff in das Ökosystem aber war der enorme Holzverbrauch. In den waldreichen Gemarkungen der hinteren Grafschaft Sponheim z.B. waren im Jahre 1760 bereits zwischen 14 - 20 % des ursprünglichen Waldbestandes zerstört. Die Holzkohleversorgung der Eisenhütten beruhte letztendlich dann auf der Niederwaldwirtschaft und führte zur Entstehung der sogenannten “Kohlhecken”.
(wird fortgesetzt)
1 Karl Kratz (1919-2011) war Mitglied der Redaktion von „Rund um Hermeskeil“ von 1960 bis 2011
2 Georg Agricola oder Georgius Agricola, latinisiert aus Georg Bauer (* 24. März 1494 in Glauchau; † 21. November 1555 in Chemnitz), war ein deutscher Arzt, Apotheker und Wissenschaftler, der als „Vater der Mineralogie“ und als Begründer der modernen Geologie und Bergbaukunde gilt.