Hochofen im Mittelalter; nachweisbar in der hier gezeigten Bauart ist der Hochofen zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Die damaligen Öfen im Hunsrück waren etwa 4 bis 7 m hoch, ihre Haltbarkeit war sehr gering (15-45 Betriebstage).
Fortsetzung aus RuH Nr. 46/2022
In unserer letzten Ausgabe haben wir in dem heimatkundlichen Beitrag über das „Eisenhüttenwesen im Hochwald in vorindustrieller Zeit“ die Standort- und Produktionsfaktoren (Wasserkraft, Eisenerze, Holzkohle) beschrieben, die, weil sie in größtmöglicher räumlicher Nähe zusammentrafen, eine Eisenhüttenindustrie in der damaligen Zeit ermöglichten. Unsere heutigen Ausführungen zu diesem Thema befassen sich mit der Eisengewinnung und der Weiterverarbeitung sowie mit den Eisenwerken im Hochwald.
Technische Verfahren zur Eisengewinnung
Die vermutlich älteste Art der Eisenverhüttung fand in Schmelzgruben statt, die mit natürlichem Windzug betrieben wurden. Bei diesem sogenannten „Rennverfahren“ wurde die Grube mit Holzkohle und auf Haselnussgröße zerkleinerten Erzklumpen im gewichtsmäßigen Verhältnis von Holzkohle zu Erz von etwa 1:1 (raummäßig hingegen 90 % Holzkohle, 10 % Erze) gefüllt. Das Produkt der Verhüttung war ein faustgroßer mit Schlacken und Holzkohleresten durchsetzter Klumpen, der als „Luppe“ bezeichnet wurde. Durch wiederholtes Ausheizen und Schmieden wurde die Luppe von den nichtmetallischen Teilen befreit und so zum fertigen Werkstoff Eisen. Insgesamt ließen sich mit dieser relativ einfachen Verhüttungsprozedur aus 50-60-prozentigem Erz rund 15-20 % Eisen ausbringen. Durch Verbesserung der Luftzufuhr, wozu zunächst mit Muskelkraft betriebene Blasebälge verwandt wurden, ließ sich eine Steigerung der Produktion erzielen.
Im Hochmittelalter setzte sich die Ausnutzung der Wasserkraft für den Antrieb des Hammers und der Blasebälge in den Betrieben durch. Die Anwendung Wasserrad betriebener Blasebälge führte zwangsläufig zur Erhöhung der Schmelzöfen bis zu einer Höhe von etwa 4,50 m (sogenannte „Stücköfen“) und die weitere Verbesserung der Getriebe zum Hochofen. Der Stückofen lieferte sowohl ein schmiedbares „Stück“ als auch eine immer größere Menge flüssigen Roheisens, das unmittelbar zur Herstellung von Direktgusswaren ausgenutzt oder in einem zweiten Schmelzprozess, dem „Frischverfahren“, zunächst zur Luppe und dann zu schmiedbarem Handelseisen umgearbeitet wurde. In den Hochöfen wurde ausschließlich flüssiges Roheisen produziert.
Die Aufbereitung der Erze
Die ergrabenen Erzstücke wurden in der Regel bei den jeweiligen Erzgruben mit einem Hammer auf einer festen Unterlage zerschlagen, um die tauben oder unreinen Teile vom eigentlichen Erz zu trennen. Die so gewonnenen Erzbrocken waren dennoch mehr oder weniger stark mit erdigen Teilen vermengt, so dass sie gewaschen werden mussten. Eine solche „Erzwäsche“ kann auch bei dem Eisenwerk bei Züsch angenommen werden, das dort bereits im 17. Jahrhundert von der Firma Mariotte betrieben wurde. Die durch Handscheidung zerkleinerten Erzbrocken wurden in einem speziellen Graben vom Bachwasser eine gewisse Strecke mitgeführt, bis sich die Erzteile aufgrund ihres Gewichts in einer Vertiefung (dem sogenannten „Sumpf“) sammelten. Aus dieser Grabenvertiefung konnte dann das gereinigte Erz entnommen werden. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts erfolgte die Zerkleinerung der Erze auf Nussgröße in einem „Pochwerk“; im gleichen Arbeitsgang wurden die Erze auch gewaschen.
Die Verhüttung
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatten die Hochöfen im Hunsrück eine Höhe von 7 bis 8 m erreicht. H.J. Braun beschreibt in seinem Buch „Das Hüttenwesen im Hunsrück“ (Trierer Historische Forschungen 1991, Band 17) den Hunsrücker Hochofentyp wie folgt:
„Der eigentliche Schmelzofen stand in einem massiven Rauhgemäuer, in dessen unteren Teil zwei Gewölbe ausgespart waren. Eines davon hieß Arbeitsgewölbe. Die Ofenseite in diesem Gewölbe wurde als Brustseite bezeichnet, weil hier der Zugang zum Ofeninnern war, wo Eisen und Schlacken abgelassen wurden. In dem zweiten Gewölbe befanden sich die beiden Blasebälge. Die Ofenseite, durch die der Wind in den Innenteil gelangte, hieß Form- oder Blaseseite. Das Hochofeninnere umfasste grob gesehen drei Haupträume. Der untere Teil wurde als Gestell bezeichnet. Die beiden darüberliegenden Teilräume, die zwei umgekehrt aufeinandergestülpten Pyramiden glichen, hießen Rast und Schacht, durch welche die Beschickung erfolgte“.
Das Innere des Ofens musste aus feuerfestem Material (Sandsteine aus der Glangegend) hergestellt sein, was besonders für das Gestell als dem eigentlichen Schmelzraum galt. Der Schacht wurde aus Hunsrücker Grauwacken errichtet. Das Produkt des Hochofens war flüssiges Roheisen, welches entsprechend seinem späteren Verwendungszweck als Guss- oder Schmiedeeisen in unterschiedlichen Verfahren hergestellte wurde. Das zu Gusseisen bestimmte Roheisen wurde bei allen Hütten zur Fabrikation gusseiserner Waren sofort in die entsprechenden Formen gegossen (Direktguss).
Das aus einheimischen Erzen erzeugte Schmiedeeisen war von minderer Qualität; es wurde daher schon seit dem 16. Jahrhundert durch rechtsrheinisches Roheisen verbessert, das bei der Schmelzung im Hochofen beigegeben wurde. Das zur Weiterverarbeitung bestimmte Roheisen wurde nach dem Hochofenabstich in Sand- oder Tonformen geleitet, die im Boden des Schmelzwerkes vorbereitet waren. Die Roheisenblöcke, als „Masseln“ oder „Gösse“ bezeichnet, sind in länglicher Form mit dreieckigem Querschnitt hergestellt worden und in dem von der eigentlichen Verhüttungsanlage getrennten Hammerwerk zu schmiedbarem Eisen weiterverarbeitet worden.
Das Hammerwerk
Das vorindustrielle Eisenhüttenwesen kannte mehrere Verfahren, das Roheisen in schmiedbares Eisen umzuformen. Nach dem im Hochwald gebräuchlichsten Verfahren wurde das mit Holzkohle bedeckte Roheisen in offenen Herden durch Windzufuhr je nach Qualität bis zu dreimal niedergeschmolzen. Beim letzten Schmelzen sammelte sich das Eisen in einer Vertiefung des Herdes zu einer schmiedbaren Luppe, die unter den Großhammer gebracht (der sich mit dem Frischeherd unter einem Dach befand) und in mehreren Arbeitsgängen zu Grobeisen in Form von viereckigen Stab- oder Stangeneisen ausgeschmiedet wurde. Zum Dichten und Ausschmieden der Luppe waren schwere Hämmer mit relativ langsamem Gang am besten geeignet. Daher benutzte man hierzu sogenannte Aufwerfhämmer mit einem Gewicht von rund 150 kg bei einer Schlagzahl von 60 bis 80 Schlägen in der Minute. Die Hämmer wurden durch Wasserkraft angetrieben.
Die Weiterverarbeitung des Grobeisens erfolgte in Hammerwerken, die auf die Herstellung bestimmter Produkte spezialisiert waren. Der „Kleinhammer“ war nach der Frischeschmiede der im Hochwald am häufigsten benutzte Hammerwerkstyp. Alle größeren Hüttenwerke des Hochwaldes wie beispielsweise Abentheuer und Mariahütte verfügten noch während des 18. Jahrhunderts zusätzlich zum Großhammer mindestens noch über einen Kleinhammer. Das Produkt dieser in der Regel einem Hüttenbetriebskomplex .unmittelbar angeschlossenen Hämmer wurde analog zur Werksbezeichnung „Kleineisen“ genannt. Hierunter fielen im wesentlichen alle Werkzeugarten für Handwerker sowie alle Arten von Geräten, die in der Landwirtschaft oder im Haushalt benötigt wurden, wie beispielsweise Zangen, Kellen, Schaufeln, Spaten, Sensen, Pfannen usw.
Der Hammer der Blechschmiede verfügte über eine relativ breite Oberfläche, wodurch ein Ausschmieden des Stangeneisens zu Eisenblech in gewünschter Dicke, Breite und Länge ermöglicht wurde. In den Jahren 1982/83 wurden die denkmalgeschützten historischen Gebäudereste des Züscher Hammers freigelegt und die Grundmauern restauriert und konserviert. Anschließend wurde ein Gebäude mit einem funktionierenden Hammerwerk errichtet, wo Mitglieder des Fördervereins Züscher Hammer für Gruppen von Touristen die Funktionsweise vorführen.
Die Produktion der Eisenwerke
Die Hochofenwerke produzierten grundsätzlich zwei Arten von Gusseisen; einmal direkten Hochofenguss, wobei das glühende Roheisen unmittelbar vom Hochofen aus zu fertigen Produkten vergossen wurde, und zum anderen zu Roheisengänzen, die in den Hammerwerken weiterverarbeitet wurden. Der Schwerpunkt der Produktion bei den Gusswaren lag auf der Herstellung von Öfen, Herdplatten und Haushaltswaren. (Der Terminus „Herdplatte“ hat nichts mit dem Küchenherd zu tun, sondern ist von der Verfahrensweise zur Herstellung dieser Platten abgeleitet. Dabei wurde ein Holzmodell in ein entsprechend vorbereitetes horizontales Sandbett, den sogenannten Herd, gedrückt und die Vertiefung mit flüssigem Eisen ausgefüllt. Der Begriff der Herdplatte dient als Sammelbegriff für Kamin-, Ofen- und Takenplatten). Neben dem Guss von zivilen Gebrauchs- und Einrichtungsgegenständen ist spätestens seit dem 17. Jahrhundert die Herstellung von Kriegs- und Rüstungsmaterial nachweisbar.
Die der Weiterverarbeitung des Eisens dienenden Hammerwerke formten das Roheisen im Frischfeuer zur Luppe um; diese wurde dann unter einem Großhammer zu Barreneisen umgeschmiedet, das seinerseits wiederum unter einem schnell schlagenden Kleinhammer zu Schmiedeeisen ausgeschmiedet wurde. Typische Produkte des Kleinhammerwerkes waren die Vierkant-Eisenstangen, die als Stabstangen oder Kaufmannseisen in den Handel gingen und vornehmlich im Handwerk gebraucht wurden, so wie viele im Haushalt und in der Landwirtschaft erforderliche Gerätschaften wie Ackergeräte, Gittereisen, Pflugschare, Radeisen usw. Schneidwerke verarbeiteten ebenfalls Barreneisen aus dem Großhammer, wobei in zwei aufeinanderfolgenden Arbeitsprozessen, einem Walz- und einem Schneidgang, dünne Eisenstangen von etwa Fingerdicke hergestellt und als Schneideisen verkauft wurden, die als Halbfabrikate zur Herstellung von Nägeln aller Art dienten.
Der Produktionsumfang der Hochwälder Eisenwerke war entsprechend der Größe der Anlagen unterschiedlich; eine der größten Anlagen des Hunsrücks war das Schmelzwerk bei Abentheuer. Dort wurden im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts jährlich rund 5.500 Zentner Roheisen und gusseiserne Waren geschmolzen.
Der Zeitraum, in dem ein Hochofen in Betrieb war, wurde im Hunsrück als „Campagne“ bezeichnet. Die Dauer der Campagne, die im Allgemeinen im Sommer oder Spätsommer begann, war sehr unterschiedlich; sie dürfte gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Durchschnitt zwischen 30 und 35 Wochen gelegen haben.
(wird fortgesetzt)